Cup Tales by Bänz Friedli
Und dann rutschte der fröhlichen Trudy ein «Schlämperlig» raus

Fussballpionierin Trudy Streit-Moser hat in ihrer Karriere einige Titel gewonnen – aber auch so einige Finals verloren. Einmal rutschte ihr dabei sogar eine Beleidigung gegenüber dem Liga-Präsidenten heraus.
Kommentieren
Bänz Friedli blickt mit Fussballpionierin Trudy Streit-Moser auf ihre Cup-Karriere zurück.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Trudy Streit-Moser, Fussballpionierin, erhält späte Anerkennung für ihre Leistungen
  • Sie gründete 1968 den DFC Zürich und spielte für den SV Seebach
  • Mit dem SV Seebach gewann sie 13 Meistertitel und 8 Cupsiege
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

In den Viertelfinals des «Axa Women’s Cup» gastieren die Rekord-Cupsiegerinnen des FCZ in Luzern. Weshalb die Zürcherinnen überhaupt so viele Trophäen verzeichnen? Die Fussballpionierin schlechthin weiss es. Und seit dem EM-Sommer kennt das ganze Land diese Frau: Dank «Kick it like Trudi!» kam Trudy Streit-Moser (72) – die auf dem y im Vornamen besteht, wenngleich «ihre» TV-Serie anders hiess – zu spätem Ruhm. Mit dem SV Seebach gewann sie in den 1970-er Jahren fast alles. Aber eben nur fast …

Trudy Streit-Moser in jungen Jahren mit einem Fussball im Arm.

«Mitica Trudy!», ruft der Kneipenwirt im Grotto «Pojana» aus, kaum hat Trudy Streit-Moser das Lokal betreten. Und die Begeisterung ist nicht gespielt. Schon stellt der Mann eine Flasche des Hausweins auf den Tisch, den sie besonders mag. «Sei una leggenda», fährt er fort. Als Mythos, als Legende wird die Pionierin hier begrüsst, ganz in der Nähe ihres Zweitwohnsitzes in Riva San Vitale am Luganersee.

Und so ergeht es ihr vielerorts. Denn es gehört zu den schönen Errungenschaften der EM dieses Sommers, dass die Frauen, die in den Gründungsjahren so viel für den Fussball taten, ohne je öffentlich wahrgenommen zu werden, nun späte Anerkennung erhalten. Madeleine Boll (72), einst die erste lizenzierte Spielerin des Landes, hatte Tränen in den Augen, als sie in der Pause des Viertelfinals Schweiz – Spanien im «Wankdorf» eine Ehrenrunde mit Maddli drehen durfte, dem nach ihr benannten Maskottchen. Und Trudy Streit wird überall erkannt, seit sie der TV-Serie «Kick it like Trudi!» ihren Namen gegeben hat und darin Furore machte.

Madeleine Boll winkt an der WEURO 2025 mit dem nach ihr benannten Maskottchen Maddli den Fans zu.
Foto: UEFA via Getty Images

Späte Genugtuung für die Pionierinnen

«Dabei wollten wir doch gar nie berühmt werden! Es hatte auch wenig mit dem gesellschaftlichen Aufbruch von 1968 zu tun», wiegelt Streit nun im Grotto ab. «Wir trainierten als junge Leichtathletinnen auf dem ‹Letzigrund›, schauten Köbi Kuhn und Fritz Künzli beim Training zu … Ab und zu kam ein Ball dahergerollt – und den haben wir dann halt zurückgekickt.» Irgendwann hätten sie sich gesagt: «Jetz wännd mir au tschuutte.»

Und nun reden wir von den allerersten Cupfinals. «Oft mussten wir zuerst Steine aus dem Spielfeld klauben, ehe das Spiel beginnen konnte», sagt Trudy Streit. Ihr SV Seebach hatte in den 1970er-Jahren eindeutige Angstgegnerinnen: die Spielerinnen des DFC Bern. Die beiden Vereine waren das Mass aller Dinge zu jener Zeit.

Man kennt Streits lebhaftes, stets munteres Erzählen vom Fernsehen. Doch über das eine Endspiel kann sie sich noch heute in Rage reden. «Wir waren so viel besser und haben am Ende so unglücklich verloren.» Vor der Pokalübergabe habe der Präsident der «Damen-Liga», der ehemalige Basler Fifa-Schiedsrichter Joseph Heymann, in seiner Ansprache gesagt: «Die bessere Mannschaft hat gewonnen.» Da sei ihr der Kragen geplatzt. «Was mir dann entfuhr … Jesses, nein! Das darfst du nicht schreiben.»

Der 13. Mai 1978 war ein garstiger, nasskalter Tag. In der Nacht hatte es bis in tiefe Lagen geschneit. «Mit drei, vier Autos waren wir nach Herzogenbuchsee gefahren, wo das Spiel stattfand. Wir hatten ja keinen Team-Bus», erzählt Trudy. Auf dem Sportplatz «Waldäcker» blieb der Ball oft im Pflotsch stecken. «Man kann sich kaum mehr vorstellen, wie unzulässig die Verhältnisse waren. Zufallstore fielen.» Die Bernerinnen gewannen schliesslich knapp 4:3 nach Verlängerung.

