«Komm, Michael», ruft der Trainer. «Zeig den ‹Rund um die Welt›-Trick.» Michael ist nervös. Nicht wegen seinen neun Teamkollegen, die im Halbkreis um ihn stehen. «Das nervt, hört auf!», sagt er ihnen und schon wirds still. Aufgeregt ist er, weil der SonntagsBlick zuschaut und fotografiert. Schauplatz ist der mit Laub übersäte Sportplatz Schöntal in Arbon TG. Das «Platz gesperrt»-Schild kippt ein Junior auf Geheiss des Trainers kurzerhand zu Boden.
Der ‹Rund um die Welt›-Trick ist jener, den unzählige Hobby-Kicker ewig üben, bis er dann mehr oder weniger verkrampft klappt. Dabei macht der Fuss während dem Jonglieren einmal eine Drehung rund um den Ball, ehe dieser weiterjongliert wird – natürlich ohne zu Boden zu fallen.
Den schwierigen Trick schafft Michael auf Anhieb und mit verblüffender Lockerheit. Die Kollegen klatschen. Michael ist zwölf Jahre alt, hat einen Lockenkopf und mag Chelsea und Spiderman. Und Fussball. Klar, bei diesem Vater.
Mike Dellios (50), der Vater, dessen Fussball-Karriere schon als 17-Jähriger bei einem Fallrückzieher-Unfall zu Ende ging, hat Geschäftsbeziehungen zu verschiedenen englischen Klubs.
Die Herbstferien im Oktober dieses Jahres verbringt die Familie Dellios in London, weil Vater Mike dort Geschäftstermine hat. Am Rande einer Sitzung mit Chelsea-Goalietrainer Chris Lollichon meint dieser: «Dein Sohn ist doch grosser Chelsea-Fan. Schick ihn zu uns ins Probetraining!» Nach kurzer Überzeugungsarbeit willigt Mike ein. Unter der Voraussetzung, dass die Trainer nicht wissen, dass Michael sein Sohn ist.
Zwei Tage darauf steht Michael in Nockenschuhen auf dem Trainingsgelände des Londoner Nobelklubs und versetzt die Talentspäher erst als Aussenverteidiger und später auf seiner Lieblingsposition im zentralen Mittelfeld in Staunen. Michael wird sofort für die Endsichtung eingeladen, die anfangs November stattfindet. Das Problem: Michael muss zur Schule.
Die Dellios’ verlängern ihre Ferien, um Michael bei einer weiteren Zwischensichtung nochmals beobachten zu lassen. Vater Mike erzählt: «Die bestanden darauf, dass Michael im November nochmals kommt.»
Von der Schule gabs eine Sonderbewilligung
Von der Schule erhält Michael eine Sonderbewilligung – am 1. November ist er zurück in London. Und nach zwei Tagen im Trainingscamp ist klar: Chelsea will den zwölfjährigen Michael aus der Schweiz!
Der Champions-League-Sieger würde der ganzen Familie den Umzug in die englische Hauptstadt organisieren und finanzieren. Für Wohnung und Arbeit sorgen. Wohlfühl-Programm für Familien mit einem Supertalent halt.
Umziehen auf die Insel? Nichts da. Vater Mike legt sein Veto ein: «Michael kann auch in zwei Jahren noch zu Chelsea. Jetzt soll er noch in Arbon zur Schule und hier mit seinen Freunden Fussball spielen. Er braucht auch seine Mutter noch, und die zieht nicht einfach so nach London. Wir haben ja noch zwei Töchter hier, die wir nicht einfach entwurzeln und nach London nehmen. Ich weiss, dass Michael seine Chance nochmals kriegt.»
SonntagsBlick fragt Michael: Wenn du entscheiden könntest, würdest du heute packen und nach London ziehen? Das Talent beginnt zu strahlen, nickt heftig und sagt: «Ja, sofort!» Auf die Frage, wo denn das Training besser sei, meint er aber: «In Arbon. Hier habe ich meine Freunde.»
Weil Michaels Mutter Polin ist, wird zu Hause zwar Englisch gesprochen, was dem Junior den Einstieg bei Chelsea klar erleichtert hätte. Dennoch bleibt er vorerst in der Schweiz. Und kickt und trickst weiter auf dem gesperrten, laubigen Rasen in Arbon.