«Kritik geht mir sehr nahe»
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SRF-Kommentatorin Rinast:«Kritik geht mir sehr nahe»

SRF-Pionierin Rachel Rinast
«Und dann heisst es, Frauen können das nicht»

Rachel Rinast hat an der EM als erste Frau auf SRF Fussballspiele kommentiert. Die Ex-Nati-Spielerin spricht im Interview mit Blick über ihre Rolle als Pionierin, Kritik und welche Gefahr im Frauenfussball droht.
Publiziert: 09:00 Uhr
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Aktualisiert: 11:21 Uhr
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Rachel Rinast war während der EM an der Seite von SRF-Kommentator Calvin Stettler (l.) im Einsatz.
Foto: Toto Marti
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Christian FinkbeinerStv. Fussballchef

Rachel Rinast, nicht nur die Nati, auch Sie haben als erste Fussball-Kommentatorin bei SRF Geschichte geschrieben. Wie stark war Ihnen das bewusst?
Rachel Rinast: Ich habe das unterbewusst gespürt, aber versucht, es von mir fernzuhalten. Denn das Gefühl, die erste Fussball-Kommentatorin zu sein, setzt einen schon unter Druck. Ich habe in der Nacht vor meinem ersten Einsatz als Kommentatorin katastrophal geschlafen, weil ich dachte: Boah, wenn ich einen Fehler mache, mache nicht ich als Rachel Rinast einen Fehler, sondern als Frau. Und dann heisst es, Frauen können das nicht. Nun hoffe ich, dass Menschen, die dachten, es könnte schwierig werden, merken, es geht wohl doch, und sich daran gewöhnen, dass da eine Frauenstimme im Fussball stattfindet, was hoffentlich eines Tages normal ist.

Sie haben vor der EM gesagt, dass Sie nicht der Liebling von allen sein werden? War dem so?
Ich habe ja bereits bei Sky in Deutschland Spiele kommentiert. Aber die Kultur in der Schweiz ist schon eine andere. Die Rückmeldungen waren aber extrem positiv. Ich hätte nicht erwartet, dass ich so viele positive Zuschriften erhalte. Und diese nicht nach dem Motto, für das erste Mal war es gut, sondern mehr, dass ich einen anderen Stil habe, zu kommentieren; zum Beispiel weniger Zahlen-Dropping, auch wenn das dazugehört. Aber als Ex-Spielerin ist ja klar, dass ich vielleicht noch mehr auf das Spielerische eingehe. Es war super und hat viel Spass gemacht.

Wie gehen Sie mit Kritik um?
Bei Kritik stellt man sich immer die Frage: Was ist der eigentliche Grund? Sich nach dem Warum zu fragen, ist wichtig. Zum Beispiel, warum verletzt es mich, wenn XY mir eine kritische Nachricht schreibt, obwohl ich diesen Menschen nicht kenne? Weil ich gerne mit meinem Stil zu kommentieren gefallen möchte. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, mir ist egal, ob es den Leuten gefällt oder nicht. Ich glaube, jeder Mensch, der zur Bühne neigt, und da zähle ich das Kommentieren dazu, hat auch dieses Entertainer-Gen. Wenn du unterhältst, und das war bei mir schon als kleines Mädchen so, wollte ich immer, dass es den Leuten gut geht, dass eine gute Stimmung da ist. Und das Gleiche will ich jetzt. Deswegen mache ich das auch.

Reaktionen von Zuschauern sind das eine, aber auf wen hören Sie in Ihrem privaten Umfeld. Von wem fordern Sie Feedback ein?
Ich habe viele Menschen um mich, die Ahnung von Fussball haben, was förderlich ist. Meine Mama ist mein grösster Fan und gleichzeitig auch meine grösste Kritikerin. Die sagt mir knallhart ins Gesicht, wenn ihr etwas nicht gefallen hat. Das hat sie schon immer getan. Wenn es um das Technische geht, dann halte ich mich an Kollegen, die das schon länger machen und schon sehr viel Erfahrung haben. Wenn Wolff Fuss, der zu den renommiertesten Kommentatoren in Deutschland gehört, sich die Zeit nimmt, dir ein Feedback zu geben, dann ist das Gold wert. Auch SRF-intern bekommen wir Feedback von Kollegen, die schon lange in dem Bereich arbeiten, die sich das Spiel aktiv anschauen, Notizen machen und dir dann Verbesserungsvorschläge bringen oder sagen, was du gut gemacht hast. Das ist nicht selbstverständlich, aber richtig cool.

