«Ich würde jetzt lieber noch einen Playoff-Bart tragen»
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ZSC-Teamarzt Gery Büsser
«Ich würde jetzt lieber noch einen Playoff-Bart tragen»

Gery Büsser (56) ist Team-Doc der ZSC Lions. Der Chefarzt Sportmedizin leitet das Swiss Olympic Medical Center. Er erzählt, wie die Corona-Krise seinen Alltag verändert. Und sagt, welche Fragen offen bleiben beim Gedanken an einen pünktlichen Hockey-Saisonstart.
Publiziert: 10.04.2020 um 21:11 Uhr
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Seit 1996 ist Gery Büsser Teamarzt der ZSC Lions.
Foto: zVg
Nicole Vandenbrouck

BLICK: Wie nehmen Sie als Chefarzt der Sportmedizin und langjähriger ZSC-Teamarzt die Corona-Krise wahr?
Gery Büsser: Es ist eine absolute Ausnahmesituation. Wir stehen Gewehr bei Fuss. Ich arbeite in einer orthopädischen Klinik, in diesem Sinn haben wir keine Corona-Klinik, unsere Beatmungsgeräte haben wir der öffentlichen Klinik abgegeben. Wir sind ein sogenanntes Überlauf-Spital. Wir würden Patienten bekommen, wenn es einen riesigen Ansturm gäbe. Im sportlichen Bereich können wir uns wirklich nur noch um Notfälle kümmern.

Wenden sich besorgte Spieler mit Fragen an Sie?
Vor den beiden letzten Geisterspielen der Qualifikation haben wir uns bereits mit der Thematik befasst, mit Desinfektions-Massnahmen, Social Distancing. Als die Saison dann abgebrochen worden ist, waren die Spieler schon gut informiert. Trotzdem macht sich jeder Gedanken. Wir haben keinen, der an Corona erkrankt ist, aber jeder Spieler hat Eltern oder Grosseltern, um die er besorgt ist.

Sind Sie selbst besorgt?
Mir bereitet Sorge, dass es so ungewohnt ist und man nichts richtig voraussagen kann. Es ist eine aussergewöhnliche Situation, noch nie räumten wir ein Spital vorsorglich leer für einen anfälligen Ansturm. Obwohl wir langsam die positiven Auswirkungen davon sehen, dass bei den Massnahmen alle gut mitmachen. Lange gehen kann es trotzdem noch.

Wie hat sich Ihr Alltag im Swiss Olympic Medical Center, dessen Leiter Sie sind, verändert?
Zünftig. Momentan wird kein Sport betrieben, insbesondere kein Kontaktsport wie Eishockey. Die Vorgabe ist für uns, dass es keine Behandlung für Sportverletzungen geben darf, die auch aufgeschoben werden kann. Wir haben unseren Betrieb reduziert, wir dürften nur Notfälle behandeln.

Im normalen Alltag rennen Ihnen ja nicht nur Hockeyspieler, sondern Athleten generell Ihre Praxis ein.
Also die Türe machen wir ihnen in der Regel schon noch auf (lacht). Das stimmt, aber momentan soll kein Sport betrieben werden und dementsprechend haben wir weniger Patienten.

Wie läuft derzeit eine Reha für einen verletzten Spieler ab?
Die Spieler werden über Video-Telefonie versorgt. Wir trainieren übrigens auch so. Es gibt wunderbare Apps, mit denen die Spieler instruiert werden können und wo sie auch nachschauen können, wie die Übung funktioniert. Sie sind so auch sehr gut überwacht. Die wenigen verletzten Spieler haben ihr Reha-Programm und werden so begleitet.

Wagen Sie eine Prognose, wann Mannschaften wieder einen normalen Trainingsbetrieb aufnehmen können?
Eine gute Frage, auf die es aber keine richtige, sondern tausend mögliche Antworten gibt. Es gibt Tendenzen und wir haben unsere Notfall-Pläne, die mit dem Sportchef und dem Off-Ice-Trainer gesprochen worden sind und die sich auf die möglichen Zeitpunkte der Lockerung der Massnahmen beziehen. Dafür sind wir vorbereitet. Ansonsten halten wir uns vertrauensvoll an die Vorgaben, was sich bisher bewährt hat.

Und was man sich nicht wagt zu fragen: Wird in diesem Jahr wieder Eishockey gespielt? In vollen Stadien?
Darf ich das Sie fragen? Denn ich kann es nicht beantworten. Ich hoffe es sehr, aber auf der anderen Seite, wenn man diese Pandemie betrachtet, muss man sich fragen, ob es dann Sinn macht, Tausende ins Stadion zu lassen. Sind wir dann schon soweit, um die Folgen tragen zu können? Das kann vermutlich erst in den nächsten paar Wochen besser beurteilt werden.

Momentan kann man sich nicht vorstellen, dass die Hockey-Saison regulär wieder im September losgeht. Die Spieler brauchen ja aufs Training bezogen eine gewisse Vorlaufzeit auf dem Eis.
Das ist richtig, aber September ist ja noch weit weg. In der Regel geht die Mannschaft im August aufs Eis, und August ist ebenfalls noch weit weg. Vielleicht wird das möglich sein. Aber Fragen bleiben. Die der Zuschauer. Oder was passiert, wenn sich ein Spieler zu einem späteren Zeitpunkt infiziert und die Mannschaft ansteckt, wie sieht dann die Quarantäne aus? Solche Fragen kann man sich jetzt überlegen, aber noch nicht beantworten.

Wie ist diese Ungewissheit für Sie als Mannschaftsarzt?
Wir versuchen einfach, den Überblick über die sich stündlich verändernden Entwicklungen zu behalten und raten den Spielern, das zu tun, was sie können: nämlich zuhause trainieren. Wir können uns einfach so gut als möglich auf die Eventualitäten vorbereiten.

Aber Sie vermissen das Hockey auch? Ihren üppigen Playoff-Bart?
Den Playoff-Bart nicht unbedingt (schmunzelt), aber das Hockey fehlt im April schon extrem. Ich hatte noch nie so viel Zeit, Meister-Videos von früher anzuschauen. Denn es war wunderschön im 2000 oder 2001, die Stimmung damals, da bekomme ich heute noch Gänsehaut. So gesehen haben Sie schon Recht, ich würde jetzt lieber noch einen Playoff-Bart tragen.

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