Fussball in der Ukraine
Ostap ist der Chronist der Zerstörung

Viele der Fussballstadien in der Ukraine wurden durch Russland zerstört. Damit die Menschen im Westen davon erfahren, reist Ostap regelmässig durch seine Heimat und dokumentiert dabei die Verwüstung.
Publiziert: 20:56 Uhr
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Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat auch im Fussball eine Schneise der Zerstörung hinterlassen.
Foto: Future Publishing via Getty Images
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Daniel LeuStv. Sportchef

Ostap muss nicht lange überlegen. «Das Gagarin-Stadion in Tschernihiw», antwortet er auf die Frage, welche zerstörte Fussballarena ihn bislang am meisten berührt hat. «Ich habe dort im Norden der Ukraine früher viele Spiele gesehen. Doch im März 2022 erlitt das Stadion durch Artilleriebeschuss und den Luftangriff russischer Truppen erhebliche Schäden. Dadurch hat sich eine Tribüne in einen riesigen Haufen von Steinen und Betonblöcken verwandelt. Und das Schlimmste daran: Beim Angriff kamen auch Menschen ums Leben.»

Das Gagarin-Stadion von Tschernihiw ist leider kein Einzelfall. Wer mehr über den ukrainischen Fussball, seine Stadien und deren Zustand im mittlerweile vierten Jahr des russischen Angriffskriegs wissen möchte, ist bei Ostap goldrichtig. Der 41-Jährige ist leidenschaftlicher Fussballfan, Anhänger von Worskla Poltawa und Co-Autor mehrerer Bücher. Vor dem Krieg arbeitete er in der IT-Branche, mittlerweile ist auch er Soldat.

«Als der Krieg ausbrach, wurden all meine Pläne rund um den Fussball aufs Eis gelegt», erklärt Ostap Blick, «doch seit kurzem bin ich wieder aktiv. Ich möchte, dass die Menschen ausserhalb der Ukraine mehr über den Fussball in Kriegszeiten erfahren. Als Soldat sind meine Zeit und Reisemöglichkeiten zwar begrenzt, aber ich halte es für wichtig, den Zustand der Stadien zu dokumentieren.»

«Es ist seltsam, inmitten von Trümmern zu stehen»

Wie viele Stadien in den letzten Jahren zerstört wurden, lässt sich nur erahnen. «Bislang wurden in der Ukraine über 500 Sportanlagen beschädigt, darunter Schwimmanlagen, Trainingszentren und eben auch viele Fussballstadien», erzählt Ostap. Wenn er eine solche Stadion-Ruine betrete, habe er immer wieder ein beklemmendes Gefühl. «Es ist seltsam, inmitten von Trümmern auf einer kaputten Betontribüne zu stehen und dabei auf einen vergilbten Rasen, übersät mit Granatenspuren, zu blicken. Wenn man sich dann noch in Erinnerung ruft, dass hier vor wenigen Monaten die Tribünen noch voll und die Flutlichtmasten noch an waren, ist das erschreckend.»

Doch trotz all der Zerstörung wird in der Ukraine noch immer Fussball gespielt. Und das sei auch gut so, meint Ostap. «Die Menschen hier lieben den Fussball. Es ist wichtig, dass es auch im Sport während des Krieges weiter geht, als Teil des Alltags, aber selbstverständlich hat der Kampf gegen den Feind oberste Priorität.»

Gespielt wird trotz Fliegeralarm

Der Alltag im ukrainischen Fussball 2025 ist aber natürlich ein anderer als der vor dem Krieg. Spiele finden nur in Regionen statt, in denen es zurzeit keine aktiven Kampfhandlungen gibt. Und bei Spielen der beiden Profiligen herrschen Einschränkungen. Bei Fliegeralarmen werden die Partien sofort unterbrochen, und die Anzahl der Zuschauer im Stadion ist auf die Anzahl der Plätze im Luftschutzbunker beschränkt.

«Die Regeln im Amateurfussball sind anders», erklärt Ostap, «im Westen des Landes sind die Vorschriften lockerer, im Osten und Süden strenger. Doch selbst in den frontnahen Regionen wie Charkiw, Dnipro und Saporischschja finden trotz fast ständigem Fliegeralarm weiterhin Spiele statt.»

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