Was ist Ihre Motivation?
Wenn man von ganz verschiedenen Leuten, kleinen Mädchen, Studenten, Vätern, Jungs, Müttern oder älteren Menschen ein positives Feedback bekommt, bestärkt dies einen in seiner Arbeit. Aber natürlich mache ich das auch für mich. Ich möchte unterhalten und den Menschen Freude bereiten. Und ich möchte etwas verändern. Ich hoffe, dass sich jetzt bei dieser EM ein, zwei Mädels gedacht haben: Oh cool, vielleicht werde ich irgendwann auch einmal TV-Kommentatorin.

Rachel Rinast persönlich

Die 33-Jährige ist in Schleswig-Holstein aufgewachsen und ist schweizerisch-deutsche Doppelbürgerin. Für die Schweiz bestritt sie 48 Länderspiele und nahm an drei Endrunden teil. 2023 gab sie ihren Nati-Rücktritt bekannt und wurde danach bei SRF zur Co-Kommentatorin und Expertin bei der Nati. Seit 2024 kommentiert sie für Sky die Premier League, seit dieser EM ist sie die erste Fussball-Kommentatorin bei SRF. Sie lebt in Hamburg (D) und spielt noch für den Regionalligisten FC St. Pauli.

Die 33-Jährige ist in Schleswig-Holstein aufgewachsen und ist schweizerisch-deutsche Doppelbürgerin. Für die Schweiz bestritt sie 48 Länderspiele und nahm an drei Endrunden teil. 2023 gab sie ihren Nati-Rücktritt bekannt und wurde danach bei SRF zur Co-Kommentatorin und Expertin bei der Nati. Seit 2024 kommentiert sie für Sky die Premier League, seit dieser EM ist sie die erste Fussball-Kommentatorin bei SRF. Sie lebt in Hamburg (D) und spielt noch für den Regionalligisten FC St. Pauli.

Wie unterscheiden sich Ihre Rollen als Co-Kommentatorin und als Kommentatorin?
Es sind zwei unterschiedliche Jobs. Darum hat sich auch der eine oder die andere gefragt: Hä, warum ist sie denn heute so seriös als Kommentatorin? Und als Co-Kommentatorin bringt sie ab und zu Sprüche? Als Kommentatorin bist du im Lead, um das Spiel zu begleiten, die Zuschauer und Zuschauerinnen abzuholen und sie mit Informationen zu versorgen. Du hast diesen 360-Grad-Blick und musst immer auf den Bildschirm schauen. Immer. Wenn du Co-Kommentatoren bist, kannst du gelegentlich den Fokus auf etwas Spezielles legen, dir eben mal 20 oder 30 Sekunden genau das anschauen, was du dir anschauen willst, während der Kommentator spricht.

Für einen Aufreger sorgte, als Ihnen beim Tor von Reuteler gegen Island das F-Wort über die Lippen rutschte. Was haben Sie für Reaktionen erhalten?
Das ist mir rausgerutscht und hatte eigentlich gar nichts mit dem Spielgeschehen zu tun, weil ich in diesem Moment einfach zu schnell aufgestanden bin. Aber ich darf das natürlich nicht sagen, auf gar keinen Fall. Das tut mir leid, und dafür habe ich mich auch entschuldigt. Als ich die Schlagzeile in den Medien gelesen habe, fragte ich mich aber schon: warum? Muss das sein? Denn das kann einem ja richtig zum Verhängnis werden. Und das finde ich irgendwie traurig. Es hat mich schon beschäftigt, weil ich dachte, jetzt kommentiert man da 90 Minuten, steckt da so viel Herzblut rein, auch viel Vorbereitung. Und dann wird von einem ja auch erwartet, dass man emotional voll mitgeht, was ich getan habe. Ich hätte mich gefreut, wenn man vielleicht eher den Fokus auf andere Sachen gelegt hätte. Aber ich weiss auch, wie es in den Medien läuft und diese funktionieren.

