HCD-Trainer Harijs Vitolins
«Ich hatte keinen Kontakt mit Del Curto»

Für den Trainer-Job beim HC Davos ging Harijs Vitolins (50) raus aus seiner Komfortzone. Der Lette sieht ihn als Test für die eigenen 
 Fähigkeiten als Headcoach.
Publiziert: 06.01.2019 um 14:04 Uhr
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Aktualisiert: 06.01.2019 um 14:29 Uhr
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Harjis Vitolins überlegte zwei, drei Tage bis er Davos eine Zusage gab.
Foto: BENJAMIN SOLAND
Nicole Vandenbrouck (Interview) und Benjamin Soland (Foto)

SonntagsBlick: Herr Vitolins, wo sehen Sie sich in 22 Jahren?
Harijs Vitolins: (Schmunzelt.) Irgendwo beim Eishockey, vielleicht braucht ja dann jemand meine Ratschläge. Wenn man das ganze Leben lang mit Eishockey zu tun hatte, kann man das nicht einfach abstellen.

Können Sie sich vorstellen, wie Arno Del Curto 22 Jahre beim gleichen Klub Trainer zu sein?
Jeder Trainer denkt, dass er Zeit braucht, um die Mannschaft richtig kennenzulernen und aufzubauen. Es braucht drei, vier Jahre, bis eine Mannschaft richtig funktioniert. Ab und zu wechselt man einige Spieler aus, aber das Team nimmt die gewünschte Form an.

Über zwei Jahrzehnte bei einem Klub zu sein, ist aber schon 
selten.
Ich weiss, worauf Sie hinauswollen. Wenn der Klub mit dem Trainer zufrieden ist – warum nicht? Warum sollte man den Trainer wechseln, wenn man Erfolg hat?

Wie lange haben Sie Ihren Entscheid überlegt, als das Angebot von Davos konkret wurde?
Zwei, drei Tage. Über die Hälfte der Saison war schon vorbei, ich war gut erholt.

Hatten Sie schlaflose Nächte?
Nicht unbedingt, aber einige wichtige Überlegungen habe ich angestellt. Wenn es in unserer National League wie in der DEL keinen 
Absteiger geben würde, wäre es vielleicht nicht so interessant 
gewesen. Da hat man ein schönes Leben mit gut verdientem Geld und nichts erreicht, wenn man die Playoffs nicht schafft. Hier muss ich unter Stress leben, und das macht es interessant. Der Abstiegskampf ist manchmal härter als 
die Playoffs. Alle träumen davon, noch in die Playoffs zu kommen. Und solange die Möglichkeit für uns noch besteht, kämpfen wir 
darum, dass es bis zum Schluss spannend bleibt.

Was waren Ihre Bedenken?
Mir war klar, dass ich unter enormem Druck stehen werde. Ob ich dem standhalten kann, weiss ich nur, wenn ich es versuche. Kann ich hier etwas ändern, etwas 
bewegen? Diese Fragen habe ich mir gestellt. Das war die Herausforderung. Und ich dachte, warum nicht? Man lebt nur einmal.

Denkt man darüber nach, in welche Fussstapfen Sie da 
treten?
Natürlich. Und was das für mich bedeutet, was auf mich zukommt. Der zweite Gedanke war, wenn ich einen guten Job mache und die Mannschaft mich versteht, kann es gut gehen. Man muss seinen Weg finden. Wenn der Klub mir dieses Vertrauen schenkt, dann versuche ich das.

Hatten Sie in der Zwischenzeit mal Kontakt mit Ihrem Vorgänger Arno Del Curto?
Nein, das letzte Mal habe ich ihn im Sommer in Riga gesehen.

Waren Sie beim Entscheidungsprozess überhaupt schon in der Schweiz?
Ja, schon länger. Meine Familie wohnt ja seit über 15 Jahren in Kreuzlingen. Immer, wenn ich mal keinen Job oder sonst Zeit hatte, war ich im Thurgau, da ist mein Wohnsitz.

Wie hat eigentlich Ihre Familie reagiert?
Die hat sich gefreut darüber, dass ich nicht mehr so weit weg von ihr arbeite. In den letzten zehn Jahren waren es immer mehrere Flugstunden, und ich hatte kaum freie Zeit. Jetzt kann ich nach den Spielen einfach nach Hause fahren oder sie können sich meine Spiele im Stadion ansehen.

War sie schon an HCD-Spielen?
Die ältere Tochter hat sich alle Spengler-Cup-Spiele hier angeschaut und kommt auch am Sonntag gegen Genf wieder hoch.

Mit welchen Worten haben Sie sich der Mannschaft vorgestellt?
Ich habe den Spielern meine Ziele erläutert und auch die Gründe, weshalb ich gekommen bin.

Die wären?
Dass ich ein enormes Potenzial in dieser Mannschaft sehe, dass 
wir zusammen etwas erreichen können und ein harter Job vor 
uns liegt. Aber jede Arbeit wird 
belohnt.

Sie mussten ein defensives Chaos stabilisieren. Wie lange dauert das, bis das korrigiert ist?
Das ist unterschiedlich, bei manchen Teams braucht es Jahre, um in einen guten Lauf zu kommen. Normalerweise baut man das schon in der Saisonvorbereitung auf. Hier müssen sie das jetzt über die Spiele lernen, das ist hart. Aber wir haben keine andere Wahl. Wir versuchen, alles so schnell wie möglich umzusetzen. In einigen Partien gelingt das besser als in 
anderen. Aber in jedem Match sehe ich gute Ansätze, an denen wir dann weiterarbeiten können.

