Zu Besuch bei Nati-Star Dan Ndoye in Bologna
«Ich bin noch nicht auf meinem Top-Level»

Vor dem Coppa-Italia-Final besucht Blick Nati-Star Dan Ndoye in Bologna. Der Schweizer Nationalspieler spricht im Interview, wie er torgefährlich wurde, über den bevorstehenden Cupfinal und seine Zukunftspläne.
Foto: Toto Marti
Blick besucht Dan Ndoye in Bologna vor dem Coppa-Final

Darum gehts

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Publiziert: 13.05.2025 um 17:00 Uhr
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Aktualisiert: 13.05.2025 um 22:27 Uhr

Plötzlich bricht in der Mercedes G-Klasse von Dan Ndoye (24) lautes Gelächter aus. Soeben hat er das Handschuhfach geöffnet. Was hier drin liegt? Nicht wie üblich nur Serviceunterlagen sowie Parkscheiben. Nein, in seinem Fall liegen doch tatsächlich einige seiner Bologna-Trikots drin. «Die habe ich immer da, um im Fall der Fälle jemandem eine Freude zu bereiten. Genauso wie ein Stift, um sie zu unterschreiben», erklärt er dem erstaunten Blick-Reporter und dem -Fotografen. 

Zusammen mit Ndoye sind wir auf dem Weg zur Wallfahrtskirche San Luca, die oberhalb von Bologna liegt. Die Strecke ist steil und pittoresk. In nur zwei Kilometern gewinnt man 200 Höhenmeter. Letztes Jahr war sie Teil der Tour de France. Entlang der Strasse führt der längste Arkaden-Gang der Welt mit 666 ununterbrochenen Bögen hinauf. Das 1765 errichtete architektonische Meisterwerk ist ein beliebtes Ausflugsziel – für Touristen gleichermassen wie für Einheimische. Auch an einem bewölkten Tag wie jenem, an dem wir zugegen sind. 

Blick hat Nati-Star Dan Ndoye in seiner Heimat besucht und sich von ihm chauffieren lassen.
Foto: Toto Marti

«Ich war noch nie hier», gesteht Ndoye, als wir oben angekommen sind. «In meiner Freizeit bin ich viel zu Hause. Da kann ich mich am besten ausruhen, sodass ich mich in den Trainings und an Spieltagen besser fühle.» Nach der Visite von San Luca fahren wir für das ausführliche Interview zum Vereinsgelände. Zuvor legen wir auf der Abfahrt noch einen kurzen Zwischenstopp ein. Mit einem Trikot aus dem Handschuhfach posiert der Nati-Star mit seinem typischen Löwen-Jubel in einem der 666 Bögen. Dahinter zu erkennen: das Stadio Renato Dall’Ara – Austragungsort der Weltmeisterschaften 1934 und 1990. 

Seit bald zwei Jahren ist dieses nach dem langjährigen Bologna-Präsidenten benannte Stadion Ndoyes fussballerische Heimat. Der Westschweizer hat seinen Anteil dazu beigetragen, dass die Rossoblù gerade ihre erfolgreichste Zeit seit zig Jahren erleben. Am Mittwoch kann sich die aktuelle Mannschaft mit den zwei weiteren Schweizern Remo Freuler (33) und Michel Aebischer (28) in den Geschichtsbüchern verewigen. Zum ersten Mal seit 51 Jahren steht Bologna im Final der Coppa Italia. Dort wartet Milan. 

Inzwischen hat Ndoye sein Auto auf seinem persönlichen Parkplatz im etwas ausserhalb von Bologna gelegenen Vereinsgelände Casteldebole parkiert. In einem kleinen Raum, der für Shooting-Zwecke verwendet wird, setzen wir uns für ein Gespräch auf Italienisch. 

Wer von euch drei Schweizern hat die meisten Tickets für das Finalspiel organisiert?
Dan Ndoye: So genau weiss ich es gar nicht. Aber ich vermute, Remo und Michel haben in etwa gleich viele Angehörige und Freunde eingeladen. Von meiner Seite kommen 15 Personen nach Rom.

Ganz Bologna ist im Cup-Fieber. Rund 30’000 Anhänger werden im Stadio Olimpico von Rom erwartet. Inwiefern kriegt man diese Euphorie als Spieler mit?
Für die Fans gibt es gerade wirklich nur den Cup-Final. Wenn ich mit ihnen in der Stadt oder nach den Trainings ins Gespräch komme, gibt es derzeit nur dieses Thema. Für uns Spieler ist es unfassbar schön, so was zu erleben. Wir realisieren, wie wichtig es für die ganze Stadt ist. Es wäre ein riesengrosses Ding, wenn wir den Pokal erstmals seit 1974 nach Hause bringen.

