Power-Frau in der Männerbastion

Die Walliserin Sophie Anthamatten erobert die Macho-Bastion Eishockey. Stammtorhüterin eines Erstligisten ist sie schon. Doch die 18-Jährige will mehr.
Publiziert: 18.12.2009 um 21:40 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2018 um 21:25 Uhr
Von Daniel Leu

«Das fängt ja gut an», schimpft ein Fan schon leicht frustriert. Nach wenigen Sekunden liegt sein Klub, der EHC Saastal, gegen den HC Villars bereits in Rückstand.

Es ist Dienstagabend im Sportzentrum Wichtel in Saas-Grund. 1. Liga, 9. Runde. Es schneit, es ist kalt, es ist ungemütlich. Für die Zuschauer, aber auch für die Walliser Spieler, die vom Anfangstempo des Gegners überrascht werden. 0:2, 0:3, 0:4! Nach vierzehn Minuten ist der Match schon vorentschieden.

Immer wieder schüttelt der Saastaler Goalie entnervt den Kopf. Ärgert sich über die eigenen Fehler, aber auch über die Abwehr, die ihn heute nicht genügend unterstützt. Auf einmal hört man ihn laut fluchen und schreien. Zu hören ist – eine Frauenstimme.

Und wer genau hinschaut, entdeckt einen blonden Haarzopf. Eine weibliche Stimme? Ein blonder Haarzopf? Tatsächlich, eine Frau. Ihr Name: Sophie Anthamatten.

Die 18-Jährige ist die erste Frau im Schweizer Männer-Eishockey, die sich in der 1. Liga einen Stammplatz erkämpft hat. Zieht Sophie Anthamatten ihren Helm aus, kommt eine junge Frau zum Vorschein. Blonde Haare, graublaue Augen, Nasenpiercing.

Dass eine Frau bei den Männern erfolgreich Eishockey spielt, ist für Aussenstehende ein ungewohntes, weil neues Bild. Für Anthamatten selbst das Normalste der Welt. Sie kennt es nicht anders. Als Vierjährige steht sie erstmals auf dem Eis. Mit fünf bekommt sie zu Weihnachten ihre erste Torhüter-Ausrüstung geschenkt.

Im Alter von zehn Jahren trainiert sie bereits mit dem 1.-Liga-Team. Heute steht sie einmal pro Woche mit der Visper NLB-Mannschaft im Training auf dem Eis. Und in der Frauen-Nationalmannschaft ist sie eine Kandidatin für die Olympischen Spiele von Vancouver 2010. Ihre Karriere gleicht bislang einem Märchen.

Zurück aufs Eisfeld. Zweites Drittel, EHC Saastal gegen HC Villars. Sophie Anthamatten und ihre Mannschaft erwischen einen schwarzen Abend. Pässe kommen nicht an, Paraden misslingen. Als die Torhüterin nach 29 Minuten ein haltbares Tor zum 2:6 kassiert, reagiert ihr Trainer und wechselt sie aus.

Enttäuscht verlässt sie das Spielfeld. Den Rest des Spiels steht sie ohne Helm an der Bande. Schaut ins Leere, zieht ein grimmiges Gesicht. Es ist der erste Rückschlag in Anthamattens Karriere als Nummer 1 eines Erstligisten.

Sie, die in dieser Saison bislang jedes Spiel über die volle Distanz gemacht und stets gute Kritiken erhalten hat, muss nun zuschauen, wie ein Jüngling in den restlichen dreissig Minuten kein Tor mehr zulässt.

Glücklich sieht Robert Anthamatten aber nicht aus. Er ist Sophies älterer Bruder und Verteidiger beim EHC Saastal. Es ist Mitternacht im Hause Anthamatten. Bei Saaser Wurst und Walliser Bergkäse erklärt er seiner Schwester frustriert, welche Tore sie heute Abend hätte verhindern müssen.

Sophie lässt die Vorwürfe nicht auf sich sitzen. Typische Streitereien unter Geschwistern. Erst als Mama Barbara einschreitet, kehrt Ruhe ein. Ein Blick in Sophies Zimmer zeigt, wie sehr sie für den Eishockeysport lebt. Überall hängen Goaliemasken und Stöcke. Eben erst hat sie sich eine neue Maske herstellen lassen.