Verbesserungen haben Sie in den letzten zweieinhalb Wochen also schon gesehen?
Ich habe die Spiele nicht mit denen vor meiner Zeit verglichen. Aber ja, wir konnten mit jeder Mannschaft mithalten. Das Selbstvertrauen der Spieler muss wachsen, dann können sie noch mehr 
Verantwortung übernehmen. Wir sind auf einem guten Weg.

Nach 17 Tagen im Amt werden Sie schon 8 Spiele mit dem Team hinter sich haben – Vor- oder Nachteil?
(Lacht.) Krass. Jeder Trainer würde sagen, dass dies ein Nachteil ist. Es gibt keinen Trainingsprozess. Das Training kann ich stoppen, die Spieler dann korrigieren, erklären, meine Gedanken dazu sagen, bis sie es verstehen. Während des Spiels können sie nur von den 
Fehlern lernen. Aber da müssen wir durch.

Sie suchen sich nach den 
Spielen ja jeweils nicht nur die Fehler raus?
Nein, auf ein Fehler-Beispiel folgt bei der Nachbesprechung eine gleiche Szene, in der etwas gut 
gemacht wurde, damit die Spieler den Unterschied sehen.

Wie ist es, ein Team in so einer Krise zu übernehmen?
Das ist etwas Neues für mich. Deshalb dachte ich, dass es auch eine interessante Herausforderung ist. Es ist auch für mich ein Test. Kann ich etwas bewegen, kann ich etwas ändern? Bis jetzt arbeitete ich mit Top-Mannschaften, die einen 
guten Lauf hatten und bei deren Spiel es nur kleine Anpassungen gebraucht hat.

Neu ist auch der Abstiegskampf für Sie, wie wappnen Sie sich mental dafür?
Indem ich noch gar nicht so weit denke. Wir haben noch viele Spiele vor uns. Momentan konzentriere ich mich nur aufs nächste Spiel und darauf, was ich noch verbessern kann. Es ist egal, wie es 
vorher gelaufen ist. Jetzt zählt, was wir erreichen wollen.

Hat es Sie nervös gemacht, dass Sie noch nicht so viele Jahre als Headcoach auf dem Buckel 
haben?
Ja, ein bisschen. Mehrheitlich war ich Assistenztrainer und eineinhalb Jahre mal Headcoach. Aber da habe ich eine Mannschaft übernommen, die ich bereits kannte. Hier kannte ich niemanden, dazu kommt die Sprache. Manche in meiner Lage hätten vielleicht Angst vor diesem Job gehabt oder davor, dass er nicht gut für die Karriere ist. Aber ich wollte mich selber testen und raus aus der Komfortzone.

Sie haben die letzten zehn Jahre in der KHL russische und lettische Mannschaften betreut. Beschreiben Sie den Mentalitäts-Unterschied zu den Schweizern.
Der Russe liebt es, wenn man mit ihm hart umgeht und ihm Druck macht. Der Schweizer braucht mehr positive Worte und einen sanfteren Umgang. Aber gleichzeitig sind die Schweizer extrem lernfähig und können Vorgaben schnell umsetzen. Der russische Spieler ist dann versucht, zu denken, dass er selber weiss, wie das läuft und dann seine eigene Stärke zeigen möchte. Zumindest war das in jenen Teams so, mit denen ich gearbeitet habe.

Sie erlebten auch Superstars wie Pawel Dazjuk oder Ilja Kowaltschuk. Wie ist der Umgang mit solchen Grössen?
Pawel ist ein ganz ruhiger Mensch. Er begreift alles schnell und ist sehr kooperativ. Ilja dagegen ist sehr impulsiv und ehrgeizig, will übertrieben spielen und jede Scheibe gewinnen. Jeder Spieler hat seine Eigenart, und als Trainer muss man den Zugang zu jedem finden.

Welche Ziele haben Sie jetzt in Davos mit dem Team?
Wir wollen Spiele gewinnen. Das ist wichtig für das Gefühl, alles richtig zu machen. Ich will keine Unsicherheit in der Garderobe sehen, sondern Siegeremotionen.

Und persönlich? Spielt das Team auch für eine Vertragsverlängerung für Sie?
Nein, es stört mich nicht, dass mein Vertrag nur bis Saisonende dauert. Ich will sehen, ob ich das kann, bin zufrieden, wie es ist. Der HCD hat mir das Vertrauen geschenkt, jetzt will ich versuchen, es zu rechtfertigen. Die Zukunft ergibt sich dann.

War die National League immer ein Traum für Sie?
Wer träumt nicht davon? Die Schweiz hat eine Top-Liga, spielerisch und in Bezug auf den Unterhaltungswert. Es gibt keine Nachteile in der Schweiz. Im Sommer hätte ich nie gedacht, dass ich in der National League einen Job bekommen würde. Jetzt bin ich hier.

Sie hatten und haben eine enge Verbindung zur Schweiz, was hat es mit einem Grillfest in Tschiertschen auf sich?
Ich hatte fünf schöne Jahre in Chur, und wir hatten eine tolle Mannschaft, wurden zweimal B-Meister und sind aufgestiegen. Immer, wenn ich in der Schweiz war in den letzten zehn Jahren, war es schön, ehemalige Mitspieler zu treffen – wie eben an diesem Grillfest. Dort treffe ich zum Beispiel die Capaul-Brüder, Ivo Stoffel, Marc Haueter, Matthias Bächler, Roger Rieder. Das ist immer eine Riesenfreude!

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