BLICK: Paulo Sergio, Sie hielten am Mittwoch im Fifa-Museum erstmals nach 23 Jahren den WM-Pokal in den Händen: Was war das für ein Gefühl?
Paulo Sergio: Unbeschreiblich! Da kommen noch einmal viele Emotionen hoch. Der Druck vor dem Turnier in den USA war riesig. Brasilien hatte seit 24 Jahren nichts mehr gewonnen. Obwohl wir eine starke Mannschaft hatten, mit Romario, Jorginho, Dunga und Bebeto, gingen wir als Aussenseiter ins Turnier.
Pelé hatte vor dem Turnier damals gesagt: «Brasilien hat keine Chance».
Der gute Pelé. Er hatte auf Kolumbien getippt. Wir haben es ihm und allen Kritikern gezeigt!
Sie selber sassen im Endspiel gegen Italien auf der Bank. Sind Sie froh, dass Sie beim Elfmeterschiessen nicht antreten mussten?
Nein, ich hätte ihn reingemacht (lacht)!
Sie sind ein sehr gläubiger Mensch? Haben Sie vor Roberto Baggios Fehlschuss gebetet?
Nein! Ich war mir sicher, dass wir gewinnen würden. Unser Torhüter Taffarel hat überragend gehalten. Wir strotzten vor Selbstvertrauen. Wir haben nicht gezaubert. Wir haben diszipliniert gespielt. Wie die Deutschen.
Nach dem entscheidenden Penalty sank Taffarel auf die Knie, faltete die Hände und schaute zum Himmel: Was war da los?
Ich, Jorginho und Mazinho sind zu Taffarel gelaufen und haben zusammen ein Vaterunser gebetet. Wir haben vor jedem Spiel gebetet. Wir sind auch immer Hand in Hand aufs Feld gelaufen.
Ein paar Monate nachdem Sie 1993 zu Leverkusen kamen, wollten Sie gleich wieder gehen. Warum?
Es war extrem schwierig für mich. Ich konnte die Sprache nicht. Als ich im Training ein paar Tricks machen wollte, schrie Coach Dragoslav Stepanovic über den ganzen Platz: «Hey, Paulo. Lass das. Du bist hier nicht im Zirkus.» Dann war der Neid der Mitspieler. Es war fast Mobbing.
Tatsächlich?
Ja! Ich erzielte auf Anhieb ziemlich viele Tore, war Publikumsliebling. Das hat einige Mitspieler geärgert. Als ich mal einen Elfmeter verschoss kamen die Mitspieler zu mir und haben mit mir geschimpft. Ich ging zu Manager Reiner Calmund und sagte: «Reiner, ich gehe zurück.» Reiner sagte nur: «Paulo, du schaffst das!»
Auch Bernd Schuster hat mir sehr geholfen. Er ist ein Super-Typ. Er war der einzige, mit dem ich mich unterhalten konnte, weil er in Spanien gespielt hatte. Er hatte Geduld. Auch auf dem Platz harmonierten wir super. Ich habe Bernd sehr viel zu verdanken.