Gregor Kobel über das verrückte BVB-Jahr und seinen Nati-Status
«Wir sind keine Roboter, wir sind Menschen»

Gregor Kobel führt Borussia Dortmund in die Champions League und sagt: «Wir waren in einem tiefen Loch.» Wie er auch im Nationalteam auf ähnliche Touren kommen will, verrät der 27-Jährige im exklusiven Blick-Interview.
Foto: Toto Marti
Gregor Kobel im Interview über harte BVB-Saison und Nati-Status
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BVB-Star Gregor Kobel mit seinem Dobermann Odens – mit sich und der Welt im Reinen.
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Darum gehts

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Publiziert: 18.05.2025 um 12:06 Uhr
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Aktualisiert: 18.05.2025 um 13:55 Uhr

Der formstarke BVB-Keeper Gregor Kobel empfängt die Blick-Crew in seinem Garten. Sein Dobermann Odens schmiegt sich an, der Schweizer Gastgeber serviert Kaffee und Kuchen. Entspanntes Ambiente im Grünen. Der 27-Jährige redet über Themen, die ihn beschäftigt haben in den letzten neun bewegten Monaten: die grosse BVB-Krise, der komplizierte Start als Nummer 1 der Schweiz.  

Nur zu den immer wieder aufkeimenden Transfer-Spekulationen ist Kobel schweigsam: «Zu Gerüchten sage ich grundsätzlich nichts.» Unter Druck ist der Zürcher ohnehin nicht. Bis 2028 läuft seine Vereinbarung mit dem BVB. Der vollumfängliche Fokus gilt derzeit dem BVB, zumal im Juni die Klub-WM in Nordamerika ansteht.  

Dortmund ist in der Vorrunde regelrecht abgestürzt. Es gab Unruhe, Schwankungen, einen Trainerwechsel. Der schwierigste Abschnitt Ihrer Karriere?
Gregor Kobel:
Möglicherweise. Es ist eine andere Ausgangslage, so dazustehen, wie es uns in den letzten Jahren nie passiert ist. Ich habe in meiner Laufbahn schon viel erlebt: Abstiegskampf mit Augsburg, ein sehr schwieriges Jahr mit dem VfB Stuttgart, mit dem Aufstiegsdruck, mit viel Emotionen. Im grossen Bild ist es vielleicht nicht das komplizierteste Jahr, sondern eine Erfahrung, die ich in dieser Intensität noch nicht hatte. 

Im Herbst folgte eine Enttäuschung dem nächsten Fehltritt. Wie haben Sie diese Nackenschläge verdaut?
Für mich ist es normal, dass es in einer Karriere nicht nur aufwärtsgeht. Es gibt negative Phasen, mit denen man umgehen muss, in denen man gewisse Dinge einfach ausblenden sollte, bei sich bleiben muss. 

Gregor Kobel persönlich

Gregor Kobel kommt am 6. Dezember 1997 in Zürich zur Welt. Er wächst im Zürcher Seefeld auf, wo er bei den F-Junioren seine Karriere startet, bald aber schon zu GC wechselt. Mit 16 folgt der Schritt nach Deutschland in die Nachwuchsabteilung von Hoffenheim. In Sinsheim feiert er im September 2018 sein Bundesliga-Debüt. Via Augsburg und Stuttgart folgt 2021 der Wechsel nach Dortmund. Mit dem BVB erreicht Kobel 2024 den Champions-League-Final. Für die Nati bestritt Kobel bislang elf Länderspiele und nahm an drei Endrunden teil. Kobels Vater Peter (51) stürmte als Eishockeyaner in den Neunzigerjahren für den ZSC, Lugano, Davos und Kloten.

