Florence Schelling in der Trainer-Falle
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Ratlose SCB-Sportchefin:So versucht Florence Schelling die Krise zu erklären

SCB-Sportchefin unter Druck
Florence Schelling in der Trainer-Falle

11 Spiele, 8 Pleiten. Ratlosigkeit auf und neben dem Eis. Die SCB-Krise hat sich schon vor Monaten abgezeichnet.
Publiziert: 15.11.2020 um 15:05 Uhr
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Aktualisiert: 15.11.2020 um 20:17 Uhr
SCB-Sportchefin Florence Schelling: «Jetzt muss etwas passieren!»
Foto: Urs Lindt/freshfocus
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Angelo Rocchinotti

Der SCB steckt in der Krise, hat acht von elf Partien verloren. Am Willen fehlt es nicht. Vielmehr an einem Plan. Das Team erinnert an eine Schulklasse, die im Turnunterricht ein neues Spiel bestreitet. Alle machen brav mit. Doch keiner versteht das Spiel.

«Jetzt muss etwas passieren», sagte Sportchefin Florence Schelling zu BLICK, nachdem Bern am Freitag in Ambri eine 3:0-Führung vergeigt hatte. «Ja, jetzt muss etwas passieren», sagt dieselbe Sportchefin nach der fünften Pleite in Serie am Samstag gegen Langnau (1:2) zu MySports. «Niemand ist zufrieden. Jetzt muss wirklich etwas passieren.» Der Reporter hakt nach, will wissen, was denn passieren soll? «Gute Frage. Jetzt muss einfach etwas passieren», antwortet Schelling, als hoffe sie auf ein Wunder.

Seit nunmehr 221 Tagen ist die 31-Jährige im Amt. Sie war nicht die erste Wahl. Der Klub wollte seinen ehemaligen Captain Martin Plüss. Doch dieser schlug das Angebot aus, ist nun als Performance-Coach tätig. Schellings Engagement sorgte weltweit für Aufsehen. Dass in der NLB bei Grindelwald mit Christine Wellenreiter schon vor 30 Jahren eine Frau das Amt der Sportchefin bekleidete, wissen nur die wenigsten.

Zweifel am Trainer schon vor dem Saisonstart

Schelling, die nach ihrem Skiunfall noch immer zweimal pro Woche in Therapie muss, rennt von Interview-Termin zu Interview-Termin, ist in den ersten Monaten selten anwesend und kommuniziert mit Team und Trainer oft per Mail. Bis heute bleibt sie nicht nur für Agenten schwer erreichbar.

Die Mannschaft – sie ist noch immer gut genug, um in der vorderen Tabellenhälfte mitzuspielen – hat noch Schellings Vorgänger Alex Chatelain, Baumeister dreier Meistertitel, zusammengestellt. Spielertransfers konnte Schelling keine tätigen. Dass Bern mit bloss zwei ausländischen Stürmern agiert, ist der Corona-Krise geschuldet.

Für Trainer Don Nachbaur aber, den kaum einer kannte, hat sich die Sportchefin entschieden, nachdem sie mit dem Austro-Kanadier einen 60 Fragen umfassenden Katalog ausfüllte. Schelling brachte es sogar fertig, dass CEO Marc Lüthi, der stets betonte, nur Einjahresverträge abzuschliessen, Nachbaur mit einem Vertrag bis 2022 ausstattete.

Schon vor dem Saisonstart kommen Zweifel auf. Nachbaur weise nicht nur fachliche Defizite auf, heisst es. Seinen neuen Assistenten Alex Reinhard stellt er schon im ersten Training vor versammelter Mannschaft in den Senkel, entschuldigt sich hinterher beim Team. Bald äussert auch Schelling Bedenken, sagt einem Spieler, nächste Saison stünde ohnehin ein neuer Coach an der Bande.

Die Zusammenarbeit zwischen der Sportchefin und dem Coach hat längst Risse bekommen. Ein Spieler wird in die Swiss League geschickt. Das Management wolle ihn nicht, erklärt ihm der Coach. Der Trainer wolle ihn nicht, sagt die Sportchefin. Kontakt mit dem Spieler gab es bis heute keinen mehr, obwohl dieser noch immer beim SCB unter Vertrag steht.

Trainer und Sportchefin haben es verpasst, nach der miserablen letzten Saison wieder eine positive Energie zu erzeugen. Nachbaur sprach zuletzt von fehlendem Stolz, sorgte so für Irritation. Gleichzeitig liess er Starverteidiger Calle Andersson zweimal in Folge auf der Tribüne schmoren. Ohne Erfolg. «Ich werde nun mit Schelling besprechen, welcher Spieler am Dienstag überzählig sein wird», sagt er. Und ergänzt: «Es liegt nun an den Routiniers, aufzustehen.» Auf die Bemerkung, die Routiniers seien derzeit ja selbst nicht in Form, sagt Nachbaur: «Dann müssen halt die Jungen aufstehen.»

Kein Geld für Veränderungen

Auf dieses Hilflos-Duo ist Bern nun angewiesen. Eine Exit-Strategie fehlt. Lars Leuenberger, den man zum Cheftrainer hätte befördern können und den Klub aus dem Effeff kennt, sich aber auch mal traute, kritische Töne anzuschlagen, liess man nach Biel ziehen.

CEO Marc Lüthi sagt: «Wir haben schlicht kein Geld, um irgendetwas zu ändern. Die Mannschaft muss sich selbst helfen und sich endlich 60 Minuten ans System halten. Es liegt nicht am Trainer.»

Doch mit weiteren Niederlagen steigt die Gefahr, dass Sponsoren und die 10 500 Abobesitzer, die gegen 10 Millionen Franken einbezahlt haben, Ende Saison verärgert ihr Geld zurückverlangen.

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