Fischer: «Habe meine Ansprüche nicht erfüllt, basta»

Patrick Fischer überrascht die Eishockey-Schweiz: Der Zuger tritt mit 33 vom Spitzensport zurück (exklusiv auf Blick.ch). Warum mag der Stürmer nicht mehr Eishockeyprofi sein? Das ausführliche Interview
Publiziert: 15.05.2009 um 10:00 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2018 um 19:20 Uhr
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Interview: Dino Kessler

Patrick Fischer, warum wollen Sie nicht mehr Eishockey spielen und viel Geld verdienen?
Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich einfach ehrlich zu mir sein musste. Die Motivation war nicht mehr da, ich will meinen Körper nicht mehr fordern. Wenn man den Sport nur liebt, weil man viel Geld verdient, ist man im falschen Beruf.

Wie hat der EV Zug reagiert?
Ich ging am letzten Freitag zu Sportchef Patrick Lengwiler und habe ihm meinen Entscheid mitgeteilt und er hat dies akzeptiert.

Sie hätten locker noch ein Jahr anhängen können …
Der EVZ wollte wohl gar mit mir verlängern. Aber ich hatte andere Pläne und fühle mich nach dem Entscheid befreit, grossartig. Hätte ich weitergemacht, wäre ich nur halbherzig dabei gewesen. Und das kann ich nicht.

Haben Sie sich das gut überlegt?
In der Tat. Ich hatte immer hohe Ansprüche an mich selbst. Um diese zu erfüllen, muss ich hundertprozentig motiviert sein; und das bin ich nicht mehr.

Wie haben die Leute reagiert?
Unterschiedlich. Einige hatten Verständnis, andere äusserten sich besorgt. Ich kann jede Reaktion akzeptieren.

Sie mussten zuletzt einige Rückschläge einstecken. Bei Phoenix im zweiten Jahr gescheitert, bei St. Petersburg gescheitert, dann aus der Nati geflogen …
Die NHL war immer mein Traum. Als ich diesen Höhepunkt erreicht hatte, war das für mich gleichzeitig auch ein Ende.

Wie hat sich das auf die weitere Karriere ausgewirkt?
Zuerst im Sommer nach dem ersten Jahr bei Phoenix. Wirklich hart vorbereitet habe ich mich da nicht, nach einer Operation (Leistenbruch im Februar 2007, die Red.) hätte ich hart trainieren und viel Therapie machen sollen – aber ich liess die Zügel schleifen. Da spürte ich schon, dass es dort bald zu Ende sein würde. Ausserdem wusste ich damals bereits, dass ich auch in Russland eine Option offen habe.

Der Rauswurf aus der Nati vor der WM 2008 hat sie massiv getroffen?
Eigentlich nicht, das war wohl mehr eine Frage des Stolzes. Ich meinte, es allen nochmals zeigen zu müssen. Das fand aber nur in meinem Kopf statt, mit dem Herzen war ich damals schon nicht mehr dabei.

Warum haben Sie dann vor der letzten Saison mit einem Privattrainer doch wieder hart gearbeitet?
Damals dachte ich, dass die Motivation wiederkommt. Ich wollte mir noch einmal die Chance geben, bestens vorbereitet zu sein um zu spüren, ob die Lust doch nicht ganz weg ist.

Und dann haben Sie sich in einem Test vor dem ersten Eistraining verletzt.
Richtig. Ich habe dies als Zeichen meines Körpers gesehen. Gleichzeitig war es auch ein Dämpfer für meine Motiviation. Danach hat mir einfach das Feuer gefehlt, ich habe die Saison dann völlig emotionslos über mich ergehen lassen – und das kann es ja nicht sein. Wenn ich spiele, will ich ein Leader sein, mit Emotionen und gutem Beispiel vorangehen. Liegt das nicht mehr drin, lasse ich es besser sein.

Trotzdem gibt es Sportler, die Verträge erfüllen, auch wenn sie nicht mehr die gleiche Leistung erbringen können.
Es ist schade, wenn Topspieler ihren Standard einbüssen und dann die letzten Jahre im Mittelmass versinken. Das wollte ich nie.

So mittelmässig waren Sie nicht. Immerhin haben Sie beim EVZ den Takt vorgegeben.
Ich habe meine Ansprüche nicht mehr erfüllt, basta. Fürs Geld allein spielen will ich nicht. Der EVZ hat mich immer sehr gut behandelt, dass ich jetzt ehrlich bin, ist das Mindeste.

Was waren für Sie die Höhepunkte?
Es war ein einziger Höhepunkt. Ich hatte praktisch immer Glück, meine Teams waren immer klasse. Zuerst beim EVZ, dann in Lugano, in Davos bei Arno Del Curto, dem ich sehr viel verdanke. Und dann wieder in Zug. Es gab Erfolge, ich war Meister mit Lugano und Davos. Dann natürlich das Jahr in der NHL bei Phoenix, da konnte ich etwas völlig neues erleben, das war grossartig. Die tiefsten Spuren haben aber die Erlebnisse mit den Teamkollegen hinterlassen. Das ist es, was man wirklich vermissen wird. Aber die Leute laufen einem ja nicht davon.

Was werden Sie jetzt tun?
Das, was ich schon immer tun wollte: viel reisen, die Welt kennenlernen. Und möglichst viel Zeit mit meinem Sohn Kimi (lebt im Tessin, die Red.) verbringen.

Wie werden Sie in Zukunft ihren Lebensunterhalt bestreiten?
Das will ich jetzt nicht festlegen. Ich bin in der bequemen Lage, dass ich nicht wegen des Mammons etwas tun muss, dass ich nicht tun will. Ich werde es jetzt geniessen, absolut ungebunden zu sein.

Ein Traum für manche …
Ungebunden zu sein, heisst nicht, dass man nichts tut. Ich habe etwas dafür geleistet, in dieser Situation zu sein. Ich sehe der Zukunft ohne Angst und ohne Druck entgegen, das Richtige wird sich finden.

Zur Person
Patrick Fischer: 6. September 1975 in Triengen LU, aufgewachsen im Zuger Herti-Quartier.
181 cm, 88 kg, geschieden von Mara, Sohn Kimi (7).
Karriere: Zug, Lugano, Davos, Zug, Phoenix Coyotes, St. Petersburg, Zug.
Meister mit Lugano (1999) und Davos (2002). 183 Länderspiele (38 Tore, 41 Assists)
Patrick Fischer: 6. September 1975 in Triengen LU, aufgewachsen im Zuger Herti-Quartier.
181 cm, 88 kg, geschieden von Mara, Sohn Kimi (7).
Karriere: Zug, Lugano, Davos, Zug, Phoenix Coyotes, St. Petersburg, Zug.
Meister mit Lugano (1999) und Davos (2002). 183 Länderspiele (38 Tore, 41 Assists)
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