Florenz präsentiert sich fussballerisch gerade wie ein Trümmerhaufen. Ein Taxifahrer fasst die aktuelle Lage der Fiorentina bestens zusammen: «Wir denken immer, wir sind die Grössten. Jetzt haben wir die Quittung dafür. Abstiegskampf statt Champions League.»
Nach 15 Serie-A-Spielen hat die Fiorentina noch kein einziges Spiel gewonnen und ist abgeschlagen Letzter. Dabei ist das Selbstverständnis der Violetten ganz anders, man sieht sich als erster Verfolger der Top-Klubs. Nun aber weisen Statistiker bereits darauf hin, dass seit Einführung der Drei-Punkte-Regel noch nie ein Team den Klassenerhalt geschafft hat, das derart schlecht in eine Spielzeit gestartet ist. Dabei wollte der Klub nach einem 89 Millionen teuren Transfersommer (inkl. Transfer von Simon Sohm für 16 Mio. Euro) oben angreifen. Und nächstes Jahr erlebt die Fiorentina den 100. Geburtstag. Nun steht die Party arg auf der Kippe. Feierlaune hat hier niemand.
Der Taxifahrer fährt den Blick-Reporter von der Zugstation Santa Maria Novella ins hochmoderne Trainingszentrum mit dem schönen Namen Viola Park. Für 120 Millionen Euro liess ihn der US-amerikanische Investor Rocco Commisso erbauen. Hier empfängt uns Robin Gosens (31). Der Deutsche kämpft seit Wochen mit einer schweren Muskelverletzung. Die Hoffnung, dass er diese Woche mit dem Team für das Conference-League-Spiel nach Lausanne reist, ist geplatzt. Seine Rückkehr auf den Platz ist verschoben.
Blick: Robin Gosens, was verbindet Sie mit der Schweiz?
Robin Gosens: Ich habe zwei sehr gute Freunde aus der Schweiz. Remo Freuler, der seit gefühlt hundert Jahren in der Nationalmannschaft Meter frisst. Und Nicolas Haas, der in Empoli kickt. Mit ihm habe ich Psychologie studiert. Beide habe ich während meiner Zeit in Bergamo kennengelernt. Seither sind wir sehr eng miteinander befreundet.
Welche Erinnerungen haben Sie an Urs Fischer – Ihren Trainer bei Union Berlin?
Seine Entlassung war einer der schwersten Momente meiner Karriere. Ich fühlte mich als Rekordtransfer des Klubs mitverantwortlich. Wir arbeiteten zwar nicht lange zusammen, aber er wollte mich unbedingt bei Union haben und hat mir bei meinem Wechsel von Inter ein unglaublich gutes Gefühl gegeben. Ein ehrlicher, akribischer Trainer, der bei Union ein anderes Ende verdient hätte.
Standen Sie seither wieder in Kontakt mit ihm?
Wir haben danach noch ein-, zweimal telefoniert. Inzwischen aber schon seit längerer Zeit nicht mehr.
Die aktuelle Situation der Fiorentina weist beängstigende Parallelen mit jener Zeit bei Union Berlin auf.
Es ist tatsächlich ähnlich. Man startet mit Ambitionen, verstärkt die Mannschaft und verkündet, dass man den nächsten Schritt machen will. Doch dann rutscht man in einen Teufelskreis. Aus dieser Situation rauszukommen, ist extrem schwer. Wir müssen jetzt alles dafür tun, um den Turnaround zu schaffen und die Klasse zu halten.
Wie geht man das an?
Es braucht viele Gespräche. Der schwierigste Teil ist der mentale Switch: persönliche Ziele hintanzustellen und vom ‹Ich will zur WM, ich will glänzen› hin zum ‹Wir müssen, als Team dreckige Punkte holen› zu wechseln. Statt um schönen Fussball geht es darum, zu grätschen, Bälle auf die Tribüne zu hauen und gemeinsam aus dem Tabellenkeller zu kommen. Das ist nicht einfach, aber notwendig.
Nun geht es am Donnerstag in der Conference League gegen Lausanne. Sehen wir in diesem Wettbewerb ein anderes Gesicht?
Die internationalen Spiele waren bis auf jenes gegen AEK Athen bisher ein gutes Ventil für uns. Dort treten wir unbefangener auf und können Selbstvertrauen zurückholen – etwas, das uns aktuell fehlt. Deshalb ist dieser Wettbewerb für uns gerade enorm wichtig.
Ihr habt einen Trainerwechsel schon hinter euch. Was hat unter Stefano Pioli nicht funktioniert?