Das Gespräch wird durch zwei Passanten unterbrochen, die gerne ein Selfie mit Rachel Rinast machen wollen. Nach einem Foto und einem kurzen Austausch geht es weiter. 

Müssen Sie mehr Selfies machen als früher, als Sie noch selbst aktive Nati-Spielerin waren?
Ja, weil wir damals noch nicht die gleiche Sichtbarkeit hatten. Am Ende meiner Karriere habe ich es noch ein bisschen mitbekommen, mich da aber auch bewusst etwas zurückgenommen.

Bereuen Sie, dass Sie nicht als aktive Spielerin dabei gewesen sind?
Nein. Ich habe als Frauenstimme diese EM begleitet, ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.

Vor zwei Jahren haben Sie Ihre Karriere vor der WM beendet. Hätten Sie sich vorstellen können, dass eine solche Euphorie schon jetzt möglich ist?
Ja, tatsächlich. Ich habe mich immer gefragt, wann gibt man dieser Vorstellung endlich mal den Raum? Wenn es alle pushen und man einfach davon ausgeht, dass genauso eine Euphorie entstehen kann wie bei einer Männer-EM, was sollte dem im Wege stehen? Die Nati hat einen Riesenteil dazu beigetragen. Aber auch die Städte, die Menschen und die Gesellschaft. Man sagt ja immer, die Gesellschaft sei vielleicht noch nicht so weit. Die Gesellschaft ist aber komplett bereit dafür: für Frauenfussball, für Frauen im Sport allgemein. Die waren einfach bisher noch nicht so sichtbar.

Wie haben Sie das Niveau dieser EM erlebt?
Die Entwicklung der letzten Jahre geht weiter: die Dynamik, die Athletik der Spielerinnen, das schnellere Spiel und dadurch auch mehr ansehnliche Spielzüge. Die Kritik, dass der Frauenfussball nicht so dynamisch, nicht so schnell oder technisch und taktisch nicht so gut ist, kann ich nicht mehr unterschreiben, das war vielleicht vor zehn oder zwanzig Jahren so.

Generell war es ein sehr emotionales Turnier.
Die Frauen sind in diesem Bereich offener. Sie versuchen nicht, etwas zu verstecken. Es ist noch etwas unschuldiger, unberührter.

Besteht die Gefahr, dass dies einmal verloren geht, je grösser das Ganze wird?
Irgendwann werden die veränderten äusseren Bedingungen dich auch einmal ergreifen. Und dann verändern sich die Verhaltensweisen. Wie geht man mit Medien um? Wie geht man mit Fans um? Gehe ich so offen und entspannt durch die Gassen? Oder muss ich damit rechnen, dass es Menschen gibt, die mir nichts Gutes wollen, und man deswegen eine gewisse Angst entwickelt. Oder eine gewisse Distanz. Ich glaube, dass man sich davor nicht komplett schützen kann, weil das der Lauf der Dinge ist. Ich finde es aber wichtig, dass man sich trotzdem immer wieder auf Dinge besinnt. Dass man eben nicht den Männerfussball kopiert, sondern dass man schaut, was gut lief, was weniger, und dass man nicht die gleichen Fehler macht.

Gruppe A
Mannschaft
SP
TD
PT
1
3
3
9
2
3
1
4
3
3
0
4
4
3
-4
0
Playoffs
Gruppe B
Mannschaft
SP
TD
PT
1
3
11
9
2
3
-1
4
3
3
-4
3
4
3
-6
1
Playoffs
Gruppe C
Mannschaft
SP
TD
PT
1
3
7
9
2
3
0
6
3
3
-4
3
4
3
-3
0
Playoffs
Gruppe D
Mannschaft
SP
TD
PT
1
3
7
9
2
3
8
6
3
3
-4
3
4
3
-11
0
Playoffs
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