Es geht nicht lange, bis Ndoye von einem Bologna-Fan erkannt wird.
Foto: Toto Marti

Vor einem Jahr fand in Bologna auf der Piazza Maggiore bereits eine riesige Party statt, als die Qualifikation zur Champions League feststand. Wenn man sich die Bilder ansieht, ist es kaum vorstellbar, wie das zu toppen ist.
Letztes Jahr war schon die Hölle los, das stimmt. Es wäre zu schön, wenn es nochmals solche Bilder gibt. Zumal einige Experten zu Beginn der Saison gesagt haben, dass wir nicht noch besser abschneiden können. Aber sollten wir die Coppa Italia gewinnen, kehren wir auf die Piazza zurück und feiern noch verrückter als letztes Jahr.

Am Freitag gab es ohne Sie in der Liga gegen Milan einen 1:3-Pleite. Am Mittwoch werden Sie aber nach ausgestandener Muskelverletzung wieder mit von der Partie sein. Wer ist Favorit?
Für mich gibt es in einem Endspiel keine Favoritenrolle. Es gewinnt die Mannschaft, die über die bessere Tagesform verfügt und die entscheidenden Szenen am besten ausnutzen kann. Sicher ist: Wir haben die Qualität, um Milan zu bezwingen.

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Tatsächlich wirkt Bologna unter Trainer Vincenzo Italiano trotz mässigem Saisonstart inzwischen noch stärker als vor einem Jahr unter Thiago Motta. Teilen Sie diese Meinung?
Schwierig zu sagen, weil wir mit Motta letztes Jahr so viele Punkte in der Serie A gesammelt haben wie noch nie in der Klubgeschichte. Mit Italiano spielen wir jetzt auch einen sehr guten Fussball und haben gegen die Grossen bewiesen, dass wir sie bezwingen können. Zudem fühle ich mich persönlich stärker als vor einem Jahr. Deshalb, ja, meiner Meinung nach sind wir stärker als letztes Jahr.

Das ist Dan Ndoye

Am 25. Oktober 2000 kommt Dan Ndoye in Nyon zur Welt. Seine Mutter Virginie ist Schweizerin und sein Vater Saliou Senegalese. Dan Ndoye hat zwei jüngere Geschwister: Bruder Issa und Schwester Eva. Im Hause Ndoye ist der Fussball seit jeher omnipräsent. Dan beginnt, bei Saint-Prex zu kicken, bevor er ins Team Vaud von Lausanne-Sport wechselt. Mit 18 debütiert er bei den Profis von Lausanne. 2020 folgt der Wechsel nach Frankreich zu Nizza. 2021 kehrt er zurück in die Schweiz – zum FC Basel, bevor er im Sommer 2023 den Schritt in die Serie A zu Bologna wagt. Für die Nati ist Ndoye bislang 20-mal aufgelaufen und hat ein Tor erzielt – an der letzten EM gegen Deutschland.

Am 25. Oktober 2000 kommt Dan Ndoye in Nyon zur Welt. Seine Mutter Virginie ist Schweizerin und sein Vater Saliou Senegalese. Dan Ndoye hat zwei jüngere Geschwister: Bruder Issa und Schwester Eva. Im Hause Ndoye ist der Fussball seit jeher omnipräsent. Dan beginnt, bei Saint-Prex zu kicken, bevor er ins Team Vaud von Lausanne-Sport wechselt. Mit 18 debütiert er bei den Profis von Lausanne. 2020 folgt der Wechsel nach Frankreich zu Nizza. 2021 kehrt er zurück in die Schweiz – zum FC Basel, bevor er im Sommer 2023 den Schritt in die Serie A zu Bologna wagt. Für die Nati ist Ndoye bislang 20-mal aufgelaufen und hat ein Tor erzielt – an der letzten EM gegen Deutschland.

Worin unterscheiden sich Italiano und Motta?
Der grosse Unterschied ist, dass Motta viel weniger spricht als Italiano. Fussballerisch hingegen haben wir mit Motta die ganze Woche viel an der Ballbesitzphase gearbeitet. Italiano dagegen legt den Fokus auf die Defensivarbeit und wie wir vor dem gegnerischen Tor effizienter werden.

