Insgeheim hatten die Schweizer Fussball-Exponenten gehofft, dass eine der grossen ausländischen Ligen derart grossen politischen Druck entwickeln kann, dass es dort bald wieder losgeht. So hofft die Bundesliga immer noch auf eine Saison-Fortsetzung am 9., spätestens am 16. Mai. Doch die Politik hat darüber noch nicht befunden. Im Gegensatz zu Frankreich, wo der Innenminister den Fussballern alle Hoffnung genommen hat.
Bei uns besteht diese noch und steht der 8. Juni im Raum. Mit Trainingsbeginn in Kleingruppen übernächste Woche, also am 11. Mai. Was allerdings in der Bundesliga schon länger möglich ist. Und doch könnten wir nun die ersten in Europa sein, die grünes politisches Licht für die Saison-Fortsetzung kriegen. Also das Absegnen einer Art Lex Spitzenfussball.
Nachhaltiger Schaden am Ökosystem
Die Swiss Football League hat ihr Trainings- und Spielbetriebs-Konzept unter Covid-19-Bedingungen beim Bundesamt für Sport eingereicht. Natürlich würde man unter Ausschluss der Öffentlichkeit kicken. Maximal 200 Leute wären im Stadion. Und die Angelegenheit würde nicht nur wegen der Hygienevorschriften steril werden.
Offenbar hat das (sehr vorsichtige) Konzept den Bundesrat überzeugt. Wie auch die Mehrheit der SFL-Klubs, die für eine Saison-Fortsetzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit ist. «Wenn wir abbrechen, wäre dies ein fatales Eigengoal für den Schweizer Fussball und würde ihn um mindestens fünf Jahre zurückwerfen», glaubt YB-CEO Wanja Greuel. Er erklärt: «Das ganze Ökosystem des Schweizer Fussballs würde nachhaltig Schaden nehmen. Wir sind eine Ausbildungsliga, würden mit einer mehrmonatigen Pause aber all unsere Transferwerte vernichten. Zumal von Transfers von Spielern der grösseren Klubs ins Ausland auch die kleineren Vereine profitieren. Denn das Geld, das wir so einnehmen, erlaubt es uns von den kleineren Klubs Spieler zu kaufen, was für diese vital ist.»
FCB-Boss Burgener ist skeptisch
Doch längst nicht alle Klubbosse denken so und wollen eine Geister-Meisterschaft. So zum Beispiel der grosse FC Basel. Präsident Bernhard Burgener: «Geisterspiele würden für uns bedeuten: Wir haben alle Kosten, aber keine Leute im Stadion und damit auch keine Einnahmen.» Burgener spricht im SRF-Regionaljournal Basel Baselland» von über 300'000 Franken Verlust pro Geisterspiel. «Wir leben nicht von den Medieneinnahmen, die machen nur sieben bis zehn Prozent aus. Für uns sind die grossen Einnahmen die Zuschauer, die Sponsoren, das Hospitality, der Fanshop.»
Burgener ist skeptisch, weil er zuerst alle Fakten auf dem Tisch haben will. Ganz gegen eine Geistersaison sind Christian Constantin im Wallis, Angelo Renzetti im Tessin, Markus Lüthi in Thun und Xamax-Besitzer Jeff Collet. Also die halbe Super League! Collet: «Wir haben die Rechnung gemacht: Mit Geisterspielen verlören wir noch mehr Geld, als wenn die Saison abgebrochen würde.» Er versteht zwar die Argumente der Befürworter, «aber das bisschen TV-Geld, das wir erhalten, macht keine zehn Prozent unseres Budgets aus. In den grossen Ligen, die vehement für einen Saison-Fortführung sind, generieren die Klubs bis fünfzig Prozent durch die TV-Rechte. Wir machen unser Geld mit Hospitality und mit dem Ticketing. Und diese würde bei Geisterspielen wegfallen. Ebenso die Unterstützung durch die Kurzarbeit.» Zudem kämen kaum lösbare Probleme mit den Spielerverträgen, die Ende Juni auslaufen. Collet: «Da hat die Liga noch kein Konzept. Ebenso was im Falle einer Ansteckung passiert.»
Allerdings haben die auf dem Spiel stehenden Millionen in Frankreich wenig Eindruck auf die Politik gemacht. Innenminister Edouard Philippe hat vor der Nationalversammlung verkündet, dass die laufende Saison der Profi-Sportarten nicht wieder aufgenommen werden könne. Auch nicht im Fussball. Mannschafts-Sportevents sind bis Ende August untersagt. Dies entgegen der Absicht der Liga, den Spielbetrieb ab Mitte Juni mit Geisterspielen fortzusetzen. Am Donnerstag dürfte die Liga den Saisonabbruch formell beschliessen.
Immerhin: Liga-Präsident Heinrich Schifferle weiss, dass die Aufhebung der Kurzarbeit für die Klubs fatal wäre: «Die SFL hat beim SECO den Antrag gestellt, dass bei Wiederaufnahme des Trainings- und Spielbetriebs weiterhin Kurzarbeit bewilligt bleibt, weil die Klubs bei Geisterspielen keine Einnahmen generieren können, aber gleichwohl Kosten zu tragen haben.»
«Man muss auch an die Fussballer denken»
Greuel hat zwar Verständnis für die Sichtweise eines Abbruchs aus kurzfristigen finanziellen Überlegungen, aber sie greife zu kurz. «Langfristig schadet ein Meisterschaftsabbruch allen. Die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Fussballs würde durch die enorm lange Pause der Sportler leiden. Man muss auch an die Fussballer denken, die sich einen riesigen Rückstand gegenüber der Konkurrenz einhandeln würden. Und nicht zuletzt hat der Fussball grosse Bedeutung für die Gesellschaft.»
Eine Meinung, die auch die Liga teilt. Und die er dem Bundesrat hat erfolgreich vermitteln können. Der Spitzenfussball dürfte also weitergehen. Nicht aber der Betrieb in den unteren Ligen. Dass Hunderttausende Amateure ab sofort wieder einen Infight Mann gegen Mann oder Frau gegen Frau mit elf gegen elf SpielerInnen austragen dürfen, gilt als nahezu ausgeschlossen. Die Amateurliga hat ja bereits beim Schweizerischen Fussballverband einen Antrag auf Saisonabbruch eingereicht. Der SFV wollte den heutigen Tag abwarten, um das Mini-Flämmlein Hoffnung am Leben zu erhalten. Löscht es der Bundesrat, wird der SFV die Meisterschaften aller Amateurligen per sofort beenden. Auch jene der 1. Liga, denn auch diese Abteilung hat mittlerweile einen Antrag auf Abbruch gestellt.
Zurück zu Burgener. Für den FCB-Präsidenten ist fundamental, dass im Herbst wieder vor Fans gespielt werden kann. Sonst müsse man Investoren suchen, die Geld einschiessen. Verkaufen werde er den Klub aber auf keinen Fall. «Entschuldigung, ich bin nicht der Kapitän, der in der grössten Not abspringt. Wenn man etwas verkaufen möchte, dann wäre das jetzt wohl der dümmste Moment dazu. Da würde ich mir ja selbst ins Bein schiessen.»