Darum gehts
Wie viel Adrenalin ein einziger Derbysieg freisetzen kann, weiss jeder Ur-Hopper. Nichts ist schöner, als den Stadtrivalen in die Knie zu zwingen. «Ich habe noch vor Augen, wie Izet (Hajrovic) zum Tunnel ansetzt und dann mit einem satten Schuss mit links die Verlängerung entscheidet.» Im April 2013 erlebt Veroljub Salatic im Cup-Halbfinal das emotionalste seiner 36 Duelle mit dem FCZ. «Wir brannten damals, die Euphorie war riesig. GC konnte endlich wieder etwas gewinnen.» Tempi passati, das Glück ist aufgebraucht, die Flammen lodern nicht mehr, der Rekordmeister steht still.
Salatic sitzt in der schweizweit berühmtesten Stadion-Ruine auf dem letzten verbliebenen Stuhl. Vor ihm der ewige Schandfleck des Zürcher Fussballs. Ein trostloser Teerplatz, die inzwischen überwucherte Stehplatzrampe als Relikt. Der verrottete Hardturm ist das kaputte Erbe eines Vereins ohne Seele. Salatic starrt auf ein GC-Graffiti und schweift gedanklich ab: «Früher habe ich die grossen GC-Spiele an der Seitenlinie als Ballbub aufgesaugt. Und jetzt? Jetzt ist mein Jugendklub heimatlos. Und das Schlimme daran: Es interessiert gar niemanden, dass das neue Stadion nie gebaut worden ist.»
Kein Schauplatz könnte den Niedergang der früheren Nobelmarke besser dokumentieren als das Wrack an der Hardturmstrasse 404. Seit dem Abriss der Arena im Dezember 2008 spielt GC im Exil beim Stadtrivalen. «Der Letzi war nie unsere Heimat. Ich spielte nie gern dort», bringt Salatic das Problem der Hoppers-Gemeinschaft auf den Punkt. Der tiefe Schnitt von knapp 6000 Zuschauern bekräftigt seinen Eindruck. «Ich hoffe schwer, dass das Stadion-Versprechen irgendwann eingelöst wird. Für GC ist diese Geschichte matchentscheidend für die Zukunft. Früher war Geld vorhanden, heute fehlt es an allen Ecken und Enden.»
Salatic zum Besitzerwechsel: «Es hat sich nicht viel verändert»
Seinen Wechsel von Zug nach Zürich um die Jahrtausendwende bezeichnet Salatic in der Retrospektive als Kulturschock. Klingende Namen tragen den damaligen GC-Dress: Mladen Petric, Stéphane Chapuisat, Ricardo Cabanas oder Richard Núñez. Sie standen für Zauber, für eine Spur Arroganz, für Erfolg. «Das Sieger-Gen war intus. Jeder hat den Platz mit der Gewissheit betreten, unschlagbar gut zu sein», sagt Salatic beim Treffen mit Blick. Aus seiner Stimme ist Wehmut herauszuhören. «Nur noch schöne Erinnerungen.»
Salatic vermisst die Strahlkraft von einst, das Selbstverständnis, die Identität. Mit der erfolgreichen Vergangenheit haben die Macher von heute nichts mehr zu tun. Die Sorgen im Alltag überschatten den alten Glanz. «Das aktuelle GC ist kein Aushängeschild mehr. Und wir Spieler von früher sind ein Teil der Geschichte, die man irgendwie vergessen hat», stellt der langjährige Captain der Hoppers fest. Sein früherer Arbeitgeber Sion gehe mit den alten Grössen anders um: «Wir wurden zu einem Legenden-Treffen eingeladen. Es war würdevoll – von A bis Z.»
