40’697 lizenzierte Spielerinnen, 2743 Trainerinnen, 134 Schiedsrichterinnen und 390 Funktionärinnen - das ist die Frauen-Statistik des SFV. Bis 2027 sollen sich diese Zahlen verdoppeln. Ja, verdoppeln. Das ist das Ziel des Frauenförderprogramms «Legacy - here to stay», das rund um die EM 2025 aufgebaut wurde. Wie soll das gehen?
Das goldene Ticket
Alice Holzer, 32, ist die nationale Legacy-Managerin des SFV. Legacy bedeutet auf Deutsch «Vermächtnis». Das Motto heisst «Here to stay». Sieht man sich die Ziele des Programms an, wäre der passendere Slogan «here to grow» – der Frauenfussball soll nämlich nicht nur bleiben, sondern auch wachsen.
Holzer bezeichnet die Legacy als «goldenes Ticket, das Türen öffnet». Das Vermächtnis der EM in der Schweiz soll ein Fundament sein, «das daraus besteht, dass wir mehr Spielerinnen bekommen, dass wir den Boom, den die EM hoffentlich auslösen wird, irgendwie abfangen können», sagt sie.
Dafür arbeitet sie eng mit den Regionalverbänden zusammen. Sie erfahre dabei sehr viel Positivität, sagt sie. Auch wenn es Hürden gibt.
Der Rattenschwanz
Vera Gmür ist die Präsidentin der Abteilung Frauenfussball des Fussballverbands Nordwestschweiz. Sie sagt: «Die grösste Hürde ist die Infrastruktur.» Gerade im Breitenfussball scheinen die Möglichkeiten ausgeschöpft. Es fehlt an Trainerinnen und Trainern, an genügend Trainingsplätzen. Die meisten Vereine führen deshalb Wartelisten. «Es gibt dann diesen Rattenschwanz. Da müssen wir sicherstellen, dass wir darauf vorbereitet sind. Wir können schliesslich nicht neue Trainingsplätze aus dem Boden stampfen», sagt Gmür.
Es gibt aber Lösungsansätze, Stichwort Belegungspläne. Gmür und ihr Team versuchen aus den vorhandenen Kapazitäten das Maximum herauszuholen. «Das sind kleine Dinge, wie Garderoben, die nicht ein ganzer Abend für ein Team reserviert bleiben, sondern wieder freigegeben werden.»
Die Stadionstimmen
Das Legacy-Programm ist in drei Bereiche gegliedert: Breitenfussball, Elite-Fussball und Frauenfussball in der Gesellschaft. Dass sich der Frauenfussball langsam in der Gesellschaft etabliert, zeigen die Vorverkaufszahlen der EM. Aktuell sind für zwei Gruppenspiele noch Tickets verfügbar, die restlichen Spiele sind ausverkauft. Und schon im Vorfeld der EM zeigten Zuschauer-Rekorde in der nationalen Women’s Super League oder im Schweizer Cup, dass Frauenfussball begeistert.
Noch ist unklar, ob das Teil der Vorfreude auf die EM im eigenen Land war oder die Fans auch nach dem Sommer nachhaltig am Frauenfussball interessiert bleiben. Um die Frau weiter im Fussball zu verankern, hat der Verband 15 Frauen zu Stadionspeakerinnen ausgebildet. Die Hälfte kommt an der EM zum Einsatz, alle sollen wir nach dem Turnier regelmässig in Schweizer Stadien hören. Die Frauenstimme soll hörbar bleiben.
Die Trainerinnen
Die Stadionsprecherinnen sind ein Baustein des Legacy-Fundaments. Im Breitenfussball haben aber die Trainerinnen, Schiedsrichterinnen und Funktionärinnen die tragenden Rollen. Auch hier hat die Legacy Projekte lanciert, die Frauen in diesen Positionen fördern sollen.
In einem ersten Schritt sollen Frauen ermutigt werden, sich überhaupt einer Funktion anzunehmen. Dort setzen elf Regionalverbände mit frauenspezifischen Trainerinnen-Kursen an. Das Angebot wird genutzt; viele Frauen fühlen sich wohler in weiblichen Gruppen. Und so hat die Anzahl Trainerinnen in den letzten zwei Jahren merklich zugenommen, sagt der SFV, Tendenz steigend.
Die Schiedsrichterinnen
Auch im Schiedsrichter-Wesen bieten einzelne Regionalverbände neu den Frauenweg an. Die Schiedsrichterinnen pfeifen dann nur Frauenspiele. Beim Fussballverband Nordwestschweiz hat man so in den ersten zwölf Monaten elf neue Schiedsrichterinnen gewinnen können, insgesamt zählt der Regionalverband jetzt 16 Schiedsrichterinnen.
Auch im Verband Bern/Jura gibt es den Frauenweg. Bei einer Schiedsrichterprüfung Anfang Juni ist Elena (22) trotzdem die einzige Frau unter 30 Männern. «Ich habe schon erwartet, dass es noch andere weiblich gelesene Personen haben wird», sagt sie. Sie ist zwar nicht wegen des Frauenwegs Schiedsrichterin geworden, begrüsst die Option aber sehr. Sie findet, dass Schiedsrichterinnen den Fussballerinnen mehr auf Augenhöhe begegnen.
Die Kursleitung und der Schiedsrichter-Verantwortliche des Verbands Bern/Jura sagen, dass der Frauenanteil noch immer sehr klein ist im Schiedsrichter-Wesen. Auf Nachfrage sagt der Verband aber, dass man eine steigende Tendenz feststelle, ähnlich wie das in der Region Nordwestschweiz der Fall ist.
Der Boom
Der SFV bereitet den Boom vor, der durch die EM ausgelöst werden soll. Schaut man auf England und Holland, die die letzten beiden EM ausgetragen haben, macht das auch Sinn. Die EM in Holland hatte 2017 alle Rekorde gebrochen. In England meldeten sich in der Saison nach der EM 2022 über 1000 neue Teams an.
Und 2025? Es wurden so viele Tickets vor Turnierstart verkauft wie noch nie, ein erstes Vermächtnis der EM in der Schweiz.