Gestern Morgen, 7 Uhr in Olten SO. Der Arbeitstag von Volkan Inler (31) beginnt. Der 31-Jährige leert Kübel, wischt die Strasse, liest Papierfetzen auf. Inler, der Grosse, putzt die Stadt. «Ich verdiene rund 4000 Franken im Monat», sagt er. «Und das ist gut so. Ich stehe mitten im Leben und auf eigenen Beinen. Ohne meinen Bruder. Ich mag nicht zu Hause sitzen und nichts tun.»
Abends 17.30 Uhr, Genua. Gökhan Inler (26) spielt im italienischen Cup mit Udinese bei Sampdoria und verliert nach Penaltyschiessen 6:7. Gökhan, der Kleine, ist Fussballer mit geschätztem Jahresgehalt von zwei Millionen Franken. Er ist wohl der kommende Nati-Captain, wenn Alex Frei im Sommer tatsächlich zurücktritt.
«Wir machen einfach unseren Job. Ich spiele Fussball, mein Bruder leert Kübel», sagt Gökhan. «Mein Bruder bekommt auch Respekt für seinen Beruf.»
Zweieinhalb Stunden dauert das Spiel von Gökhan – inklusive Verlängerung und Penaltyschiessen. Achteinhalb Stunden reinigt Volkan täglich die Stadt Olten, wo die Familie 1991 aus dem Grossraum Istanbul hinzog. Als Söhne eines Gastarbeiters wachsen die beiden im Arbeiterquartier auf.
Beide begeistern sich früh für Fussball. Gökhan ist ehrgeiziger. Volkan hat schon als Jugendlicher Probleme mit dem Gewicht, wiegt zwischendurch 90 bis 100 Kilo. Die grosse Karriere macht nur Gökhan. Volkan spielt heute in der 3. Liga beim FC Trimbach. Trainierte einige Jahre C-Junioren. Will bald wieder ein Jugendteam übernehmen. «Aber kleinere», sagt er. «Denen kann ich mehr beibringen.»
«Ob ich Volkan finanziell unterstütze, möchte ich nicht sagen», sagt Gökhan. Sein Bruder verdient sich ein bisschen Geld als DJ dazu. «Mein erster Name war DJ Cruz, aber ich ändere ihn je nach Party», sagt er.
Der Nati-Mittelfeldspieler findet es wichtig, dass Volkan aktiv ist. Fussballer-Brüder, die sich aushalten lassen, davon hält er nichts. Gökhan besitzt den Schweizer Pass, sein Bruder soll ihn bald auch bekommen. In Olten ist Volkan auch als Türke integriert. Bei der Aktion «Fairmüllen» der Stadt Olten zeigte er sich auf Plakaten mit dem Spruch «Ich räume Ihren Dreck weg!».
Um 16.45 Uhr hört Volkan auf zu arbeiten. Eigentlich will er Gökhans Spiel im TV schauen, nur wird es trotz Satellit nicht übertragen. Volkan seufzt: «Schade. Denn sonst sehe ich jedes Spiel von ihm. Jedes.»