Während seiner drei Etappen beim Zürcher Verein bekommt Salatic den schleichenden Zerfall aus der Nähe mit. Es gibt Trainer- und Strategiewechsel, Spannungen, Intrigen, das ganze Drama-Programm. Mit neun verschiedenen Coaches und zehn Klubpräsidenten arbeitet Salatic zusammen. 2013 stürmt er an der Seite von Uli Forte zum Cup-Sieg. Ein Jahr nach dem Gewinn der letzten GC-Trophäe kommt es mit Forte-Nachfolger Michael Skibbe zum totalen Bruch und im Nachgang zu einer juristischen Auseinandersetzung, ehe der Absprung zum FC Sion folgt. Erst im Sommer 2019 gibt Salatic ein einjähriges Comeback in der Challenge League. GC ist da längst ganz unten angekommen.
Rund fünf Jahre nach seiner Dernière gegen den FC Winterthur (0:6) spielen die Hoppers zwar wieder in der Super League. Gefühlt sind sie aber kaum einen Schritt weiter. Nur die ausländischen Klubchefs tragen neue Namen. Seit 14 Monaten wird das Zürcher Fussball-Konstrukt von den Besitzern des Los Angeles Football Club gelenkt. Salatic beurteilt die Übernahme skeptisch: «Es hat sich nicht viel verändert: wieder ein neuer Owner, eine neue Führung, eine neu zusammengewürfelte Mannschaft. Das habe ich schon bei den Chinesen (von 2020 bis 2024 am Ruder, Anm. d. Redaktion) gesehen, jetzt machen es die Amerikaner ähnlich. Mit dem zweiten Verkauf ging die Identifikation irgendwie komplett verloren.»
Das GC-Leben am sportlichen Existenzminimum tut Salatic spürbar weh: Der Mann, der rund um die alte Garde der Hoppers sozialisiert worden ist, sinniert beim Blick auf die ruinierte Basis: «Jeder GC-Fan würde sich wünschen, dass es irgendwann wieder aufwärtsgehen könnte. Aber die aktuelle Situation gibt nicht viel her. Es mag ein Konzept da sein, aber der Erfolg fehlt. Man spielt wie der FC Winterthur gegen den Abstieg. Klar gibt es ein paar Talente, aber die kommen ja kaum zum Zug. Aber letztlich ist es kein Wunschkonzert, Fussball ist Leistungssport.»
In Salatics Brust pumpt das GC-Herz weiterhin: «Ich habe dem Verein viel zu verdanken. Hier verbrachte ich einen grossen Teil meines Lebens.» Berührungspunkte gibt es indes fast keine mehr, obwohl er sich vorstellen könnte, «zusammen mit anderen Ex-Spielern eine Position zu besetzen. Das Management der Talente hat mich immer interessiert.»
Veroljub Salatic kommt am 14. November 1985 in Zvornik im früheren Jugoslawien zur Welt und baut zusammen mit seiner Familie im Kindesalter in Zug eine neue Existenz auf. Via Zug 94 wechselt er als 15-Jähriger zu den Grasshoppers. Am 29. Juli 2003 debütiert der defensive Mittelfeldspieler unter Meister-Coach Marcel Koller im Alter von 17 beim 5:3 gegen den FC Wil im Hardturm-Stadion. In den folgenden acht Jahren etabliert er sich im GC-Stamm. Nach einem knapp einjährigen, aber erfolgreichen Intermezzo in Nikosia führt Salatic seinen Jugendverein 2013 als Captain zum Cupsieg und damit zur letzten Trophäe des Rekord-Champions. Die zweite GC-Periode endet wegen Meinungsverschiedenheiten mit Trainer Michael Skibbe vorzeitig. Zwischen 2015 und 2019 zelebriert der frühere U20-WM-Teilnehmer mit dem FC Sion seinen dritten Cup-Triumph und sammelt beim FK Ufa weitere internationale Erfahrungen. Im Sommer 2019 kehrt Salatic ein zweites und letztes Mal zu GC zurück. Im August endet seine schillernde Karriere mit einer 0:6-Niederlage gegen Winterthur still und leise in der Challenge League. Inzwischen ist der 39-Jährige fünffacher Vater und lebt mit seiner Frau Slavica in Cham.
