Herr Sauber, wenn ich Ihnen bei Ihrem Formel-1-Einstieg 1993 gesagt hätte, dass das Team dereinst seinen 600. GP feiern wird, was hätten Sie mir geantwortet?
Peter Sauber: Ich hätte Ihnen gesagt, dass ich kein Träumer, sondern ein Realist bin. Deshalb wäre ich wohl schon froh gewesen, wenn wir die 100 GP vollkriegen, was damals etwa sechs Formel-1-Saisons entsprach.
Sind Sie stolz darauf, dass es das Team 2025 noch immer gibt?
Das Wort stolz mag ich nicht besonders, Dankbarkeit trifft es eher. Dass das Team in Hinwil noch immer existiert, ist für mich persönlich sehr, sehr wichtig.
Warum?
Es ging mir nie um mich und all die Entbehrungen, die ich vor allem in der Anfangszeit in Kauf nehmen musste. Damals gab es Zeiten, in denen ich Tag und Nacht gearbeitet habe. Mir geht es um all die Mitarbeiter, die immer mitgezogen haben und die das Team zu etwas Besonderem gemacht haben.
Der 81-jährige Zürcher ist der Schweizer Motorsport-Pionier. Rennfahrer, Konstrukteur, Teamchef – Peter Sauber war vieles. 1993 stieg er mit seinem Team in die Formel 1 ein. 2024 wurde bekannt, dass Audi den Rennstall übernehmen wird. 2005 wurde Peter Sauber zum Schweizer des Jahres gekürt. Er ist seit 1965 mit Christiane verheiratet. Das Paar hat zwei Söhne und vier Enkelkinder.
Der 81-jährige Zürcher ist der Schweizer Motorsport-Pionier. Rennfahrer, Konstrukteur, Teamchef – Peter Sauber war vieles. 1993 stieg er mit seinem Team in die Formel 1 ein. 2024 wurde bekannt, dass Audi den Rennstall übernehmen wird. 2005 wurde Peter Sauber zum Schweizer des Jahres gekürt. Er ist seit 1965 mit Christiane verheiratet. Das Paar hat zwei Söhne und vier Enkelkinder.
2006 übernahm BMW Ihr Team. Doch Ende 2009 zogen sich die Münchner überraschend wieder zurück, und Sie kauften das Team. Auch wegen der Mitarbeiter?
Ja, das war so. Hätte ich das damals nicht gemacht, wäre der Laden dichtgemacht worden, alle Mitarbeiter hätten ihren Job verloren, und es hätte wohl nie mehr ein Schweizer Formel-1-Team gegeben.
Aus finanzieller Sicht wohl eine falsche Entscheidung, oder?
Lassen Sie es mich so formulieren: Bevor ich das Team zurückgekauft hatte, besass ich ein schönes Vermögen. Das war nach dem Rückkauf weitestgehend weg. Trotzdem bin ich heute noch sehr dankbar darüber, dass ich damals diesen unvernünftigen Entscheid gefällt habe und so all die Arbeitsplätze nachhaltig retten konnte.
Heute gehört Ihnen in Hinwil nicht mal mehr ein Schraubenschlüssel, wie Sie einst erzählt haben. Wann waren Sie eigentlich das letzte Mal dort?
Das war letzte Woche, als ich zu einem Thema um Rat gefragt wurde. Im Schnitt bin ich aber vielleicht noch dreimal im Jahr in der Fabrik.
Und besitzen Sie noch einen Badge?
Nein, ich bin nur dort, wenn ich um Rat gefragt werde, und laufe nicht einfach rein.
Ihren 80. Geburtstag im Oktober 2023 sollen Sie aber ebenfalls in Hinwil gefeiert haben.
Das stimmt, den habe ich im Windkanal-Gebäude gefeiert. Es war aber meine private Feier, die ich auch selbst bezahlt habe.
Wenn Sie auf die bisherigen 599 Sauber-GP zurückblicken: Was war das Highlight?
Da muss ich kurz etwas ausholen. Mein grösstes Highlight im Motorsport war vor unserer Formel-1-Zeit, das war unser Doppelsieg in Le Mans 1989. Dass wir damals mit dieser kleinen Mannschaft aus Hinwil bei diesem geschichtsträchtigen Motorsportrennen triumphieren konnten, war einmalig.
Und in der Formel 1?
Da fallen mir zwei Ereignisse ein. Das erste war unsere Premiere in Kyalami 1993, als JJ Lehto im Qualifying gleich auf Platz 6 fuhr. Die Namen vor uns lesen sich noch heute wie das Who is who: 1. Prost, 2. Senna, 3. Schumacher, 4. Hill, 5. Alesi. Und dann kam bereits unser Fahrer, noch vor dem zweiten Ferrari-Piloten. Eigentlich unglaublich.
