«Die schwierigste Aufgabe meiner Karriere»
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Gross über Schalke-Posten:«Die schwierigste Aufgabe meiner Karriere»

Jetzt spricht Schalke-Trainer Christian Gross!
«In der Schalke-Kabine stehen Basler Läckerli»

Christian Gross (66) spricht mit den Schweizer Medien erstmals über seine fast unmögliche Mission mit Schalke. Sein Rettungsplan, seine Antwort an Kritiker wie Matthäus und was ihn am FC Zürich aufregt.
Publiziert: 12.02.2021 um 01:56 Uhr
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Aktualisiert: 12.02.2021 um 15:14 Uhr
Christian Gross als Schalke-Trainer.
Foto: Getty Images
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Andreas Böni

Herr Gross, wie oft haben Sie in den letzten Wochen gedacht: Warum habe ich mir Schalke bloss angetan?
Christian Gross: Ganz ehrlich: Nie. Ich will das fast Unmögliche möglich machen. Das ist meine Mission.

Wie waren die Tage im Dezember, als Sie sich entschlossen, diese Aufgabe anzunehmen?
Sportvorstand Jochen Schneider und ich haben uns Mitte, Ende Herbst lose ausgetauscht. Er fragte an, ob es überhaupt ein Thema für mich sein kann, ohne konkret zu werden. Später haben wir uns in Basel getroffen, weil es geografisch gut liegt.

Sie hatten ja quasi Ihren Rücktritt gegeben. Brauchte es viel, um Sie wieder zum Comeback zu überreden?
Das ist nicht ganz richtig. Ich habe immer gesagt, dass ich darauf zurückkomme, wenn etwas ganz Spezielles kommt. Und Schalke ist etwas ganz Spezielles. Es war die dritte Anfrage von diesem Klub – früher traf mich der legendäre Manager Rudi Assauer mal in Zürich und vor zwei Jahren gab es auch Kontakt. Da war ich gerade mit meinem ägyptischen Verein in Angola unterwegs, und es passte nicht. Ich habe nach dem Gespräch in Basel um eine Woche Bedenkzeit gebeten und spürte: Jetzt will ich es machen. Ich sagte mir einfach: Diese Chance wird in meinem Berufsleben nie mehr kommen.

Neun Punkte Rückstand beträgt der Rückstand auf einen Relegationsplatz. Das scheint kaum aufzuholen.
Ich versuche trotzdem stets das Positive herauszustreichen. Kenner der Szene, und dazu zähle ich Sie, sehen die Entwicklung positiv. Die Frage ist, ob die Zeit reicht. Denn es bleibt nicht viel davon.

Ist es die schwierigste Aufgabe Ihrer Trainerkarriere?
Ja.

Sie sagten den Spieler früher oft, dass Sie sich für die Visitenkarten anstrengen sollten. Dass auf diesen Erfolge draufstehen sollen. Bei Ihnen könnte im Sommer «Absteiger mit Schalke 04» stehen. Hat Ihnen niemand gesagt: Das ist es nicht wert?
Je mehr man sich auf solche Diskussionen einlässt, desto kontroverser sind die Meinungen.

Hat ihn keiner gesagt, wie kaputt diese Mannschaft ist?
Die Mannschaft ist nicht kaputt. Sie hatte ein Jahr lang nicht gewonnen, ja. Da ist klar, dass ihr das Selbstvertrauen fehlt. Wir versuchen es Stück für Stück zurückzuholen. Mir fiel einfach auf, dass die Mannschaft zu wenig Erfahrung und zu wenig Persönlichkeit auf dem Platz hatte. Aber das war vor dem Transferfenster, wir konnten noch vier neue Spieler dazuholen, darunter zwei von Arsenal mit Mustafi und Kolasinac sowie Schalke-Legende Huntelaar. Die Spieler wissen, dass sie jetzt viel für den Lebensinhalt der abertausenden von Schalke-Fans machen können.

Nach dem ersten Spiel bei Hertha BSC hat Lothar Matthäus Sie gleich knallhart kritisiert. Wie empfanden Sie das?
Er ist einer von vielen Experten. Ich schätze sehr, was er als Fussballer erreicht hat. Schauen Sie: Es ist immer einfach, aus der Distanz etwas zu sagen. Aber ich versuche mich grundsätzlich mit optimistischen Menschen zu umgeben. Ich spüre schnell, wenn jemand pessimistisch ist. Und von solchen Menschen distanziere ich mich.

Die Kritik zielte später darauf, dass Sie Alessandro Schöpf als Massimo Schüpp bezeichneten und Can Bozdogan als Can Erdogan. Warum passierte das?
Das war mein Fehler. Ich notiere normalerweise alle auf, die fehlen. Aber mir fehlte die Zeit vor jener Pressekonferenz. Und so kam ich kurz durcheinander.

Haben Sie sich selber verändert in den letzten Jahren?
Ich bin ein bisschen weniger stur und ein bisschen offener, gerade im Umgang mit dem Menschen.

Bei Basel mussten die Spieler bei Gegentoren nach Standards bezahlen und kassierten Prämien bei Toren nach ruhenden Bällen. Haben Sie das auch auf Schalke eingeführt?
Nein. Ich sagte der Mannschaft: Wenn wir im Minus sind, übernehme ich das. Weil es an mir liegt, das zu verbessern.

Ihr Team hat schon vier Gegentore nach Standards bekommen.
Leider. Es hängt aber auch viel mit Ausfällen zusammen, wir mussten auch das eine oder andere Mal umstellen. Wir müssen es in die richtigen Bahnen lenken.