Auf der einen Seite ist ein Löwe abgebildet, auf der anderen Seite eine spärlich bekleidete Frau, die aus dem Eis herausbricht. Die Symbole sollen für ihren Charakter und ihr Leben stehen, für Mut und Durchschlagskraft. Sophie Anthamatten – die starke Frau auf dem Eis, die weiss, was sie will und wie sie das erreichen kann.

Frau Anthamatten, der Eishockey-Sportgilt als Männerbastion schlechthin. Passen Sie als Frau in diese Macho-Welt?
Diese Frage stelle ich mir gar nicht. Dass ich bei den Männern spiele, ist für mich normal. Ich kenne es nicht anders, weil ich so aufgewachsen bin.

Sie teilen sich mit Ihren Teamkollegen eine kleine Garderobe. Erschrecken Sie manchmal, wie die miteinander reden und umgehen?
Am Anfang ja. Ich habe mich aber längst daran gewöhnt. Wegen mir müssen die sich nicht zurückhalten. Und das tun sie auch nicht. In der Garderobe wird oft geflucht und über Frauen geredet und gelästert. Das einzige Problem: Wir haben nur einen Duschraum. Deshalb gehe ich duschen,wenn die anderen auf dem Eisfeld auslaufen.

Und auf dem Eis? Nehmen da die Gegner im Spiel Rücksicht auf Sie?

Das will ich gar nicht. Sie sollen mich wie einen Mann behandeln. Mich stört es nicht,wenn ich einen Check kassiere. Schliesslich kann ich auch austeilen. Stiebt mir nach einer Parade ein Gegner Schnee ins Gesicht, gehe ich zu ihm und sage: ‹Noch einmal, und du bekommst eine!›

Setzen Sie diese Drohung auch in die Tat um?
Klar doch. Dann pack ich ihn mir, schlag zu, fertig. Danach geh ich, und meine Jungs erledigen den Rest. Für den Typen ist das bestimmt hart, weil er nach dem Spiel von seinen Kollegen gehänselt wird.
Frau Anthamatten, der Eishockey-Sportgilt als Männerbastion schlechthin. Passen Sie als Frau in diese Macho-Welt?
Diese Frage stelle ich mir gar nicht. Dass ich bei den Männern spiele, ist für mich normal. Ich kenne es nicht anders, weil ich so aufgewachsen bin.

Sie teilen sich mit Ihren Teamkollegen eine kleine Garderobe. Erschrecken Sie manchmal, wie die miteinander reden und umgehen?
Am Anfang ja. Ich habe mich aber längst daran gewöhnt. Wegen mir müssen die sich nicht zurückhalten. Und das tun sie auch nicht. In der Garderobe wird oft geflucht und über Frauen geredet und gelästert. Das einzige Problem: Wir haben nur einen Duschraum. Deshalb gehe ich duschen,wenn die anderen auf dem Eisfeld auslaufen.

Und auf dem Eis? Nehmen da die Gegner im Spiel Rücksicht auf Sie?

Das will ich gar nicht. Sie sollen mich wie einen Mann behandeln. Mich stört es nicht,wenn ich einen Check kassiere. Schliesslich kann ich auch austeilen. Stiebt mir nach einer Parade ein Gegner Schnee ins Gesicht, gehe ich zu ihm und sage: ‹Noch einmal, und du bekommst eine!›

Setzen Sie diese Drohung auch in die Tat um?
Klar doch. Dann pack ich ihn mir, schlag zu, fertig. Danach geh ich, und meine Jungs erledigen den Rest. Für den Typen ist das bestimmt hart, weil er nach dem Spiel von seinen Kollegen gehänselt wird.
Frau Anthamatten, wie sehr hat Sie die Auswechslung geschmerzt?
Zuerst war ich genervt und wütend. Auch auf mich selbst, weil ich heute Abend schlecht war. Aber ich war gleichzeitig auch froh, dass ich das Eisfeld verlassen konnte.

Wurden Sie von den Teamkollegen getröstet?
Nicht gross, aber das ist auch gar nicht nötig, denn der Sport ist nun mal so.

Dürfen Sie sich als Frau mehr Fehler erlauben als ein Mann?
Sicher nicht, das Gegenteil ist der Fall. Bei mir wird viel genauer hingeschaut. Die Männer fragen sich, ob eine Frau diesem Druck standhalten kann. Deshalb wird von mir sogar mehr erwartet.

