Er posierte mal im Nacktkalender
Der nackte Wahnsinn um Mainz-Trainer Schmidt

Der Walliser Martin Schmidt (47) schreibt sein Bundesliga-Märchen. Mit seinem 82 Jahren alten Vater feiert er den ersten Sieg. Und spricht offen über sein bewegtes Leben.
Publiziert: 12.05.2015 um 22:21 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 19:29 Uhr
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Von Andreas Böni aus Mainz

Wir sehen einen gut gebauten Mann, wie Gott ihn schuf. Knackig, jung, durchtrainiert. Er erklärt seinen Spielern die Taktik. Es ist die Idee einer Spendenaktion, für die sich die Zweitliga-Kicker des FC Raron ausziehen.

Der nackte Trainer ist Martin Schmidt, damals 37 Jahre alt. Heute, zehn Jahre später, erlebt er den nackten Wahnsinn. Feuertaufe in der Bundesliga, 3:1-Sieg gegen Frankfurt. 33 237 tobende Fans, Mainz, wie es singt und lacht. Nach nur einem Sieg in 13 Spielen führt ein Schweizer den Bundesligisten zurück zum Erfolg.

Nach dem Spiel nimmt sich der Oberwalliser aus Naters Zeit für das Gespräch mit SonntagsBlick.

SonntagsBlick: Herr Schmidt, klären Sie erst mal auf: Wie entstanden diese Fotos in Raron?
Martin Schmidt:
Ich möchte unbedingt, dass diese Bilder richtig eingeordnet werden. Wir haben das damals für die «Insieme»-Behindertenwerkstatt gemacht; eine Idee, die wir von einem Handball- oder Volleyballklub übernommen hatten. Wir konnten 7000 Franken an diese Einrichtung zahlen. Eine schöne Sache. Es ist wichtig, im Fussball über den Tellerrand zu schauen. So konnten gesunde Burschen behinderten Menschen helfen.

Mit 37 noch Trainer von Raron in der 2. Liga. Nun Bundesliga-Trainer von Mainz und gleich ein Sieg gegen Frankfurt. Schon verrückt.
Ja, und wissen Sie, was etwas vom Schönsten ist? Mein Vater, er ist 82, war zum ersten Mal in seinem Leben im Fussballstadion. Er war nie bei Spielen von mir, auch nicht in Raron oder Naters. Vielleicht war ihm damals das Niveau zu schlecht ... (lacht) Nein, im Ernst, es berührt mich sehr, wie er sich gefreut hat. Dass ich mit ihm diesen Augenblick teilen kann. Meine Mutter ist früh gestorben, mit 55 Jahren. Darum habe ich dann, bis ich 38, 39 Jahre alt war, zu Hause gelebt, um meinen Vater zu unterstützen. Und wir sind uns dadurch sehr nah.

Warum war er nie bei Spielen?
Weil er chrampfen musste. In einer Möbel-Firma. Und weil es im Wallis keine so grossen Stadien gibt ... (lacht) Heute waren 20 Leute da, meine fünf Schwestern, mein Bruder und der gesamte Anhang. Mit Kuhglocken und Walliser Flagge, direkt hinter der Trainerbank. Ein Spiel, das besonders mein Vater nie in seinem Leben vergessen wird. Und eins kann ich noch anfügen: Er ist mit 82 noch genauso wild wie ich. Er fährt Auto, er fährt Ski. Und das nicht langsam.

Sie fahren Extrem-Ski und betreiben Extrem-Mountainbiking. Stimmt es, dass Sie fast mal gelähmt waren?
Ja. Bei einem Gruppenrennen, das war mit mehreren Kollegen über sechs Stunden abwechselnd Berg hoch, Abfahrt runter. Da bin ich auf den Kopf gestürzt und habe mir zwei Halswirbel-Fortsätze gebrochen. Aber ich bin das Rennen fertig gefahren, ich wollte den Sieg nicht gefährden.

Wie bitte?
Ja. Ich habe den Kopf in meine Hände gestützt und bin runtergefahren. Unten bin ich dann zusammengesackt und mit der Rega ins Spital geflogen worden.

Und dann?
Ich spürte meine Beine nicht. Ebenso wenig meine Finger. Das waren Tage totaler Ungewissheit. Dann merkte man bei den Untersuchungen, dass die Lähmung nur an der Schwellung lag, die dann langsam zurückging. Das Gefühl kam wieder. Es war, wie wenn ein gefrorener Fuss auftaut. Danach brauchte ich drei, vier Monate lang eine Halskrause.

