Zu Hause bleiben und keinen direkten Kontakt zu Freunden haben sei schon mühsam, sagt Ahmad Miri. «Kein Training, kein Fussball, das ist nicht schön.» Aber auch wenn die Corona-Krise extrem schlimm ist: Der 18-Jährige hat in seinem Leben schon schlimmere Situationen erlebt.
Vor fünf Jahren startet Miri die Reise, die sein Leben verändern sollte. Er flüchtet vor der Perspektivlosigkeit im Iran. Weil der Afghane keinen iranischen Pass besitzt, hätte Miri in Teheran nur die Grundschule besuchen dürfen. Der weitere Bildungsweg wäre ihm verwehrt geblieben. «Mein Grossvater wanderte einst von Afghanistan in den Iran aus. Damals war es aus politischen Gründen nicht notwendig, den iranischen Pass zu besitzen. Mein Grossvater hat ihn nicht beantragt. Deswegen haben wir auch heute noch keinen iranischen Pass.» Sein Vater habe ihm geraten, das Land zu verlassen. «Er sagte, hier könne ich meine Ziele nicht erreichen. Ich wollte immer Ingenieur werden.»
Angst vor der Polizei
Miri verlässt seine Familie und zieht los. Alleine. Ein steiniger, gefährlicher Weg in eine ungewisse Zukunft. Miri blickt zurück: «Wenn ich im Vorhinein gewusst hätte, was auf mich zukommen würde, dann wäre ich zu Hause geblieben. Diesen Weg zu gehen, das empfehle ich niemandem!» Er kommt über die Türkei nach Europa. Per Zug und Schiff. Die Angst, von der Polizei aufgegriffen zu werden, ist omnipräsent. «Sie hätten mich ins Gefängnis gesteckt und anschliessend zurückgeschickt. Weil ich aber Afghane bin, hätte ich nach Afghanistan gehen müssen. Dabei kenne ich dieses Land überhaupt nicht.» Und auch vor Kriminellen muss sich Miri schützen. «Die wollten mich mit Waffen ausrauben.»
In der Türkei trifft er einen Bekannten aus seiner Heimat. «Ein schöner Zufall», erzählt Miri. «In Athen ist uns noch ein weiterer Freund über den Weg gelaufen.» Zu dritt schaffen sie es bis nach Wien. «Dort haben wir uns getrennt. Wir hatten nicht mehr dieselben Ziele. Die anderen gingen nach Schweden und Deutschland.»
Miri aber will in die Schweiz. Er nimmt noch einmal den Zug. «Das war ein sehr schlimmer Abend. Ich hatte grosse Angst vor der Polizei. Irgendwo in St. Gallen kam die Schweizer Grenzpolizei in den Zug. Ich sagte ihnen, dass ich keinen Ausweis habe. Sie haben mich mitgenommen, ich musste ein paar Stunden ins Gefängnis. Später dann ins Asylzentrum. Irgendwann erhielt ich einen Brief, dass ich nach Aarau muss.» Nach einiger Zeit im Aarauer Asylheim erhält Miri die Aufenthaltsbewilligung F – für vorläufig aufgenommene Ausländer.
Miri packt die Chance. Mittlerweile gilt er nicht mehr als Flüchtling. Er spricht perfekt Schweizerdeutsch, wohnt bei einer Gastfamilie, absolviert eine Lehre als Tiefbauzeichner und macht nebenbei die Berufsmatur. Seine Geschichte ist ein Paradebeispiel einer gelungenen Integration. «Ohne den Sport hätte ich das nicht geschafft», sagt Miri dankbar.
Beim FC Aarau klappt es nicht
Fussball war schon immer seine Leidenschaft. Nach seiner Ankunft in der Schweiz versucht es Miri bei den Junioren des FC Aarau. Es klappt nicht. «Taktisch und konditionell war ich meinen Kollegen unterlegen.»
Doch der gläubige Moslem bleibt dran, spielt beim regionalen FC Küttigen vor und wird dort mit offenen Armen empfangen. Miri startet durch, lernt durch den Teamsport die Sprache und zeigt sein Talent auf dem Platz. Bis der grosse FC Basel anklopft und ihn ins Probetraining einlädt. Doch auch am Rheinknie will es nicht klappen.
Mittlerweile spielt der 18-Jährige beim SC Schöftland in der 2. Liga interregional. Seine beeindruckende Geschichte hat sich im Aargau rumgesprochen. Mitte März ziert Miri die Titelseite von «Hattrick», dem Magazin des Aargauischen Fussballverbands. Miri ist stolz. «Das hab ich natürlich meinen Eltern gezeigt. Mein Vater hat die Titelseite sogar als Anzeigebild auf seinem Whatsapp-Account.»
Seine Familie hat Miri seit fünf Jahren nicht mehr gesehen. Er vermisst seine Mama, seinen Papa und seine zwei Brüder. «Per Telefon oder Whatsapp haben wir zwar regelmässig Kontakt. Irgendwann möchte ich sie aber besuchen.» Dass er eines Tages im Iran leben wird, kann er sich zurzeit nicht vorstellen. Er hat andere Ziele. «Ich wollte immer Profifussballer werden. Klappt das nicht, dann will ich irgendwann Ingenieur sein.» In der Schweiz kann Miri seine Träume verwirklichen.