Man muss auch an die kleinen Vereine denken!
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Am Ball mit Böni:Man muss auch an die kleinen Vereine denken!

Liga-CEO Claudius Schäfer im Interview
Deshalb ist der Fussball dringend auf finanzielle Hilfe angewiesen

Claudius Schäfer (48) freut sich über die Entscheidungen des Bundesrats und will die Saison wieder aufnehmen. Der Liga-CEO sagt aber: «Dafür sind wir dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen.»
Publiziert: 03.05.2020 um 18:23 Uhr
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Nach über drei Monaten Pause: Am 8. Juni könnte die Super League wieder losgehen.
Foto: Marc Schumacher/freshfocus
Andreas Böni

Herr Schäfer, als erstes Land gibt die Schweizer Regierung grünes Licht für Geisterspiele. Warum sagt man nicht: Super, wir freuen uns riesig auf den 8. Juni?
Claudius Schäfer: Wir freuen uns, keine Frage! Unsere intensiven Bemühungen bei der Erarbeitung der verschiedenen Konzepte haben Früchte getragen und der Bundesrat hat sich dem für die gesamte Gesellschaft wichtigen Thema «Sport» schneller angenommen als ursprünglich angekündigt. Nun stehen die terminlichen Leitplanken fest, das ist sehr positiv. Der Profifussball macht sich nun an die Arbeit, im Austausch mit den Klubs und den Behörden die organisatorischen, gesellschaftspolitischen und für die Klubs existenziellen wirtschaftlichen Fragen zu beantworten, die sich noch stellen.

Am Freitag tagte das Liga-Komitee – und verschob den Entscheid, ob man weiterspielt. Was sind die offenen Punkte, die man diskutiert?
Zusammen mit den Klubs müssen wir uns intensiv mit den wirtschaftlichen Folgen einer längeren Phase mit Geisterspielen auseinandersetzen und Lösungen zur Finanzierung dieser Periode mit fehlenden Einnahmen finden. Neben zahlreichen Massnahmen, welche die Klubs in ihrem Umfeld bereits an die Hand genommen haben, setzt sich die SFL für den Aufbau eines durch den Bund verbürgten Finanzstabilisierungsfonds für den Gesamtfussball ein, um den Zusammenbruch des gesamten Systems im Schweizer Fussball bis hinunter in die Nachwuchsarbeit und den Breitensport zu verhindern. Weiter will das Komitee sportliche und gesellschaftspolitische Fragen klären, aber auch organisatorische Fragen im Umgang mit den erforderlichen Schutzmassnahmen, die vor allem die Klubs stark beschäftigen. Für die Beantwortung all dieser Fragen nimmt sich die SFL die erforderliche Zeit.

Wie hoch sehen Sie die Chance aus Ihrer subjektiven Sicht, dass man im Juni spielt?
Die politische Grundlage ist geschaffen, die Termine sind bekannt und die geforderten Schutzkonzepte wurden akzeptiert. Wir verfolgen weiterhin die Absicht, die Meisterschaften der Raiffeisen Super League und der brack.ch Challenge League der laufenden Saison wieder aufzunehmen. Über die definitive Wiederaufnahme kann aber erst entschieden werden, wenn die oben beschriebenen Fragen so weit wie möglich geklärt sind.

Haben Sie Zeichen von der Politik, dass der Profi-Fussball finanziell unterstützt werden könnte?
Es gibt positive Zeichen und Rückmeldungen. Grossen Kreisen ist die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung des Fussball sehr wohl bewusst. Allein das Umfeld der Raiffeisen Super League generierte gemäss einer Studie aus dem Jahr 2015 einen Umsatz von über 800 Mio. Franken und ein Arbeitsvolumen von 3300 Vollzeitstellen. Die aktuelle Krise geht aber weiter über den Profibetrieb hinaus, auch alle anderen Institutionen und Bereiche wie die Nationalmannschaft, der Frauenfussball, aber auch die Junioren und der Breitensport hängen direkt oder indirekt davon ab. Deshalb ist der Fussball auf allen Ebenen so dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen.

Sie arbeiten an einem Rettungs-Fonds. Was ist konkret die Idee dahinter?
Die SFL setzt sich für den Aufbau eines durch den Bund verbürgten Finanzstabilisierungsfonds für den Gesamtfussball ein. Dieser Fonds soll in den nächsten sechs Monaten als ausserordentliche Liquiditätshilfe die wirtschaftliche Fortführung des Spitzenfussballs in der Schweiz sichern, gleichzeitig aber auch den Zusammenbruch der Nachwuchsarbeit in den Regionen verhindern. Das Ziel ist es, die Grundlage für eine positive wirtschaftliche Fortführung des Schweizer Fussballs auf allen Ebenen zu schaffen.