Das zweite Ereignis?
Das war unser letzter Podestplatz von Kamui Kobayashi bei seinem Heim-GP 2012 in Japan. Bereits im Qualifying fuhr er auf den dritten Platz, den er dann im Rennen halten konnte. Die Zuschauer sind damals ausgeflippt und haben ihn noch Stunden nach dem Rennen gefeiert. Das war so herzig.
Als Robert Kubica 2008 im BMW-Sauber triumphierte und dadurch den einzigen Formel-1-Sieg des Teams feiern konnte, waren Sie nicht live vor Ort. Fuchst Sie das heute noch?
Nein, damals war vertraglich geregelt, dass ich nur noch an zehn Rennen pro Jahr an der Rennstrecke sein werde, deshalb fehlte ich in Kanada. Die Freude war natürlich trotzdem riesig, auch wenn ich nur vor dem Fernseher gesessen hatte.
Was war der Tiefpunkt?
Das war ganz klar Karl Wendlingers Crash 1994 in Monaco. Wir hatten mehr als nur ein typisches Fahrer-Teamchef-Verhältnis. Kurz nach dem Unfall wussten wir eine Zeit lang nicht, wie schlimm es ist. Und als wir dann irgendwann realisierten, wie dramatisch es ist, war das natürlich besorgniserregend. Er erlitt damals ja ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, und man versetzte ihn in ein künstliches Koma. Ich war während Tagen bei ihm im Spital. Das war eine schwere Zeit.
In den letzten Jahren liessen die Resultate von Sauber zu wünschen übrig. Wie sehr leiden Sie mit?
Natürlich leide ich mit, ich bin mittlerweile aber schon ein bisschen resistenter geworden. Das war auch nötig, sonst würde es mir ans «Läbige» gehen, da ich mich noch immer sehr stark mit dem Team identifiziere.
Wie oft sind Sie noch an einem GP vor Ort?
Im Normalfall dreimal pro Jahr: in Barcelona, Monza und Abu Dhabi.
Und sonst? Wie muss man sich den TV-Konsumenten Peter Sauber vorstellen?
Ich schaue mir jedes Rennen an. In der Mitte ist der grosse Fernseher, auf dem SRF läuft. Hinzu kommen zwei iPads. Auf dem einen habe ich Sky drauf mit englischem Ton, auf dem ich jeden Fahrer einzeln antippen kann und ich dann die Onboard-Kamera zu sehen bekomme. Da sitzt du quasi live im Cockpit mit drin. Auf dem zweiten iPad habe ich all die Zeiten und Statistiken drauf.
Sind Sie beim Zuschauen mehr Fan oder Analytiker?
Ganz klar Analytiker. Anhand der Zeiten und Daten erkenne ich, welche Autos welche Schwächen haben. Wer hat Mühe mit dem Topspeed? Wer verliert in den Kurven Zeit? All das sehe und analysiere ich.
Seit 2024 hat Audi bei Sauber das Sagen. Ab 2026 liefern die Deutschen auch die Motoren. Wird dann der Name Sauber endgültig aus der Formel 1 verschwinden?
Das weiss ich ehrlich gesagt gar nicht, und das ist auch einzig und allein die Entscheidung von Audi.
Damit würde aber eine Ära zu Ende gehen. Seit Ihrem Einstieg in den Motorsport 1970 wurden auch all Ihre Autos mit einem C versehen, zu Ehren Ihrer Frau Christiane.
Diese Legende ist nur ein Teil der Wahrheit. Ich benannte meine Autos nicht nur aus der Verbundenheit zu meiner Frau so. Das A für Renault Alpine und das B für Brabham waren schon weg. Da fand ich das mit dem C für Christiane eine charmante Lösung. Aber soll ich Ihnen noch etwas verraten?
Gerne.
Schon in den vier BMW-Jahren war das C offiziell verschwunden, doch auf den Teilen, die wir in Hinwil anfertigten, stand überall noch das C mit dem jeweiligen Jahrgang als Kennzeichnung drauf. Ich glaube ehrlich gesagt gar nicht, dass das BMW damals mitbekommen hat. Es ist nun aber gut möglich, dass mit dem diesjährigen C45 diese Ära wirklich zu Ende gehen wird.
Sie sind mittlerweile 81 Jahre alt. Wie sieht Ihr Leben heute aus?
Als Rentner hat man tatsächlich fast nie Zeit und immer etwas um die Ohren. So ist es auch bei mir.