Als Frau sind Sie der Star des Teams. Die Medien interessieren sich fast ausschliesslich für Sie. Kommt da nie Neid auf?
Nein. Der Klub profitiert davon. Und meine Mitspieler ebenfalls, denn wir haben einen internen Deal. Pro Quadratzentimeter Bild, das von einem in der Zeitung erscheint, wird ein bestimmter Betrag für die Mannschaftskasse fällig. Je öfter über mich berichtet wird, desto mehr Geld gibts für dieSaisonabschlussreise. Die Jungs freuen sich deshalb, wenn sie Bilder von mir in den Medien sehen.
Frau Anthamatten, wie sehr hat Sie die Auswechslung geschmerzt?
Zuerst war ich genervt und wütend. Auch auf mich selbst, weil ich heute Abend schlecht war. Aber ich war gleichzeitig auch froh, dass ich das Eisfeld verlassen konnte.

Wurden Sie von den Teamkollegen getröstet?
Nicht gross, aber das ist auch gar nicht nötig, denn der Sport ist nun mal so.

Dürfen Sie sich als Frau mehr Fehler erlauben als ein Mann?
Sicher nicht, das Gegenteil ist der Fall. Bei mir wird viel genauer hingeschaut. Die Männer fragen sich, ob eine Frau diesem Druck standhalten kann. Deshalb wird von mir sogar mehr erwartet.

Als Frau sind Sie der Star des Teams. Die Medien interessieren sich fast ausschliesslich für Sie. Kommt da nie Neid auf?
Nein. Der Klub profitiert davon. Und meine Mitspieler ebenfalls, denn wir haben einen internen Deal. Pro Quadratzentimeter Bild, das von einem in der Zeitung erscheint, wird ein bestimmter Betrag für die Mannschaftskasse fällig. Je öfter über mich berichtet wird, desto mehr Geld gibts für dieSaisonabschlussreise. Die Jungs freuen sich deshalb, wenn sie Bilder von mir in den Medien sehen.
Frau Anthamatten, wie ehrgeizig sind Sie?
Sehr. Ich will Gas geben und noch weitkommen.

Wie weit werden Sie es schaffen?
Das Ziel ist die National League B. Es wäre doch cool, wenn ich die erste Frau wäre, der das gelingen würde. Wenn ich sagen könnte, hey, hier bin ich, euch zeig ichs. Dafür arbeite und kämpfe ich. Das ist nicht bloss ein Traum von mir, sondern ein Ziel.

Sie könnten doch auch im Frauen-Eishockey Karriere machen.
Ja, natürlich. Aber als Goalie ist es interessanter, Männer-Hockey zu spielen. Es hat mehr Zuschauer, die Schüsse kommen deutlich härter, und Checks sind erlaubt. Der Antrieb, mich ständig zu verbessern und weiterzuentwickeln, würde mir beim Frauenhockey wohl fehlen. Doch ich brauche die Herausforderung.

Und was machen Sie, wenn Sie es nicht in die National League B schaffen?
Dann könnte ich mir einen Wechsel nach Nordamerika vorstellen. Das Niveau im Frauenhockey ist dort wesentlich höher. Doch ich möchte lieber meine Ziele in der Schweiz erreichen und solange wie möglich bei den Männern mitspielen.

Das realistischste Szenario ist möglicherweiseein anderes: In einigen Jahren werden Sie vielleicht zum Ergebnis kommen, dass Sie fürs Frauenhockey zu gut und fürs Männerhockey zu schlecht sind. Was dann?
Daran denke ich nicht. Das würde ich mir erst überlegen, wenn es soweit wäre. Dieser Fall wird aber nicht eintreffen!
Frau Anthamatten, wie ehrgeizig sind Sie?
Sehr. Ich will Gas geben und noch weitkommen.

Wie weit werden Sie es schaffen?
Das Ziel ist die National League B. Es wäre doch cool, wenn ich die erste Frau wäre, der das gelingen würde. Wenn ich sagen könnte, hey, hier bin ich, euch zeig ichs. Dafür arbeite und kämpfe ich. Das ist nicht bloss ein Traum von mir, sondern ein Ziel.

