Erst 58 Minuten hat Alayah Pilgrim (22) an dieser EM bislang offiziell auf dem Feld gestanden, inklusive Nachspielzeit sind es knapp 80. Doch die Aargauerin hat trotzdem einen Löwen-Anteil am Viertelfinal-Einzug der Nati. Denn Pilgrim ist bislang der Super-Joker.
Gegen Island trifft sie in der 90. Minute zum 2:0, was im Nachhinein der Schweiz dank der besseren Tordifferenz den Weg in den Viertelfinal ebnet. Und beim Last-Minute-Tor gegen Finnland steht die Stürmerin der AS Roma am Anfang der Kombination, die Riola Xhemaili (22) zum viel umjubelten 1:1 abschliesst. Pilgrim akzeptiert ihre Rolle als Edel-Joker. «Es ist ein guter und gesunder Konkurrenzkampf.» Jede freue sich, wenn sie dem Team helfen könne. «Die Stimmung im Team ist sehr gut – und das ist das Wichtigste.»
Dass Pilgrim schon seit Jahren mit Elijah Okafor (21), dem Bruder von Noah Okafor, zusammen ist, ist hinlänglich bekannt. Seinetwegen hat sie auch eine Phase lang viel Videogames gespielt oder Streams geschaut. «Fortnite, Fifa und Twitch. Aber ich hatte eine kurze Game-Karriere», so Pilgrim. Auch dass ihr Vater aus Marokko stammt, ist nicht neu, zumal es vor der WM 2023 auch Abwerbungsversuche gab. «Ich bin zwar – typisch schweizerisch – sehr gut organisiert und habe immer alles unter Kontrolle», sagt Pilgrim. Mit der Pünktlichkeit tue sie sich aber schwer.
Schlitteln mit dem Löwen
Bei ihrem Auftritt vor den Medien am Montag erscheint sie sogar ein paar Minuten zu früh – und sorgt mit einer amüsanten Familienstory für Unterhaltung. Im Wohnzimmer ihrer Mutter Tanja in Muri AG, wo Pilgrim aufgewachsen ist, steht ein ausgestopfter Löwe, wie sie vor der EM bereits dem Fussballmagazin «Zwölf» erzählt hat.
«Meine Mutter ist mit einem Löwen aufgewachsen», sagt Pilgrim. Der Hintergrund: Ihr Grossvater hatte als Anwalt für den Zirkus Nock gearbeitet. Und als eine Löwenmutter ihre Babys verstiess, nahm dieser diese bei sich zu Hause auf. Nur einer, der auf den Namen Mauzli hörte, überlebte allerdings. «Im Winter gingen sie mit ihm Schlitteln. Oder mein Grossvater, der auch Schulpräsident war, nahm ihn an der Leine mit in die Schule», erzählt Pilgrim.
Später, als Mauzli grösser und schwerer wurde, musste er wegen eines gebrochenen Rückens aber eingeschläfert werden. Der Grossvater liess ihn ausstopfen und stellte ihn in der Anwaltskanzlei auf. «Um Einbrecher einzuschüchtern», wie Pilgrim mit einem Lachen erzählt. Später kam er in die Wohnung der Mutter.
Frisur als Glücksbringer
Auf ihre Löwenmähne hat Pilgrim an der EM verzichtet. Vor dem Turnier lässt sie ihre Locken zu Twists flechten. Eine Frisur, die ihr und der Nati bislang Glück gebracht hat. «Deshalb werde ich auch für das Spiel gegen Spanien nichts ändern.» Auf die Partie gegen den Weltmeister freut sich Pilgrim. «Wir haben nichts zu verlieren.» Es sei kein einfaches Spiel, «aber wir spielen zu Hause, vor einer super Kulisse. Es ist alles möglich.»