Die Arbeit von Italiano hat Früchte getragen – auf Team- sowie individueller Ebene. So etwa bei Ndoye, der in wenigen Wochen seine bislang beste Saison abschliessen wird. Lange wurde dem Waadtländer vorenthalten, dass er keine Tore schiesst. Ineffizient sei er, hiess es. Nun hat er den Knoten lösen können. Auch weil er als Flügel im System von Italiano grössere Freiheiten geniesst und deshalb öfter zum Abschluss kommt als unter Motta. Die Folge: Noch nie hat er öfter über eigene Treffer gejubelt. Acht Tore sind es zwei Spieltage vor Schluss. Darunter ist das Kabinettstück mit der Hacke gegen Napoli. 

Ndoye begeistert mit Hacken-Traumtor ganz Bologna
3:54
Bologna – Napoli 1:1:Ndoye begeistert mit Hacken-Traumtor

«Dieses Tor ist sicher das schönste meiner Karriere. Entsprechend oft habe ich es mir angeschaut», erzählt Ndoye. Die Resonanz sei gewaltig gewesen. Nicht nur in den sozialen Medien. Auch in seinem privaten Kreis hat das Tor schnell die Runde gemacht. «Denis Zakaria, Zeki Amdouni und ein guter Freund aus der Schweiz haben mich sofort angerufen und sich riesig für mich gefreut.» 

Ihr Vater sagte vor wenigen Jahren, dass wir den besten Ndoye noch nicht gesehen haben. Wie sieht es heute aus?
Die beste Version von mir selbst haben wir immer noch nicht gesehen. Ich bin noch nicht auf meinem Top-Level. Um das zu erreichen, arbeite ich jeden Tag hart. Mein nächstes Ziel ist es, am Ende einer Saison mehr als zehn Tore zu haben. Wer weiss, vielleicht klappt es ja noch dieses Jahr.

Wie haben Sie sich den Torriecher angeeignet?
Seit längerem bleibe ich nach den Trainingseinheiten auf dem Platz. Dabei mache ich individuelle Schussübungen. Entweder mit oder ohne Goalie. Hauptsächlich geht es darum, die Genauigkeit zu trainieren. Dadurch bin ich vor dem gegnerischen Tor kaltblütiger geworden.

«Dank vieler Schussübungen bin ich vor dem gegnerischen Tor kaltblütiger geworden», erzählt er dem Blick-Reporter Carlo Frezza.
Foto: Toto Marti

Was für einen Anteil hat «Mister» Italiano an Ihrer Entwicklung?
Er ist sehr offen dafür, dass ich nach dem regulären Training auf dem Platz bleibe und meine Schussübungen mache. Normalerweise sagt er nach den Einheiten, dass wir uns auslaufen oder ausruhen sollten. Mich lässt er aber machen. Deshalb habe ich mich schon sehr verbessert.

Ndoye ist schon immer seinen Weg gegangen. So war für ihn bereits in seiner Kindheit klar, dass er Fussballer werden will. «Für mich gab es nur einen Plan A», betont er. Damit war seine Mutter, die von Beruf Lehrerin ist, nicht ganz einverstanden. Sie beharrte darauf, dass Dan die Schule abschliesst. Was er ab seinem 13. Lebensjahr in einer Schule in seinem Wohnort Nyon tat, die Sport sowie Studium kombinierte – am Morgen Unterricht, am Nachmittag Fussballtraining. «Heute bin ich, wie die ganze Familie, umso glücklicher, dass Plan A aufgegangen ist», sagt er.

Was hat die Familie in Ihrem Leben für einen Stellenwert?
Es ist unbestritten der wichtigste Teil. Die ganze Familie steht hinter mir. Sie hat mich, wo es nur geht, unterstützt. Es ist mit ein Grund, weshalb ich heute da stehe, wo ich jetzt bin.

Ndoye und seine Bologna-Kollegen werden im Cup-Final in Weiss auflaufen.
Foto: Toto Marti

Teil Ihrer Familie ist seit ein paar Jahren auch die vierjährige Husky-Hündin Alpha, mit der Sie ausserhalb der Stadtmauer von Bologna in einem Haus mit Garten leben. Was gibt sie Ihnen?
Vor einigen Jahren konnte ich es mir nicht vorstellen, einen Hund zu haben. Meine Schwester drängte mich aber dazu. Inzwischen ist ein Leben ohne Alpha für mich unvorstellbar. Sie gibt mir sehr viel Liebe und bringt mich beim Spazieren oder auf dem Sofa auf andere Gedanken, was besonders nach den Partien enorm hilfreich ist.