Gregor Kobel kommt am 6. Dezember 1997 in Zürich zur Welt. Er wächst im Zürcher Seefeld auf, wo er bei den F-Junioren seine Karriere startet, bald aber schon zu GC wechselt. Mit 16 folgt der Schritt nach Deutschland in die Nachwuchsabteilung von Hoffenheim. In Sinsheim feiert er im September 2018 sein Bundesliga-Debüt. Via Augsburg und Stuttgart folgt 2021 der Wechsel nach Dortmund. Mit dem BVB erreicht Kobel 2024 den Champions-League-Final. Für die Nati bestritt Kobel bislang elf Länderspiele und nahm an drei Endrunden teil. Kobels Vater Peter (51) stürmte als Eishockeyaner in den Neunzigerjahren für den ZSC, Lugano, Davos und Kloten.

Im Januar musste der Jung-Coach Nuri Sahin gehen. Vorwürfe kursierten, Sie wirkten verunsichert. Es staute sich offensichtlich viel auf.
Es passierte vieles gleichzeitig. Ein neuer Trainer, neue Akteure, eine neue Herangehensweise ans Spiel. Das war nicht so einfach und hat uns vor Probleme gestellt. Wenn die Ergebnisse ausbleiben, werden gewisse Aspekte genauer angeschaut. Als Goalie bin ich natürlich ein Teil der Mannschaft, die verliert und kritisiert wird. 

Mit Niko Kovac kam ein Trainer mit einem umfassenden Leistungsausweis an Bord. Was hat er repariert?
Kovac ist ein Trainer, der uns etwas mehr Freiheiten zugesteht im Spiel. Wir übernehmen seine Philosophie immer besser, wir wachsen zusammen. Die Abläufe werden klarer, wir spielen den Fussball, den er möchte. Durch seine Arbeit und seine Vorstellungen haben wir zur alten Stabilität gefunden, mit Rückschlägen gehen wir besser um. Das Selbstvertrauen ist ein anderes. Wir unterstützen uns gegenseitig besser, wir sind gut im Flow.

Im exklusiven Blick-Interview spricht Gregor Kobel erstmals ausführlich über Themen, die ihn beschäftigt haben in den letzten neun bewegten Monaten: «Wir waren in einem tiefen Loch.»
Foto: TOTO MARTI

Ihre Körpersprache hat sich verändert. Sie wirken mit sich und der Umgebung wieder im Reinen.
Wir sind keine Roboter, wir sind Menschen. Wenn es im Verein stimmt, wenn es im Team stimmt, wenn man Siege holt, dann verändert sich die Ausgangslage. Es wird einfacher, die Performance auf den Platz zu bringen.

In der Stadt ist das gute BVB-Gefühl greifbar. Welche Vibes spüren Sie?
Ich habe in den letzten vier Jahren erlebt, wie schön und emotional es in diesem Stadion sein kann, wie uns die Fans unterstützen. Es war in diesem Jahr sehr lange schwierig, auch für die BVB-Fans. Dieses gemeinsame Glücksgefühl habe ich vermisst. Momentan macht es einfach Spass, wie schön es sein kann, hier zu spielen – den Support der Menschen zu erleben. Jeder schaut sich das Spiel an, jeder hat eine Meinung. Man merkt, wie happy die Leute sind, wie wir sie wieder abholen können.

«Freue mich, das Niveau auf der Welt zu sehen»
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Kobel über Klub-WM:«Freue mich, das Niveau auf der Welt zu sehen»

Phasenweise war der BVB zehn Punkte hinter den Champions-League-Plätzen klassiert. Ihr Fazit nach dem wundersamen Comeback und der Qualifikation für die europäische Königsklasse?
Es ist eine riesige Leistung, die Rückkehr zu schaffen. Wir waren in einem tiefen Loch. Step by step haben wir uns abgekämpft. In die Champions League zu kommen, ist finanziell für den Verein enorm wichtig. Das Prestige, in diesem Wettbewerb mitspielen zu können, ist für uns als Team von grosser Bedeutung. Es ist eigentlich das Nonplusultra. Wir haben auf dieser Bühne immer sehr gut gespielt. Wir zeigten auch in dieser Saison im Viertelfinal gegen Barcelona, wie gefährlich wir in unserem Stadion sein können (3:1 nach einem 0:4 im Hinspiel, Anm. d. Red.). In diesem Wettbewerb können wir immer Schaden anrichten. Diese Chance nun erneut zu haben, dort für Furore sorgen zu können, ist ein wahnsinniges Plus. 

