Kein Klub polarisierte in den letzten Jahren so sehr wie der HC Davos. Neben den grossen sportlichen Erfolgen säumten unfreundliche Personalabwerbungen (zuletzt diejenige von Forster bei den ZSC Lions), Konflikte mit dem Verband und gelegentliche Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz den Weg der Bündner.
Wichtiges Teil im Puzzle
Ein Mann verbreitete in dieser oft überhitzten Atmosphäre aber immer mehr Feuer als Rauch: Andres Ambühl, 25-jähriger Nationalstürmer, ist eines der wichtigsten Teilchen im gelbblauen Erfolgs-Puzzle.
Trotz bescheidener Statur (176 cm) scheut er keinen Zweikampf, leistet ein horrendes Laufpensum und ist im Schatten der Stars zum zweitbesten Skorer des Teams (nach Michel Riesen) avanciert. Schon an der vergangenen A-WM in Quebec hatte Ambühl bewiesen, dass er mehr als nur ein loyaler Teamspieler sein kann. Mit zwei Toren und drei Assists schloss er das Turnier mit der besten Punktebilanz aller Schweizer ab.
Keine lauten Töne
Trotzdem blieb es selbst in diesem Moment ruhig um den vielseitigen Stürmer. Ambühl führt dies auf sein Naturell zurück: «Ich bin kein Mann der lauten Töne. Manchmal ist es besser, man behält gewisse Sachen für sich. Hat man dann aber wirklich etwas zu sagen, erhalten die Worte automatisch mehr Gewicht.»
Ambühl , der in der Freizeit gelegentlich zum Golfschläger greift, seine Ambitionen in diesem Sport aber «nur mit ein bisschen Ballwegschlagen» beschreibt, lässt lieber Tate als Worte sprechen. Dies hatte er schon im Juniorenalter eindrücklich demonstriert. Mit einer geradezu unschweizerischen Konsequenz verzichtete er nach Beendigung der obligatorischen Schulzeit auf eine Berufslehre und setzte voll auf die Karte Eishockey. «Ich wollte schon als Bub Profi werden. Wäre es mir nicht gelungen, hätte ich mit 19 oder 20 Jahren noch immer eine Ausbildung beginnen können», sagt er.
Schwinger als Vater
Dass Ambühl sein Ziel ohne grössere Risiken verfolgen konnte, lag auch am familieninternen Support. Denn seine Eltern, die in Davos einen Bauernhof betreiben, brachten von Beginn weg grosses Verständnis für die Zukunftsabsichten ihres Sohnes auf und hielten ihm finanziell den Rücken frei. Zwar stammt Ambühl nicht aus einer «Eishockey-Familie», doch sein Vater gehörte in einem anderen Sport zu den Bösen. Als Schwinger gewann er zwei eidgenössische Kränze.
Hätte Ambühl die Gardemasse seines Vaters (185 cm), wäre er wohl auch den Scouts aus der NHL aufgefallen. So gehörte er in der Schweiz zwar stets zu den besten seines Jahrgangs und gewann 2001 mit der U18-Auswahl sensationell die WM-Silbermedaille, doch im Netz der nordamerikanischen Talentspäher fiel er durch die Maschen.
Keine Ausland-Klausel
Dennoch besitzt er in seinem Vertrag eine Ausstiegsklausel fürs Ausland. Ist das ein konkretes Thema? Ambühl : «Bis jetzt nicht. Aber vielleicht irgendwann in der Zukunft. Wer die WM in Quebec erlebt hat und wer weiss, was der Eishockeysport in Nordamerika für einen Stellenwert besitzt, träumt natürlich von diesem Karrieresprung.»
Fürs Erste kommt die grosse Eishockeywelt aber bei Ambühl auf Besuch – wenn am Freitag der 82. Spengler Cup beginnt. Was bedeutet dieses Turnier für den einzigen echten Davoser im Team des Rekordmeisters? «Neben dem Playoff ist der Spengler Cup der Saisonhöhepunkt auf Klubebene. Es ist ein spezielles Gefühl, wenn das Stadion jeden Tag voll ist und man trotzdem ohne den ganz grossen Druck spielen kann.» Und wie schätzt er das sportliche Niveau ein? «Intensität und Tempo sind am Spengler Cup wesentlich höher als in der Meisterschaft. Vor allem die Spiele gegen die Russen und Kanadier sind jeweils grossartige Erfahrungen.»
Trotz der starken Konkurrenz rechnet sich Ambühl Chancen auf den Spengler-Cup-Sieg aus – es wäre bereits der fünfte in den letzten acht Jahren für das Heimteam. Weshalb lassen sich solche hohen Ansprüche nicht auch auf die Nationalmannschaft übertragen? Ambühl sieht den Grund in der fehlenden Leistungsdichte im Schweizer Klubeishockey: «Die mannschaftsinterne Konkurrenz ist an vielen Orten zu wenig gross. So geben sich viele Spieler schnell zufrieden.» Diese Analyse ist gleichsam schonungslos wie richtig. Doch auf Andres Ambühl trifft sie definitiv nicht zu.