Sie haben oft mit Symbolen gearbeitet. Auch auf Schalke?
Ja, bei GC joggte ich mit den Spielern zum Hardturm und sagte: Das ist unsere Festung. Bei Wil taufte ich das Bergholz in Burgholz um. Aber nein, bisher habe ich hier noch nichts visualisiert. Klar, der Spruch «Glück auf», den man sich hier sagt, trifft unsere Situation ganz gut. Und zum Beispiel der Materialwart arbeitete früher unter Tage, also im Kohlebergbau. Ich habe nur immer Basler Läckerli in der Kabine. Die stehen an der frischen Luft und werden hart. Auch wir essen gerade hartes Brot – aber wenn man es kaut, wirds ja weich. Und bei den Läckerli tritt dann der Honig-Geschmack hervor. Ich hoffe, dass auch wir an den Honig kommen.

Am Samstag trifft Ihre Mannschaft auf Urs Fischer und Union Berlin. Welchen Bezug haben Sie zu ihm?
Ich kenne ihn nicht gut, er war ja beim FC Zürich und ich bei GC – da ist automatisch Distanz, da sind die Gleise dazwischen … (lacht) Aber als Trainer hat er tolle Arbeit geleistet. Er ist durch und durch prädestiniert für dieses Business und arbeitet mit einer unglaublichen Leidenschaft.

Wie erleben Sie das China-Projekt von GC aus der Ferne?
Es ist unglaublich, dass der Verein nicht zur Ruhe kommt. Die Gründe kenne ich nicht im Detail. Darum kann ich nicht mehr dazu sagen. Aber zum FC Zürich möchte ich etwas sagen…

… bitte.
Beim FCZ auf dem Trikot steht: «Der Stadtklub». Für mich ist das unglaublich anmassend. Ich hoffe, dass das jeden GC-Fan weiter aus der Reserve lockt, dass diese Mannschaft wieder aufsteigt und man Derbys gegen den FCZ hat. Und dann sollen sie gemeinsam in das neue Stadtstadion Hardturm einziehen?

Niederhasli ist halt nicht Stadt.
Das ist richtig. Aber das ist ja nur ein Trainingscenter.

Und wie verfolgen Sie Ihren anderen Ex-Klub, den FC Basel?
Ich verfolge es aus der Ferne. Ich fand gut, dass man vor der Saison das Ziel klar formuliert hat, das muss ein Klub wie der FC Basel.

Im Moment siehts nicht nach Meistertitel aus.
Man muss auch Ende Saison dann Bilanz ziehen, was man erreicht hat, ganz klar.

Es hiess im Sommer, dass Sie nah an einem Engagement beim FC Basel waren, zum Beispiel als Verwaltungsrat.
Es gab gewisses Interesse, aber das hat sich zerschlagen. Es hätte in Zusammenarbeit passieren müssen. Aber ich spürte auch, dass David Degen, den ich sehr schätze und der sich für den FC Basel sehr einsetzt, seinen eigenen Weg gehen will. Ich kenne ja auch Bernhard Burgener gut, und jeder, der so eine Aufgabe annimmt, den muss man unterstützen. Er machts auf seine Art. Aber auch er kommt nicht drumherum, mal Bilanz zu ziehen. Die Basler sind nun mal anspruchsvoll geworden und verdienen einen ambitionierten Klub. Als ich von Wil zu GC kam, sagte mir der Präsident: «Herr Gross, ein Titel muss es sicher sein. Aber lieber gleich beide.» Und so hoffe ich, dass auch Burgener mit seinen Trainern redet. Und die Messlatte möglichst hochlegt.

Steigen Sie vielleicht später beim FCB ein?
Man weiss ja nie, was die Zukunft bringt.

Wie weit waren Sie mit Ihrem Projekt als Trainer-Berater in Zusammenarbeit mit Philipp Degen, bevor Schalke auf Sie zukam?
Ich bin auf eine gewisse Vorsicht gestossen, weil grundsätzlich jeder Trainer das Gefühl hat, er wisse, wie’s geht… Das Verrückte an unserem Job ist einfach, dass der Trainer keine Fehler machen darf - weil ihr sonst sofort mit der Fehlerliste kommt. Jeder Trainer stösst einmal an, und da stand ich mit absoluter Diskretion zur Verfügung.

Ihre Verbandelung mit Degen sorgt in der Szene für Gesprächsstoff.
Ja, aber wissen Sie was? Er ist super vernetzt im Fussball. Ohne ihn wäre Mustafi nicht zu uns gekommen. Er kam, weil Philipp Jürgen Klopp anrief.

Warum Klopp?
Weil Philipp wusste, dass Liverpool einen Innenverteidiger sucht. Und er fragte, ob Liverpool an Ozan Kabak interessiert sei - so wusste Philipp, dass Schalke Kabak möglicherweise an Liverpool abgeben könnte – und er Mustafi zu Schalke bringen könnte.

Und Schalke, das finanziell nicht auf Rosen gebettet ist, könnte 30 Millionen Euro für Kabak bekommen.
Die Wechsel von Kabak und Mustafi kamen jedenfalls auch dank dem Einsatz von Philipp Degen zustande. Aber wir sind finanziell völlig unabhängig voneinander.

Ist es für Sie klar, dass Sie im Sommer so oder so aufhören und wieder mit Degen arbeiten?
Das lasse ich mir offen. Es macht keinen Sinn, über Sommer hinaus nachzudenken. Wir brauchen jetzt Punkte. Punkt.

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