Ex-Hockey-Profi Dino Kessler packt aus
Ein Grund zum Trinken findet sich immer

Alkohol trinken und auf dem Spielfeld Glanzleistungen erbringen. Ein Einblick in die Sportwelt.
Publiziert: 26.11.2019 um 22:53 Uhr
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Der Kanadier Bill McDougall spielte meist top, obwohl er gerne trank.
Foto: Blicksport
Dino Kessler

Wie oft sind Leistungssportler zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch mit Restalkohol im Blut zum Training gefahren? Oft. Besonders im Mannschaftssport hat die wöchentliche Teamsause mit kollektivem Absturz einen festen Platz im Kalender. Die Standardvariante ist der Teamabend mit Bier und Pizza, im späteren Verlauf werden gerne auch Tabakerzeugnisse (erst Zigaretten, jetzt meist Kautabak) gereicht. Wie im normalen Leben.

Die Warnungen der Teamärzte bezüglich exzessiven Alkoholkonsums werden auch mangels verfügbarer Alternativen fast immer in den Wind geschlagen. Das physische und mentale Runterfahren auf der Basis von Tetrahydrocannabinol beispielsweise ist für Profisportler bis heute (aus rein politischen Gründen) ausgeschlossen, weil die Dopingagentur sonst gar keinen mehr erwischen würde. Es klingt fast wie ein Witz: Ein Joint nach dem Spiel ist für Sportler verboten, eine Flasche hochprozentiger Fusel nicht. Go figure.

Ein Grund zum Trinken findet sich immer

Ein Vollrausch kann eine Woche Intensivtraining zunichtemachen – na und? Das Bier nach dem Training (wobei das Bier nie für nur ein Bier steht) fördert das Gruppengefühl, die durchzechte Nacht nach dem Spiel ist entweder ein Ausdruck der Entspannung oder dient als Ventil für den (kollektiven) Frust-Abbau. Ein Grund zum Trinken findet sich immer.

Ruchbar werden solche Eskapaden erst, seit Smartphones und soziale Netzwerke die öffentliche Wahrnehmung bestimmen. Auf Tischen tanzende Profisportler mit Kippe im Mundwinkel gab es früher jede Woche irgendwo in einer Bar zu sehen, nur lagen damals keine Beweise in Form von Schnappschüssen oder Filmchen vor.

Der Alkoholkonsum und seine Folgen wurden damals auch weniger stigmatisiert als heute, der frühere EVZ-Profi Bill McDougall (53) beispielsweise erhielt seinen Spitznamen «Whisky-Bill», weil er während der Playoffs nach einer durchzechten Nacht auf dem Polizeiposten landete. McDougall erfüllte danach einfach das Klischee des trinkfreudigen, wilden Kanadiers, aber kritische Fragen wurden nicht gestellt. Vielleicht auch darum, weil McDougalls sportliche Leistungen nie Anlass zur Kritik gaben.

Das Ende der alkoholbefeuerten Eskapaden

Die tiefste Zäsur in der Beziehung zwischen Alkohol und Profisport schafft dann aber wohl der Sport selbst. Professionalisierung und Konkurrenzkampf haben das Bewusstsein der Spieler für ihren Körper geschärft, moderne Trainingswissenschaft und Ernährungspläne kennen ausserdem keinen Spielraum mehr für regelmässige alkoholbefeuerte Eskapaden.

Also wird im Sport nicht mehr gesoffen? Dann könnten Brauereien, Destillerien und Weingüter wohl dichtmachen. Öffentliche Auftritte von Mannschaften laufen heute in der Regel skandalfrei ab, ans Glas geht man aber trotzdem, einfach gepflegt, und wenn es nicht gerade Titel zu feiern gibt, mehrheitlich hinter verschlossenen Türen. Getrunken werden heute in der Regel eher ein paar Flaschen Wein als zweiundzwanzig Büchsen Bier. Kein Trainer der Welt muss heute noch als Sittenwächter durch die Nacht ziehen und in den Bars die betrunkenen Spieler einsammeln, diese Arbeit haben ihm die Smartphones mit ihren Kameras längst abgenommen. Das ist das normale Leben.

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