Die Spieler immer wieder zu testen würde 1,5 Millionen Franken kosten. Das ist vom Tisch und warum?
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) teilte im Rahmen der Besprechung unseres Konzepts mit, dass auf die sehr kostenintensiven Covid-19-Tests verzichtet werden kann. Gemäss BAG stünde bei diesen Tests der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ertrag und bei negativen Resultaten würde eine falsche Sicherheit suggeriert.

Ist es immer noch eine Diskussion, alle Spiele in einem Stadion zu machen, um Sicherheitskosten zu sparen?
Das ist eine der offenen Fragen im organisatorischen Bereich, die weiterhin in Abklärung ist.

Was passiert, wenn sich ein Spieler ansteckt? Muss dann die ganze Mannschaft in Quarantäne?
Ein positiv getesteter Spieler muss sich für zehn Tage in häusliche Selbstisolation begeben und kann nicht mehr am Trainingsbetrieb teilnehmen. Die Vorgaben des BAG sehen aber keine Selbst-Quarantäne für die ganze Mannschaft vor.

Servette und YB sind für eine Weiterführung der Meisterschaft. Lugano, Sion, Thun und Xamax dagegen. Geht es da nur ums Geld oder auch Eigeninteressen?
Es ist nachvollziehbar, dass in einer solchen Diskussion die eigenen Interessen und die eigene sportliche Situation mitschwingen. Unsere Aufgabe als Swiss Football League ist es aber, die Interessen des Gesamtfussballs zu verfolgen. Das ist für uns immer das absolut zentrale Anliegen, wenn wir nach Antworten auf die teilweise komplexen sich stellenden Fragen suchen.

Wie schlecht geht es den Schweizer Profi-Klubs aus Ihrer Sicht mit mindestens drei Monaten Geisterspielen?
Diese bis vor wenigen Wochen noch unvorstellbare Situation mit komplett ausbleibenden Einnahmen aus der Organisation von Spielen, dem Herzstück jedes Fussballklubs, ist eine unglaublich schwierige und aus eigener Kraft fast nicht zu stemmende Aufgabe. Wie in anderen Bereichen unserer Gesellschaft trifft diese Krise jeden Klub, niemand kann diese Ausfälle einfach so wegstecken. Es ist nun unsere Aufgabe im Detail herauszufinden, welche finanziellen Lücken diese Phase der Geisterspiele in den Klubs hinterlässt – und entsprechende Lösungen für die Linderung dieses Schadens zu finden.

Wie vielen der 20 Profi-Klubs droht der Kollaps?
Diese Frage können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten. Aber je länger diese Phase der Geisterspiele andauern wird – auch in die nächste Saison hinein –, desto prekärer wird die Situation und bedroht die Klubs in ihrer Existenz.

Die Liga hat einen Antrag beim Seco (Bundesamt für Wirtschaft) gestellt, dass Spieler weiter in Kurzarbeit bleiben dürfen, weil die Klubs keine Einnahmen haben. Wie sehen Sie Ihre Chancen, dass dies bewilligt wird?
Wir haben dem Seco unsere Überlegungen und Vorschläge präsentiert und hoffen auf eine positive Rückmeldung. Die Spieler können vielen vertraglichen Verpflichtungen aufgrund der weiterhin geltenden Schutzmassnahmen für die Bevölkerung nicht nachkommen. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Arbeitsbelastung während der Phase der Geisterspiele weiterhin stark eingeschränkt ist.

Wäre es für die Klubs wichtig, dass sich auch die Spieler solidarisch zeigen, bis man wieder vor Publikum spielen darf?
Es ist in dieser Zeit unglaublich wichtig, dass man solidarisch miteinander umgeht. Die Spieler haben auch ein Interesse, dass sie sich ins Schaufenster stellen können und man nicht eine Pause von vier Monaten hat. Darum hoffe ich, dass sie zusammen mit ihren Beratern konstruktiv mit den Klubs zusammenarbeiten und Lösungen suchen. Sonst droht die Gefahr, dass der Fussball diese Belastungsprobe verliert.

Das ist Claudius Schäfer

Claudius Schäfer wurde 1971 in Bern geboren und studierte dort und in Montpellier (F) Recht, bevor er in Zürich das Anwaltspatent erwarb. Der Rechtsanwalt arbeitet seit 2006 für die Swiss Football League, erst als Chef der Rechtsabteilung und seit 2012 als CEO. Er ist Mitglied des Vorstandes der European Leagues, sitzt auch in Kommissionen der FIFA und der UEFA und ist im Zentralvorstand des Schweizer Fussball-Verbandes.
Schäfer ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

Claudius Schäfer wurde 1971 in Bern geboren und studierte dort und in Montpellier (F) Recht, bevor er in Zürich das Anwaltspatent erwarb. Der Rechtsanwalt arbeitet seit 2006 für die Swiss Football League, erst als Chef der Rechtsabteilung und seit 2012 als CEO. Er ist Mitglied des Vorstandes der European Leagues, sitzt auch in Kommissionen der FIFA und der UEFA und ist im Zentralvorstand des Schweizer Fussball-Verbandes.
Schäfer ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

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