Sie haben für den sportlichen Aufschwung gelitten. Der Bänderriss war offenbar nur eines der körperlichen Probleme von Ihnen?
Das stimmt. Zum Bänderriss kam eine hartnäckige Mandelentzündung dazu, die ich in den letzten Wochen mit Antibiotika behandeln musste. Gegen Freiburg (4:1, Anm. d. Red.) wars am schlimmsten. Für mich war es gleichwohl nie ein Thema, nicht zu spielen. Ich versuche, immer für das Team eine Hilfe zu sein, für den Verein da zu sein. Ich wollte, dass sich die Mannschaft in einer solch wichtigen Phase auf mich verlassen kann. 

Wie sehr waren Sie eingeschränkt?
Es ist jetzt wieder gut. In der schlimmen Phase haben Schmerzmittel geholfen. Dazu kommt das Adrenalin im Stadion. Die Stelle am Knöchel ist halt mühsam, weil jede Ballberührung einen Impuls auslöst und es sich in den Trainings manchmal noch verschlimmert hat. Es hat mich gestört, aber jetzt haben wir das Problem im Griff.

Gregor Kobel – Ball und die Dortmunder Lage momentan jederzeit im Griff.
Foto: TOTO MARTI

Dieses Update wird auch Murat Yakin freuen. Anfang Juni fliegen Sie mit dem Nationalteam in die USA. Seit letztem Herbst sind Sie die Nummer 1 der Schweiz. Wie fühlt sich der neue Status an?
Es ist in erster Linie eine riesige Ehre, für das Land zu spielen. Das war immer so im Nationalteam. Auf dem Platz zu stehen und dieses Leibchen zu tragen, löst bei mir enorm viel aus. 

2026 könnten Sie nach drei Turnierteilnahmen erstmals als Stammkeeper an einer WM spielen. Ein XXL-Herbst steht an.
Für alle im Team ist dieses Fernziel dick angestrichen in der Agenda. Eine Fussball-WM ist das Grösste für jeden Fussballer. Wir wissen, was im Herbst auf dem Spiel steht. 

Das Nationalteam wackelte in der Nations League. Warum stimmt die Balance derzeit nicht?
Wir haben sehr viele Gesichter verloren, die lange dabei waren, die wichtig waren für das Teamgefüge, für die Fans, für das allgemeine Bild. Dass nicht alles auf Anhieb klappen wird, damit rechnet man. Die Chemie muss sich entwickeln, ein Teamumbau geht nicht von heute auf morgen. Es braucht immer eine gewisse Zeit, bis die Rädchen nach solchen Umstellungen greifen. Man muss sich aneinander gewöhnen, die Rollen sind neu verteilt, müssen neu interpretiert werden. Der Herbst wird eine Herausforderung, aber wir haben ein Team, das Vertrauen verdient. Wenn es uns gelingt, besser miteinander zu harmonieren, werden wir performen. 

Siege sind der Anspruch.
Ich kenne die Anforderungen. Das haben sich die Jungs vor mir erspielt. Die letzten Jahre waren die erfolgreichste Zeit in der Geschichte. Da ist es normal, dass die Leute Ansprüche haben. Aber auch dieses erfolgreiche Team musste sich zuerst finden und einspielen, auch das hat damals Zeit gebraucht. Das wird heute oft vergessen. Ich habe schon in diversen Vereinen gespielt, die sehr ambitioniert sind, die eine enorme Leistungskultur pflegen. Für mich ist das kein Neuland. Das gehört zum Profi-Sport.