Veroljub Salatic kommt am 14. November 1985 in Zvornik im früheren Jugoslawien zur Welt und baut zusammen mit seiner Familie im Kindesalter in Zug eine neue Existenz auf. Via Zug 94 wechselt er als 15-Jähriger zu den Grasshoppers. Am 29. Juli 2003 debütiert der defensive Mittelfeldspieler unter Meister-Coach Marcel Koller im Alter von 17 beim 5:3 gegen den FC Wil im Hardturm-Stadion. In den folgenden acht Jahren etabliert er sich im GC-Stamm. Nach einem knapp einjährigen, aber erfolgreichen Intermezzo in Nikosia führt Salatic seinen Jugendverein 2013 als Captain zum Cupsieg und damit zur letzten Trophäe des Rekord-Champions. Die zweite GC-Periode endet wegen Meinungsverschiedenheiten mit Trainer Michael Skibbe vorzeitig. Zwischen 2015 und 2019 zelebriert der frühere U20-WM-Teilnehmer mit dem FC Sion seinen dritten Cup-Triumph und sammelt beim FK Ufa weitere internationale Erfahrungen. Im Sommer 2019 kehrt Salatic ein zweites und letztes Mal zu GC zurück. Im August endet seine schillernde Karriere mit einer 0:6-Niederlage gegen Winterthur still und leise in der Challenge League. Inzwischen ist der 39-Jährige fünffacher Vater und lebt mit seiner Frau Slavica in Cham.
Sportchef Stephan Schwarz hat ihm vor einiger Zeit von sich aus den Handy-Kontakt zukommen lassen: «Auf meine Nachrichten und Anrufe hat er dann aber nicht mehr reagiert. Aber das ist auch nicht schlimm.» Die persönliche Agenda ist auch ohne GC-Mandat ausgefüllt: Seine fünf Kinder beanspruchen ihn, und in der Flughafenregion betreibt er zusammen mit anderen Investoren die 600 Quadratmeter grosse Indoor-Anlage «Casa Futbol».
Salatic traut dem FCZ mehrere Titel zu
Vernetzt ist Salatic im Fussball-Business nicht nur als Teilhaber einer Sporthalle, viele seiner früheren Weggefährten bestimmen in der Super League ausgerechnet beim ungeliebten Erzrivalen den Kurs mit: Einer von ihnen ist Milos Malenovic. Der ehemalige GC-Junior und Jugendfreund von Salatic kontrolliert beim FC Zürich den gesamten Sport-Apparat. In ihrer Teenagerzeit lernen sich die beiden während ihren gemeinsamen Tramfahrten kennen und schätzen. Der Zuger Salatic startet durch, Malenovic ist häufig verletzt und erobert die Agenten-Welt von Zürich-Wollishofen aus. «Er war ein Ausnahmetalent, das vom Körper gestoppt wurde», erinnert sich Salatic.
Während Jahren ist Malenovic weit mehr als nur der Berater von Salatic: «Er ist der Taufpate meiner Kinder. Wir pflegen unsere Freundschaft seit bald 25 Jahren.» Sein Einstieg beim FCZ sei für «alle überraschend» gewesen, die intensive Art und Weise, wie Malenovic seinen Job ausführt, hingegen wundere ihn nicht: «So tickt Milos. Er ist ein harter Arbeiter. Fussball ist seine grosse Leidenschaft.»
Auch einen zweiten charismatischen Macher in den FCZ-Reihen kennt Salatic aus eigener Erfahrung sehr gut: Trainer Ricardo Moniz. «Er war mein erster Techniktrainer. Ricardo ging allen unter die Haut. Er war schon damals sehr, sehr gut. Seine Leidenschaft werde ich nicht vergessen. Das ist unüblich, das sieht man nicht zweimal. Er verteilte Spitznamen, wenn einer jemandem glich – einen Kollegen taufte er Patrick Kluivert», lacht Salatic. «Diese holländische Schule prägte uns.»
Für ihn selber käme eine Mitarbeit im FCZ-Projekt nicht infrage: «Nie, nein. Ich bin ein GC-Bube. Aber ich respektiere ihre gute Arbeit. Sie haben etwas vor, sie wissen, was sie wollen. Ich traue ihnen bei guter Weiterentwicklung zu, in den nächsten Jahren ein paar Titel zu gewinnen.»