Sie könnten doch auch im Frauen-Eishockey Karriere machen.
Ja, natürlich. Aber als Goalie ist es interessanter, Männer-Hockey zu spielen. Es hat mehr Zuschauer, die Schüsse kommen deutlich härter, und Checks sind erlaubt. Der Antrieb, mich ständig zu verbessern und weiterzuentwickeln, würde mir beim Frauenhockey wohl fehlen. Doch ich brauche die Herausforderung.

Und was machen Sie, wenn Sie es nicht in die National League B schaffen?
Dann könnte ich mir einen Wechsel nach Nordamerika vorstellen. Das Niveau im Frauenhockey ist dort wesentlich höher. Doch ich möchte lieber meine Ziele in der Schweiz erreichen und solange wie möglich bei den Männern mitspielen.

Das realistischste Szenario ist möglicherweiseein anderes: In einigen Jahren werden Sie vielleicht zum Ergebnis kommen, dass Sie fürs Frauenhockey zu gut und fürs Männerhockey zu schlecht sind. Was dann?
Daran denke ich nicht. Das würde ich mir erst überlegen, wenn es soweit wäre. Dieser Fall wird aber nicht eintreffen!
Exotin, aber kein Einzelfall
Wenn Frauen bei den Männern Eishockey spielen. Von Pionierinnen und Regelwerken.

Dürfen Frauen im Männer-Eishockey mitspielen?

Goalies Ja, Feldspielerinnen Jein. Für Torhüterinnen gibt es keine Einschränkungen. Sie dürften auch in der NLA spielen. Diese Möglichkeit gibt es für Feldspielerinnen nicht. Bis 19-jährig dürfen sie bei Novizen-Männerteams mitspielen. Danach sind sie vom Männer-Spielbetrieb ausgeschlossen, zu gross ist ihr körperlicher Nachteil.

Ist Sophie Anthamatten die erste Frau im Schweizer Männer-Eishockey?


Nein, im Jahr 2001 bestritt Riitta Schäublin im Tor des EHC Zunzgen/Sissach als erste Frau ein Spiel der 1. Liga. 2007 stand Florence Schelling gar beim B-Ligisten GCK Lions im Tor – allerdings nur während eines Freundschaftsspiels. Sophie Anthamatten ist die erste Frau, die sich im Tor eines Erstligisten einen Stammplatz erkämpfen konnte.

Und wie siehts im Ausland aus?

In den USA bestritt 1992 Torhüterin Manon Rhéaume ein Vorbereitungsspiel für den NHL-Klub Tampa Bay. Die Kanadierin Hayley Wickenheiser spielte 2003 in der zweithöchsten finnischen Liga. Die Stürmerin war die erste Frau, die in einer Herren-Profi-Liga Skorerpunkte holte.
Wenn Frauen bei den Männern Eishockey spielen. Von Pionierinnen und Regelwerken.

Dürfen Frauen im Männer-Eishockey mitspielen?

Goalies Ja, Feldspielerinnen Jein. Für Torhüterinnen gibt es keine Einschränkungen. Sie dürften auch in der NLA spielen. Diese Möglichkeit gibt es für Feldspielerinnen nicht. Bis 19-jährig dürfen sie bei Novizen-Männerteams mitspielen. Danach sind sie vom Männer-Spielbetrieb ausgeschlossen, zu gross ist ihr körperlicher Nachteil.

Ist Sophie Anthamatten die erste Frau im Schweizer Männer-Eishockey?


Nein, im Jahr 2001 bestritt Riitta Schäublin im Tor des EHC Zunzgen/Sissach als erste Frau ein Spiel der 1. Liga. 2007 stand Florence Schelling gar beim B-Ligisten GCK Lions im Tor – allerdings nur während eines Freundschaftsspiels. Sophie Anthamatten ist die erste Frau, die sich im Tor eines Erstligisten einen Stammplatz erkämpfen konnte.

Und wie siehts im Ausland aus?

In den USA bestritt 1992 Torhüterin Manon Rhéaume ein Vorbereitungsspiel für den NHL-Klub Tampa Bay. Die Kanadierin Hayley Wickenheiser spielte 2003 in der zweithöchsten finnischen Liga. Die Stürmerin war die erste Frau, die in einer Herren-Profi-Liga Skorerpunkte holte.
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