Derdiyok verdient im Monat 170'000 Fr.
«Ich habe kein Problem, dass man meinen Lohn kennt»

Ein Magazin druckte den Vertrag von Eren Derdiyok (24) ab. Hier sagt er, wie er damit klar kommt. Warum in Hoffenheim alles misslang. Wieso er wegen seiner Krise noch nicht heiratet.
Publiziert: 28.04.2013 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 21:14 Uhr
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Eren Derdiyok.
Foto: Valeriano Di Domenico/freshfocus
Von Andreas Böni

SonntagsBlick: Hallo Eren, wie gehts Ihnen?
Eren Derdiyok:
Privat ganz gut. Ich stehe hier gerade auf dem Balkon und werde gleich Poulet grillieren. Dazu ein wenig Salat. Alles ganz gesund, wie es als Profi sein muss.

Sie haben ein Seuchenjahr hinter sich. Gerade laborieren Sie an einem Leistenbruch.
Ich mache bald ein Aufbauprogramm. Mein Ziel ist es, in den letzten beiden Spielen von Hoffenheim dabei zu sein und mitzuhelfen, den Abstieg zu verhindern.

Vor einem Jahr zahlte Hoffenheim sieben Millionen Franken für Sie. Es gelang Ihnen praktisch nichts. Was lief schief?
Ich blieb vieles schuldig. Und der Mannschaft lief es nicht. Ob ich spielte oder nicht: Es gelang einfach nichts. Man sah, dass irgendetwas in dieser Truppe nicht stimmt.

Sie persönlich kamen auch an die Kasse. Wie war Ihr Gefühl, als an einem Mittwochmorgen plötzlich in «Sport Bild» Ihr kompletter Vertrag abgedruckt war?
Mein Bruder rief mich an und erzählte es mir. Es war schon ein Schock. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie das kam.

Haben Sie ein Problem damit, dass die ganze Schweiz weiss: Derdiyok verdient 170 000 Franken im Monat.
Nein, überhaupt nicht. Klar ist das im Verhältnis viel Geld. Aber es gibt sehr viele Fuss­baller, die deutlich mehr verdienen und sich das dann auch irgendwo erarbeitet haben. Das gilt auch für mich.

Erklären Sie das bitte genauer.
Ich habe eine Lehre als Elektromonteur gemacht, habe normal acht Stunden gearbeitet und daneben für den Fussball geackert wie ein Irrer. Ich weiss, wie hart ein Job auf dem Bau ist. Ich machte alles, damit ich es schaffe.

Was arbeitete Ihr Vater?
Er war Drucker und arbeitete hart. Irgendwann konnte er gesundheitlich nicht mehr, hatte drei Bandscheiben-Operationen. Obwohl wir finanziell nicht super dastanden: Meine Eltern haben mich auf Händen getragen. Das habe ich ihnen nie vergessen. Darum ist es sehr schön, dass ich nun ihnen helfen kann.

Wie machen Sie das konkret?
Ich habe im Kanton Baselland ein Haus für Sie gebaut. Wenn ich in der Schweiz bin, wohne ich auch da. Ihnen ist aber im Grundsatz nur wichtig, dass ich gesund bin. Aber eben: Es ist egal, ob du mehr oder weniger verdienst. Wenn du im Beruf keinen Erfolg hast, hast du keinen Spass im Leben. Das merkt sogar meine Freundin.

Sie sind mit Kardelen verlobt. Wann heiraten Sie denn?
Wenns mir im Fussball wieder besser läuft. Es ist schwierig, auch noch an eine Hochzeit zu denken, wenn du beruflich ein derartiges Tief hast.

Nach Ihrem Wechsel zur TSG Hoffenheim wurden Sie früh kritisiert. In der Vorbereitung sagte Trainer Nummer 1, Markus Babbel, Sie hätten ein paar Kilo zu viel auf den Rippen.
Drei Wochen vorher schoss ich beim Länderspiel gegen Deutschland drei Tore. Kurz darauf soll ich nicht fit sein? Nein, diese Aus­sage habe ich ganz und gar nicht verstanden. Ausserdem: Wenn er mich nicht für fit hält, hätte er mich doch anfangs Saison auf die Bank setzen können – aber er liess mich spielen. Aber lassen wir das.

Dann kam mit Marco Kurz Trainer Nummer 2.
Wissen Sie, viele Dinge sind in Hoffenheim in dieser Saison passiert. Ich war beim ersten Spiel unter Marco Kurz in der Startelf, dann kamen neue Spieler und der Rest ist bekannt.

Warum ist das so?
Ich weiss es nicht. Vielleicht setze ich mich zu sehr unter Druck. Es war schon bei Leverkusen unter Robin Dutt so. Ich verdrängte damals Stefan Kiessling, spielte von Anfang an. Kurz darauf war ich von einem auf den anderen Moment sechs, sieben Spiele draussen, ohne Begründung. Ich konnte als junger Spieler damit nicht umgehen. Die Rückendeckung in Deutschland hatte ich nur in Leverkusen von Jupp Heynckes. Auch wenn ich zwei Mal nicht spielte, spürte ich immer sein Vertrauen.

Haben Sie sich manchmal gefragt: Warum habe ich Leverkusen bloss verlassen?
Natürlich gehen einem solche Gedanken durch den Kopf, wenn es schlecht läuft. Aber  ich bin voller Überzeugung zu Hoffenheim gewechselt, mein Bauchgefühl stimmte.

Sie machten nur einen Treffer in der ganzen Saison. Wie viele Tore hatten Sie sich vorgenommen?
Um die 15 Tore. Das war mein Anspruch an mich.

Falls Hoffenheim absteigt: Können Sie den Klub ablösefrei verlassen?
Nein. Mein Vertrag gilt für beide Ligen.

Aber in der 2. Bundesliga wollen Sie kaum spielen, oder? Nicht anzunehmen, dass Ottmar Hitzfeld Sie dann 2014 trotzdem mit zur WM nimmt.
Erst will ich fit werden, um am 8. Juni gegen Zypern wieder meinen Stammplatz in der Nati zurückzuerobern. Es ist mein Anspruch, von Anfang an zu spielen.

Sie lobten Haris Seferovic explizit, obwohl er statt Ihnen spielte.
Klar, ich bin kein ganz junger Spieler mehr. Es ist meine Pflicht, Neulingen wie Haris zu helfen. Als ich mein erstes Spiel im Wembley machte und immer Ersatz war, schätzte ich es auch sehr, dass Spieler wie Alex Frei, Marco Streller und Blaise Nkufo sich um mich kümmerten.

Können Sie sich vorstellen, im Sommer zum FC Basel zu wechseln?
Ich mache mir im Moment überhaupt keine Gedanken. Ich will erst in Hoffenheim noch eine Rolle spielen, den Klassenerhalt schaffen. Dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.

Die Ablösesumme von über 22 Millionen Franken, die in Ihrem Vertrag steht, wird in diesem Sommer kaum jemand bezahlen.
(lacht) Ich glaube weniger. Aber an dieser Zahl sieht man, was wir uns in Hoffenheim vorgenommen haben.

Jetzt haben wir nur über Negatives gesprochen. Was war denn schön in Ihrem Leben seit Sommer 2012?
Dass mein Mannschaftskollege Boris Vukcevic den schweren Auto-Unfall überlebt hat und es ihm besser geht. Er lag ja lange im Koma. Ein solcher Schock – das relativiert vieles im Leben.

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