Trudy Streit-Moser posiert für das SRF-Format «Kick it like Trudi».
Foto: SRF/Gian Vaitl

Sie bestritt die allerersten Nationalspiele

Trudy, die damals noch Moser hiess, gehört zu den absoluten Pionierinnen. Im Juli 1970 nahm sie mit einer Schweizer Auswahl an der ersten inoffiziellen WM in Italien teil, wo die Schweizerinnen um den Sieg gegen die Gastgeberinnen betrogen wurden. Am 8. November desselben Jahres stand sie in der Startformation fürs erste Spiel des Frauen-Nationalteams auf heimischem Boden. Auf der Schaffhauser «Breite» resultierte ein 9:0 gegen Österreich. «Wir mussten übergrosse, unansehnliche gelbe Dresses tragen», sagt Trudy mehr belustigt als verärgert, «nichts da von rotem Nationaltrikot.» Nie erzählt sie in klagendem Ton, stets funkeln ihre Augen hinter den Brillengläsern, immer wieder streut sie Sätze ein wie «Aber es war cool!» und «Wir hatten es lässig!». Sie pflege heute noch guten Kontakt zu vielen Kameradinnen von damals.

Dass von den insgesamt zehn Finals zwischen Seebach und dem DFC Bern sieben verloren gingen, kann Streit-Moser verkraften. «Dann wurden wir halt Meisterinnen», sagt sie mit einem Lachen, «wir holten ja eigentlich jedes Jahr mindestens einen Titel.» Dreizehn Meistertitel und acht Cupsiege waren es schliesslich, ehe die Seebach-Frauen sich 2008 definitiv dem FC Zürich anschlossen. «Der FCZ hat da viele Titel einfach ‹mitgenommen›, die wir mit Seebach erreicht hatten», frotzelt Streit-Moser.

Dabei war sie es selbst, die den DFC Zürich 1968 gegründet hatte! «Welche Tochter kann schon von sich behaupten, den Vater zum Fussball gebracht zu haben? Das ist doch sonst immer umgekehrt», sagt sie. Doch ihr Vater habe sich erst den FCZ-Senioren angeschlossen, nachdem ihre Schwestern und sie das Frauenteam gegründet hätten. Um allerdings bereits nach wenigen Saisons zu den aufstrebenden Seebacherinnen zu wechseln. Wie es dazu kam? «Nach jedem Spiel ging man mit dem gegnerischen Team etwas trinken, so konnten wir immer alles bereden und gingen stets in Frieden auseinander», erzählt Trudy. An einem solchen «Höck» lotsten die Gegnerinnen sie schliesslich zum SV Seebach. «Sie hatten drum einen attraktiven Trainer … Und der wurde dann mein Mann.» Auch Grössen wie der legendäre FCZ-Goalie Karl Grob waren an der Hochzeit von Bruno und Trudy Streit zugegen. 1974 kam der gemeinsame Sohn Perry, fünf Jahre später Tochter Saskia zur Welt. «Und dazwischen habe ich weiterhin Fussball gespielt.»

Trudy Streit-Moser im Jahr 1976 mit ihrem Kind auf dem Arm.

Trudys Mann Bruno wurde später gar Nati-Coach. «Und das einzig mit einem J&S-Leiter-Kurs», sagt sie kopfschüttelnd. Präsident der Liga war er auch. «Und ich machte das Sekretariat.» Heute schmunzelt Trudy selbst über die klassische Rollenteilung. «Aber wir arbeiteten ja beide gratis … Haben nie einen Franken von irgendjemandem erhalten. Wir taten alles aus Überzeugung.»

Trudy, die begnadete Erzählerin

Die anderen Tische im Grotto «Pojana» sind längst verwaist. Trudy fällt immer noch eine Anekdote ein. Diejenige etwa, dass sie, die eigentlich stets «Libera» spielte, «weil ich klein bin, dafür aber sehr schnell war», dann zuweilen schon auch nach vorn gestürmt sei. «Wenn wir sieben zu null führten, wollte ich auch noch ein Goal erzielen. Einmal wollte es mir partout nicht gelingen. Ich traf die Latte, den Pfosten … aber nie ins Tor.» Dann habe sie halt absichtlich ein Eigentor gemacht, zum Endstand von 8:1. «Um wenigstens auch ein Goal erzielt zu haben.» Worauf der Schiedsrichter prompt Gelb zeigte wegen «Lächerlichmachens der Gegnerinnen».

So überlegen waren die Frauen des SV Seebach. Die Stars von heute? «Ich beneide sie schon manchmal», räumt Trudy Streit-Moser ein. Und irgendwie geniesst die quicklebendige 72-Jährige die späte Anerkennung halt doch.

Man möchte ihr noch lange zuhören. Aber dass diesem so überschäumend freundlichen Menschen nach einem verlorenen Cupfinal ein übler «Schlämperlig» in Richtung des Liga-Präsidenten herausgerutscht sein soll? Weil der gesagt hatte, «das bessere» Team habe gewonnen – wo es doch bloss das glücklichere war? Kaum zu glauben. Wie lautete denn nun der fürchterliche Ausdruck, Trudy? «Arschloch. Ich sagte ihm: ‹Du bist doch ein Arschloch›.» Ein bisschen schämt sie sich noch heute dafür. «Aber recht hatte ich schon.»

In diesem Artikel erwähnt
Was sagst du dazu?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen