Darum gehts
- Schweizer Fussballverband zieht positive Bilanz der Frauen-EM 2025
- Friedliche Fans und hoher Frauenanteil prägten das Turnier
- 657'291 Tickets verkauft, 97 Prozent des Gesamtkontingents
Nach dreieinhalb Wochen, 31 Spielen und Hunderttausenden begeisterten Fussballfans hat der Schweizerische Fussballverband am Dienstagmorgen in Ittigen BE gemeinsam mit dem Bund, der Uefa, den SBB und Schweiz Tourismus die grosse EM-Bilanz gezogen – und dabei auch zu den vereinzelten Kritikpunkten Stellung genommen.
Friedliche Fans
Stephanie Eymann hat einen grossen Wunsch: «Ziehen Sie die nötigen Lehren für den Männerfussball», fordert die Basler Sicherheitsdirektorin in einem gemeinsamen Brief mit Amtskolleginnen anderer Kantone, den sie am Montag dem Schweizerischen Fussballverband (SFV) und der Swiss Football League hat zukommen lassen. «Der Appell ist angekommen und wird beantwortet werden», sagt SFV-Generalsekretär Robert Breiter. Man müsse aber aufpassen, das EM-Publikum nicht mit demjenigen der Schweizer Fussballliga zu vergleichen. «Auch bei Länderspielen der Männer haben wir kaum Fangewalt-Probleme», so Breiter.
Stadionbesuch
Auch Turnier-Direktorin Doris Keller weist auf die demografischen Besonderheiten des EM-Publikums hin. Rund 50 Prozent waren weiblich, über 30 Prozent davon jünger als 30 Jahre. Zum Vergleich: An der EM der Männer im vergangenen Jahr lag die Frauen-Quote bei unter 20 Prozent. Der grosse Anteil an weiblichen Fans sorgte allerdings auch für einige Probleme, zum Beispiel bildeten sich lange Schlangen vor den Frauentoiletten. «Die meisten unserer Stadien sind nicht für dieses Publikum gebaut worden», erklärt Keller. «Wir haben ausserhalb des Stadions zusätzliche Toiletten aufstellen lassen und auch im Stadion Männertoiletten in Frauenkabinen umgewandelt.» Aufgrund von baulichen und sicherheitstechnischen Vorschriften seien nicht mehr Massnahmen möglich gewesen. Insgesamt hat die Uefa 657'291 Tickets verkauft, was 97 Prozent des Gesamtkontingents entspricht.
Öffentlicher Verkehr
Komplett ohne Zwischenfälle ist das Turnier nicht abgelaufen. Schon nach dem Eröffnungsspiel sorgte ein SBB-Chaos für viel Kritik. «Wir hatten in der Nähe von Basel eine Störung, wodurch die Züge verspätet zum Stadion kamen. Da konnten wir nicht mehr viel tun», erklärt Reto Liechti, Leiter Produktion Personenverkehr bei den SBB. Auch in Genf habe man einmal unfreiwillig «eine Verlängerung» verursacht. Liechti: «Das ärgert uns selbst am meisten und tut als Eisenbahner weh.» Auch dank 400 Extrazügen haben die SBB während der EM rund 430'000 Personen ins Stadion und wieder zurücktransportiert, was etwa zwei Dritteln aller Match-Besuchenden entspricht. «Alle Kundinnen und Kunden sind immer nach Hause gekommen», bilanziert Liechti.
Späte Anspielzeiten
Während der K.o.-Phase wurden mit Ausnahme des Finals sämtliche Partien um 21 Uhr angepfiffen. Für ein Turnier, das sich unter anderem zum Ziel gesetzt hat, den Frauenfussball einem jungen Zielpublikum näherzubringen, nicht optimal. Keller: «Wir haben lange darüber diskutiert. Wir mussten aber Kompromisse eingehen, wenn wir zwei Spiele an einem Tag durchführen wollen. Und wenn wir die Stadien voll haben wollen, können wir kein Spiel am Nachmittag um 15 Uhr anpfeifen.»
Effekt auf Tourismus
Fünf Millionen Franken haben der Bund, die acht Spielorte und Schweiz Tourismus gemeinsam in die grösste Tourismus-Werbekampagne seit zehn Jahren gesteckt. Ein Aufwand, der sich gelohnt zu haben scheint. «Wir haben rund 400 Millionen Werbekontakte erreicht. Also hat jede zweite Person in Europa unsere Werbung gesehen», erklärt Martin Nydegger, Direktor Schweiz Tourismus. Das scheint sich bereits bezahlt gemacht zu haben, rund 35 Prozent aller EM-Stadion-Besucherinnen und -Besucher sind aus dem Ausland in die Schweiz gereist. Was zudem einen nachhaltigen Effekt auf den Schweizer Tourismus haben dürfte, ist die «Gratiswerbung» durch die Social-Media-Beiträge von Spielerinnen. Wie Nydegger berichtet, sei man bewusst auf Teams zugegangen, um diese über Freizeitaktivitäten und Ausflugsziele zu informieren. Das Gesamtfazit des Tourismus-Chefs fällt sehr positiv aus: «Wir haben uns in Position gebracht für weitere Grossanlässe wie die Olympischen Spiele 2038.»
Kein Turnier mehr in der Schweiz?
«Wir haben das erhoffte Sommermärchen erlebt», bilanziert Breiter. Nur ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass es das letzte gewesen sein dürfte, das in der Schweiz stattgefunden hat. «Eine Männer-EM konnten wir schon 2008 nur gemeinsam mit Österreich durchführen. Wenn man sich das Anforderungsprofil für die Frauen-EM 2029 anschaut, hätten wir uns auch da nicht mehr alleine bewerben können», sagt Breiter. Darum bleibe trotz des tollen Turnieres nur etwas übrig: «Zurückblicken und geniessen.»