Fünf Fakten zu Dan Ndoye
  • Als Kind war Dan Ndoye ein bekennender Ronaldinho-Fan. «Wegen seiner Dribblings und weil er immer mit einem Lächeln im Gesicht spielte.» Später in der Jugend hatte er ein neues Idol. Allerdings immer noch ein Brasilianer: Neymar.
  • Ndoye ist ein grosser Basketballfan. Gut, dass in Bologna der italienische Rekordmeister Virtus spielt. «Wenn ich Zeit habe, gehe ich ein Spiel schauen.»
  • Nicht nur Basketball hat es Ndoye angetan. Auch an American Football und vor allem der Formel 1 ist er interessiert. Seine Lieblingsfahrer? Charles Leclerc, Lewis Hamilton und Pierre Gasly.
  • Musik ist ein wichtiger Teil in Ndoyes Leben. Seit seinem Wechsel zu Bologna hört er zunehmend italienischer Rap. Sein Lieblingskünstler? «Tony Effe gefällt mir gut.»
  • Bologna ist bekannt für das feine Essen. Viele italienische Spezialitäten (Lasagne, Ragù, Tortellini, Mortadella) kommen aus dieser Stadt. Als gläubiger Muslim isst Ndoye allerdings kein Schweinefleisch. Was er umso mehr liebt? Bresaola mit Parmesan und Rucola.
  • Als Kind war Dan Ndoye ein bekennender Ronaldinho-Fan. «Wegen seiner Dribblings und weil er immer mit einem Lächeln im Gesicht spielte.» Später in der Jugend hatte er ein neues Idol. Allerdings immer noch ein Brasilianer: Neymar.
  • Ndoye ist ein grosser Basketballfan. Gut, dass in Bologna der italienische Rekordmeister Virtus spielt. «Wenn ich Zeit habe, gehe ich ein Spiel schauen.»
  • Nicht nur Basketball hat es Ndoye angetan. Auch an American Football und vor allem der Formel 1 ist er interessiert. Seine Lieblingsfahrer? Charles Leclerc, Lewis Hamilton und Pierre Gasly.
  • Musik ist ein wichtiger Teil in Ndoyes Leben. Seit seinem Wechsel zu Bologna hört er zunehmend italienischer Rap. Sein Lieblingskünstler? «Tony Effe gefällt mir gut.»
  • Bologna ist bekannt für das feine Essen. Viele italienische Spezialitäten (Lasagne, Ragù, Tortellini, Mortadella) kommen aus dieser Stadt. Als gläubiger Muslim isst Ndoye allerdings kein Schweinefleisch. Was er umso mehr liebt? Bresaola mit Parmesan und Rucola.

Wie lange brauchen Sie, um nach einem Spiel abzuschalten?
Das hängt davon ab, wann die Partien stattfinden. Wenn wir um 15 Uhr oder 18 Uhr spielen, ist es für mich viel leichter, am Abend einzuschlafen, als wenn der Anpfiff um 21 Uhr ist. Dann bleibt das Adrenalin noch bis tief in die Nacht im Körper. Zu Hause gehe ich im Kopf meine Aktionen nochmals durch und schaue mir dann die Partie in voller Länge nochmals an.

Aus reinem Interesse am Spiel oder schauen Sie dabei besonders auf Ihre Leistung?
Ich analysiere, welche Aktionen von mir gut und welche schlecht waren. Dasselbe machen enge Vertraute von mir. Danach tragen wir unsere Gedanken zusammen. In den Tagen danach wiederholen wir das Prozedere mit dem Trainerstaff. So lerne ich aus meinen Fehlern und verbessere mich.

«Ich fühle mich hier sehr wohl», sagt Ndoye zu seiner jetzigen Heimat Bologna.

Das scheint prächtig zu funktionieren. Durch Ihre Leistungen ist Ihr Marktwert in den letzten Monaten explodiert. In Italien sind sich einige Experten einig, dass Ihre Art von Fussball perfekt zur Serie A passt. Wie empfinden Sie das?
Ich habe die Fähigkeit, um mich in allen Top-5-Ligen durchzusetzen. Zumal ich die anderen Ligen verfolge und weiss, wie dort gespielt wird. Ich möchte einfach so komplett wie möglich sein. Aber es ist sicher unbestritten, dass meine Qualitäten in der Serie A sehr gut zum Tragen kommen.

In Bologna haben Sie noch einen Vertrag bis 2027. Mit Ihren Leistungen haben Sie längst das Interesse grosser europäischer Klubs wie Liverpool und Napoli geweckt. Stehen Sie im Sommer vor einem Transfer?
Ich fühle mich hier sehr wohl. Von Gerüchten will ich nichts wissen. Mein Berater ist dafür da. Ich lebe im Moment. Dieser heisst Cupfinal gegen Milan.

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