Und Sie haben ja auch sieben Kreuzband-Risse erlitten.
So ist es. Drei beim Fussball. Zwei beim Skifahren. Zwei beim Mountainbike-Downhill.

Da ist die Stimmband-Entzündung, wegen der Sie diese Woche ins Spital mussten, eine Kleinigkeit.
Allerdings. Aber ich habe gemerkt, dass es in der Bundesliga wenig bringt reinzubrüllen. Bei der U23 hat mich jeder gehört, jetzt muss ich mehr mit Zeichensprache machen.

War mehr Nervosität da vor dem ersten Bundesliga-Spiel?
Nein, ich war überraschenderweise sehr ruhig. Die Medien-Lawine, die auf mich zukam, war für mich neu. Ich dachte immer, es gehe um Fussball, aber am Frühstückstisch waren dann meine Freundin und ich das Thema.

Sie sind erst mit 34 Jahren Trainer geworden. Wie kam das?
Ich war zuerst selbständig mit meiner Garage. Dann habe ich mit zwei Schwestern eine Textilfirma gegründet, wir machen Arbeitskleidung mit Stickereien und alles. Parallel dazu brauchte ich einen Ausgleich. Zum einen wollte ich in Bern die Berufsmatura nachholen und Trainer werden. Am Anfang wars ausgeglichen vom Pensum her, dann bei der U21 in Thun nahms immer mehr überhand, in Mainz wars dann logischerweise nur noch der Fussball.

Sie sagten mal: «Ich habe nicht den Namen eines ehemaligen Nati-Spielers. Für mich gäbe es wohl als Trainer keine zweite Chance.»
Ja, wenn du nicht Profi warst,  musst du die Gelegenheit nutzen. Das heute war mal ein Sieg, aber die Bilanz kann man dann nach fünf, zehn Spielen ziehen.

Warum wurden Sie nie in der Super League Trainer? Sie hätten einmal fast mit Raphael Wicky den FC Thun übernommen.
Es gab zwei, drei lose Anfragen. Und obwohl ich Walliser bin, ist der FC Sion kein Thema. (lacht) Mein Ziel war es, bis 2010 nach Deutschland zu kommen. Dann wollte ich mich hier durchsetzen. Meine Priorität gilt Deutschland. In die Schweiz kann ich immer zurück.

Nun sind Sie Bundesliga-Trainer. Und SRF-Moderator Rainer Maria Salzgeber hat ein Problem. Sie wechseln nicht mehr seine Reifen.
(lacht) Ja, er war einer meiner Stammkunden. Die Auto-Leidenschaft schraubte ich halt immer mehr zurück. Als Rennmechaniker hatte ich schon fast alles erlebt: Tourenwagen-WM, DTM, 24-Stunden-Rennen, alles Mögliche. Ich war für Getriebe, Reifen und Mechanik verantwortlich. Später war ich Porsche-Chefmechaniker bei Rinspeed Design. Ich habe 1990 und 1991 die Porsches gemacht, die in Genf am Autosalon standen. Es war eine spannende Zeit. Aber nun habe ich hier in Mainz ein neues Abenteuer.

Bundesliga
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Bayern München
Bayern München
32
61
76
2
Bayer Leverkusen
Bayer Leverkusen
31
31
67
3
Eintracht Frankfurt
Eintracht Frankfurt
31
20
55
4
Borussia Dortmund
Borussia Dortmund
32
15
51
5
SC Freiburg
SC Freiburg
31
-3
51
6
RB Leipzig
RB Leipzig
32
6
50
7
FSV Mainz
FSV Mainz
31
9
47
8
Werder Bremen
Werder Bremen
32
-6
47
9
Borussia Mönchengladbach
Borussia Mönchengladbach
32
1
45
10
VfB Stuttgart
VfB Stuttgart
32
6
44
11
FC Augsburg
FC Augsburg
31
-9
43
12
VfL Wolfsburg
VfL Wolfsburg
32
1
39
13
Union Berlin
Union Berlin
32
-14
37
14
FC St. Pauli
FC St. Pauli
32
-11
31
15
TSG Hoffenheim
TSG Hoffenheim
32
-18
31
16
1. FC Heidenheim 1846
1. FC Heidenheim 1846
32
-27
26
17
Holstein Kiel
Holstein Kiel
31
-29
22
18
VfL Bochum
VfL Bochum
32
-33
22
Champions League
UEFA Europa League
Conference League Qualifikation
Relegation Play-Offs
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