Wenn ein Trainer gehen muss, ist das in erster Linie eine Niederlage der Mannschaft. Er hält den Kopf hin, trägt aber nicht allein die Verantwortung. Wir haben als Mannschaft zu selten das auf den Platz gebracht, was der Trainer wollte. Mit wachsender Unsicherheit wurde es für ihn immer schwerer, uns zu erreichen. Es war eine Verkettung vieler Faktoren – zu sagen, er habe nicht gepasst, greift zu kurz.
In die Kritik sind auch Sie geraten. Letztes Jahr sammelten Sie reihenweise Skorerpunkte, haben acht Treffer und zehn Assists verbucht. In diesem Jahr stehen Sie bei einem Tor. Was ist los?
Fussballerisch darf man mir gerade alles vorwerfen. Ich bin bisher nicht an mein Leistungsoptimum gekommen. Ich arbeite aber extrem hart, um der Mannschaft wie letztes Jahr zu helfen. Aber trotz der berechtigten Kritik, kann ich nicht alles nachvollziehen.
Was zum Beispiel?
Wenn mein Einsatz für Themen wie mentale Gesundheit oder mein Podcast als Erklärung für meine Leistungen auf dem Platz herangezogen wird, stösst mir das sauer auf. Es sind zwei völlig verschiedene Dinge. Mentale Gesundheit ist nicht nur wichtig, wenn wir gewinnen, und mein Engagement dafür kann nicht plötzlich als Kritikpunkt genutzt werden.
Robin Gosens ist längst nicht mehr nur ein linker Verteidiger. 2023 schloss er sein Bachelorstudium in Psychologie ab. Daraufhin machte er einen Teil seines Lebens öffentlich, den viele Fussballer verbergen: seine mentale Gesundheit. Er hat sich zum Ziel gesetzt, psychische Belastungen zu entstigmatisieren und Verletzlichkeit als Stärke zu nutzen. Das macht er unter anderem auch mit seinem Podcast «Wie gehts?».
Nehmen Sie die Kritik nach Hause?
Natürlich. Auch wenn ich mich nicht nur über den Fussballer Robin Gosens definiere. Das finde ich eine totale Stärke. Gleichzeitig möchte ich mir nicht einreden lassen, dass das jetzt meine Schwäche ist, weswegen ich gerade nicht performe. Und deswegen beschäftigt es mich, weil ich halt nach wie vor sehr davon überzeugt bin und sehr daran glaube, dass das ein sehr wichtiges Thema ist.
In einer Ihrer letzten Podcastfolgen sprechen Sie sehr offen über den Tag der Beerdigung Ihrer Grossmutter. Sie verfolgten diese vor dem Spiel gegen Inter im Hotelzimmer auf Ihrem Smartphone. Wie hart war das?
Das war unglaublich schwer. Ich wollte unbedingt dabei sein, um die Momente im Kopf zu haben. Meine Oma war ein sehr wichtiger Mensch in meinem Leben. Gleichzeitig wusste ich, dass es mir in diesem Moment nicht guttut, weil ein Spiel anstand. Dieser innere Konflikt war extrem – eine richtige emotionale Achterbahnfahrt. Fussball ist in solchen Momenten brutal, weil man auf dem Platz nur nach Leistung bewertet wird, egal, was im Kopf los ist. Niemand sieht, versteht oder interessiert es, was in einem vorgeht.
Wusste der Trainer davon?
Nein. Stefano Pioli ist zwar sehr empathisch und hätte es mir sofort erlaubt, nach Hause zu reisen, um bei der Familie zu sein. Ich habe ihm aber nicht erzählt, dass ich die Beerdigung quasi live verfolgt habe. Es war etwas sehr Persönliches, das ich für mich behalten habe.
Sie haben sich ausgerechnet in jenem Spiel gegen Inter die Muskelverletzung zugezogen, die Sie bis heute belastet. War das Zufall?
Die emotionalen Umstände waren sicher nicht der Grund für meine Verletzung. Aber man kann sie auch nicht völlig ausblenden. An diesem Tag war unglaublich viel los in meinem Kopf.