Gregor Kobel empfängt in seinem Garten den Blick-Reporter Sven Schoch bei Kaffee und Kuchen zum grossen Interview und zieht Bilanz: «Für mich ist es normal, dass es in einer Karriere nicht nur aufwärtsgeht.»
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Sie bringen ein anderes Goalie-Spiel mit ein als Ihr Vorgänger Yann Sommer. Wie schwierig war das Ankommen im Nationalteam?
Über meine Position wurde viel geredet. Aber ich glaube, es betrifft nicht nur mich, sondern die ganze Mannschaft. Shaqiri ist weg, Yann Sommer hat aufgehört, Fabian Schär, Gesichter, die fast immer gespielt haben. Die Neuen müssen reinwachsen ins Team. Wir müssen an den Automatismen arbeiten, sie entwickeln. Klar, Yann und ich sind unterschiedliche Typen, das sieht man ja auch an unserer Spielweise. 

In Dortmund wird geschätzt, wie klar Sie unangenehme Dinge ansprechen. Muss man sich innerhalb der SFV-Auswahl erst einmal an Gregor Kobel gewöhnen?
Ich bin einer, der sagt, was er denkt. So halte ich es in Dortmund. Das gehört für mich dazu. Im Zusammenhang mit der Nati hat sich die Öffentlichkeit im Laufe der erfolgreichen Jahre an ein Bild gewöhnt. Jetzt ist es zum Umbruch gekommen, es beginnt eine neue Zeit. Ich freue mich darauf. Es wird darum gehen, möglichst viele gemeinsame Minuten zu verbringen, uns nun zu finden. Wir haben coole Jungs in der Nati mit viel Potenzial, die Steps werden kommen. 

War die eine oder andere persönliche Unterhaltung mehr nötig, um Tritt zu fassen?
Das ist ein normaler Prozess in einem Team. Man findet heraus, wie der andere funktioniert – auf und neben dem Platz. Diese Abläufe spielen sich ein, da geht man als Mannschaft durch; das war früher nicht anders. In der Nations League war es nicht einfach, wenn jedes Mal neue Leute vor mir verteidigten. 

Patrick Foletti arbeitete lange und intensiv mit Yann Sommer zusammen. War ein Gespräch mit ihm nötig, um die neue Epoche einzuleiten, um allfällige Unklarheiten zu beseitigen?
Nein, wir brauchten kein solches Gespräch. «Fox» ist ein sehr professioneller Trainer. Ich will nicht über irgendwelche Beziehungen spekulieren. Das ist nicht meine Sache. Er macht das Training so professionell wie immer. Er kennt mich, seit ich neun Jahre alt war und bei den U-Kickers von GC spielte. 

Nach dem US-Trip mit dem Nationalteam ist vor der Klub-WM mit Dortmund. Welche Rolle spielt dieser aufgestockte Fifa-Event bei Ihnen?
Es kann ein sehr cooles Turnier werden – mit neuen Teams, die man nicht so gut einschätzen kann. Für mich geht es darum, die körperlichen Strapazen gut zu managen, die Erholungszeit gut zu timen. In den USA kommen andere Team-Sportler mit den riesigen Reisedistanzen auch gut klar. Das sollte auch für uns Fussballer machbar sein. 

4200 Spielminuten haben Sie bereits in den Beinen. Macht der Körper alles mit?
Wir sind sehr lange on the road, und die Regenerationszeit im privaten Kreis wird mir fehlen. Den ganzen Juni über bin ich sicher weg. Es dürfte am Ende darum gehen, mit der kurzen Pause fertig zu werden und die Batterien rechtzeitig wieder vollzubekommen. Als Nationalspieler mit Champions-League-Spielen und der Zusatzschlaufe an der Klub-WM kommt einiges zusammen. Da bleiben wenige Slots, um das System mal herunterzufahren. Und am 22. August geht es schon wieder weiter mit der Bundesliga. 

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