Robin Gosens ist am 5. Juli 1994 in Emmerich am Rhein (De) geboren. Seine Laufbahn entspricht keiner Bilderbuchkarriere. Lange lief er unter dem Radar. Bis ihn im Alter von 23 ein Anruf aus Italien erreichte. Bei Atalanta gelang ihm der definitive Durchbruch. Im Alter von 26 debütierte er für Deutschland. 2023 wechselte er von Inter zu Union Berlin und spielte erstmals in der Bundesliga. Nach nur einer Saison kehrte er aber in seine Wahlheimat Italien zurück und heuerte bei der Fiorentina an. Gosens ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Robin Gosens ist am 5. Juli 1994 in Emmerich am Rhein (De) geboren. Seine Laufbahn entspricht keiner Bilderbuchkarriere. Lange lief er unter dem Radar. Bis ihn im Alter von 23 ein Anruf aus Italien erreichte. Bei Atalanta gelang ihm der definitive Durchbruch. Im Alter von 26 debütierte er für Deutschland. 2023 wechselte er von Inter zu Union Berlin und spielte erstmals in der Bundesliga. Nach nur einer Saison kehrte er aber in seine Wahlheimat Italien zurück und heuerte bei der Fiorentina an. Gosens ist verheiratet und hat zwei Kinder.
In derselben Podcastfolge wird bekannt, dass sich Ihr Co-Moderator Nils Straatmann zurückzieht. Wie erleben Sie nun die Rolle als alleiniger Podcast-Gastgeber?
Jetzt lerne ich gerade, selbst zum Fragensteller zu werden (lacht). Bisher funktioniert das ganz gut. Ich habe immer tolle Gäste, mit denen sich wertvolle Gespräche ergeben. Es bereitet mir riesigen Spass.
Neben dem Podcast engagieren Sie sich noch in vielen anderen Bereichen mit Herzblut. Sie produzieren Wein, besitzen einen Kaffee-Brand und haben eine eigene Stiftung für Kinder. Warum ist Ihnen das alles neben dem Fussballerleben so wichtig?
All meine Projekte geben mir Perspektiven über den Sport hinaus. Es geht nicht darum, dass mir Fussball egal ist – im Gegenteil, ich liebe diesen Sport –, aber ich will vorbereitet sein auf das Leben danach. Ich möchte nicht in die Situation kommen, nach der Karriere plötzlich nur noch der Ex-Fussballer Gosens zu sein und nicht zu wissen, wie es weitergeht.
Haben Sie schon Pläne für nach dem Karriereende?
Noch nicht im Detail. Ich merke aber, dass Psychologie mittlerweile meine zweite Passion ist. Ich könnte mir vorstellen, ein kleines Studio zu eröffnen, Workshops in Nachwuchsleistungszentren zu geben oder Sportler zu begleiten, die unter Druck oder Ängsten leiden. Mein Ziel ist, mentale Gesundheit normal und zugänglich zu machen, sodass junge Spieler früh lernen, sich zu öffnen und Resilienz zu entwickeln.
Inwiefern helfen Ihnen diese Perspektiven für Ihre jetzige Karriere?
Dass ich ausserhalb des Fussballs etwas aufbaue, gibt mir auf dem Grün eine unglaubliche innere Ruhe. Ich bin vollkommen unabhängig vom Fussball, kann ihn mit voller Leidenschaft leben, aber ich hänge nicht davon ab. Ich weiss, dass – egal wie lange meine Karriere noch geht – noch viele spannende Möglichkeiten auf mich warten. Diese Perspektive macht es leichter, mich voll auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und gleichzeitig auch das Beste aus meiner Zeit auf dem Platz herauszuholen.
Sie haben einen Grossteil Ihrer Karriere in Italien verbracht. Inwiefern hat Sie das Land als Mensch geprägt?
Italien hat mich gelehrt, offener und lebensfroher zu sein. Ich habe gelernt, jedem Tag die Chance zu geben, besonders zu werden, und das Leben mehr zu geniessen – eine Leichtigkeit, die ich vorher so nicht in mir hatte und die mich auch als Mensch geprägt hat.
Vor einem Jahr sagte Uli Hoeness an einem Wirtschaftsforum in Zürich, dass die Fussballer früher glücklicher waren. Teilen Sie diese Einschätzung?
Womit hat er das erklärt?
Mit einem simplen Besuch am Oktoberfest. Heute müsse man als Fussballer alle Selfiewünsche erfüllen, stehe stets unter Beobachtung und müsse immer und in alle Kameras lächeln. Ansonsten riskiere man, als hochnäsig abgestempelt zu werden.
Die Privatsphäre ist für uns Fussballer ein grosses Thema. Gerade für junge Spieler ist es extrem schwierig, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Wenn man von klein auf keine Fehler machen darf, leidet die persönliche Entwicklung. Man wächst nur, wenn man ausprobieren und scheitern kann – sonst stagniert man. Das ist für mich das Schlimmste an dieser intensiven Beobachtung.
Wie gehen Sie persönlich mit dieser ständigen Beobachtung um?
Ich habe gelernt, das als Teil meiner Arbeit zu akzeptieren. Auch wenn sich dieses 24/7-Beobachtetwerden in den letzten Jahren enorm verstärkt hat. Persönlich bräuchte ich das aber gar nicht – wenn alles wieder so wäre wie damals, wäre das für mich absolut in Ordnung.
Sie waren nie in einem Nachwuchsleistungszentrum. Erst mit Mitte 20 starteten Sie sportlich richtig durch. Sie schafften es trotzdem bis zum Nationalspieler und mit Inter in einen Champions-League-Final. Sind Sie stolz auf Ihre Karriere?
Wahrscheinlich zu wenig. Ich bin sehr getrieben, was mich manchmal belastet, und ich habe es lange nicht geschafft, Erfolge wirklich zu geniessen. Mit zunehmendem Alter gelingt es mir besser. Dieses Getriebensein hat mir vieles ermöglicht, aber es nimmt mir auch den inneren Stolz, den ich vielleicht haben sollte. Ich glaube, das volle Gefühl kommt erst nach der Karriere, wenn ich zurückblicke und alles in einen grösseren Kontext setzen kann.
Das Einzige, was Ihnen noch fehlt, ist die Teilnahme an einer Weltmeisterschaft. Wie sieht es aus für 2026?
Dieses Ziel ist selbstverständlich da. Auf persönlicher Ebene wäre es das Grösste für mich. Solange der Trainer mir nicht signalisiert, dass ich keine Rolle mehr spiele, bleibt der Traum von der WM für mich lebendig. Jetzt geht es aber gerade erst mal darum, die Situation bei meinem Klub zu verbessern.
Standen Sie zuletzt mit Bundestrainer Julian Nagelsmann in Kontakt?
Im Sommer haben wir uns letztmals gesprochen. Das ist für mich aber auch fein. Ich bin kein Spieler, der jeden Tag einen Austausch braucht. Ich weiss, dass ich Gas geben muss, und werde alles tun, um dabei zu sein. Meine Nationalmannschaftskarriere war immer ein Auf und Ab. Deshalb weiss ich, wie man sich zurückkämpft.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
|---|---|---|---|---|---|
1 | RC Strasbourg Alsace | 5 | 4 | 13 | |
2 | FC Shakhtar Donetsk | 5 | 5 | 12 | |
3 | RKS Rakow Czestochowa | 5 | 6 | 11 | |
4 | AEK Athen | 5 | 6 | 10 | |
5 | Samsunspor | 5 | 6 | 10 | |
6 | Sparta Prag | 5 | 4 | 10 | |
7 | Rayo Vallecano | 5 | 3 | 10 | |
8 | FSV Mainz | 5 | 2 | 10 | |
9 | Crystal Palace | 5 | 5 | 9 | |
10 | AEK Larnaca | 5 | 5 | 9 | |
11 | AC Florenz | 5 | 4 | 9 | |
12 | NK Celje | 5 | 1 | 9 | |
13 | AZ Alkmaar | 5 | 0 | 9 | |
14 | HNK Rijeka | 5 | 3 | 8 | |
15 | AC Omonia Nicosia | 5 | 2 | 8 | |
16 | FC Lausanne-Sport | 5 | 2 | 8 | |
17 | FC Noah | 5 | 1 | 8 | |
18 | Jagiellonia Bialystok | 5 | 1 | 8 | |
19 | KF Drita | 5 | -1 | 8 | |
20 | KKS Lech Posen | 5 | 3 | 7 | |
21 | FK Shkendija | 5 | 0 | 7 | |
22 | SK Sigma Olomouc | 5 | -1 | 7 | |
23 | CS Universitatea Craiova 1948 | 5 | -1 | 7 | |
24 | Lincoln Red Imps FC | 5 | -5 | 7 | |
25 | Kuopion Palloseura | 5 | 1 | 6 | |
26 | HSK Zrinjski Mostar | 5 | -2 | 6 | |
27 | Breidablik Kopavogur | 5 | -3 | 5 | |
28 | FC Dynamo Kyiv | 5 | -2 | 3 | |
29 | BK Häcken | 5 | -2 | 3 | |
30 | Legia Warschau | 5 | -3 | 3 | |
31 | SK Slovan Bratislava | 5 | -5 | 3 | |
32 | Hamrun Spartans FC | 5 | -5 | 3 | |
33 | Aberdeen FC | 5 | -8 | 2 | |
34 | Shelbourne FC | 5 | -7 | 1 | |
35 | Shamrock Rovers | 5 | -8 | 1 | |
36 | SK Rapid Wien | 5 | -11 | 0 |

