Nati-Coach Muller teilt seine Sorgen ums Frauen-Eishockey
«Viele Spielerinnen hören schon jung auf»

Blick besucht mit Frauen-Nati-Trainer Colin Muller den Knüller zwischen Zürich und Zug. Er sagt, worauf er bei den Spielerinnen achtet. Und was ihn bezüglich des Schweizer Frauenhockeys am meisten Sorgen bereitet.
Publiziert: 30.11.2024 um 08:01 Uhr
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Aktualisiert: 30.11.2024 um 10:20 Uhr
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Vor dem Spiel zwischen Zürich und Zug tauscht sich Nati-Trainer Colin Muller (2.v.l.) mit ZSC-Trainerin Angela Frautschi aus.
Foto: Pius Koller

Auf einen Blick

  • Nati-Trainer Colin Muller sieht Verbesserungspotenzial im Schweizer Frauen-Eishockey
  • Er betont beim Matchbesuch mit Blick die Wichtigkeit des Spielaufbaus und Puckbehandlung
  • 25 Top-Spielerinnen sind verfügbar, 40 wären für internationalen Erfolg nötig
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Nicole Vandenbrouck (Text) und Pius Koller (Fotos)

Colin Muller (60) sitzt auf der Tribüne der Swiss Life Arena in Zürich-Altstetten. «Spiel den Puck, spiel den Puck», redet der Headcoach der Frauen-Nationalmannschaft vor sich hin. Es läuft das Duell zwischen den Zürcherinnen und Zugerinnen. Der Kanada-Schweizer achtet bei seinen Matchbesuchen nebst ihrem Positionsspiel und ihren Einsätzen in den Special Teams (Überzahl, Unterzahl) gerne auf die Qualität der Spielerinnen bei der Angriffsauslösung aus der eigenen Zone. Dort sieht er – bei den Klubs wie auch international in der Nati – das grösste Steigerungspotenzial.

Zu oft werde noch ein «Hope-Pass» gespielt, also ein Zuspiel in der Hoffnung, dass es den Stock seiner Adressatin findet. «Darum schaue ich, wer auf dem Eis etwas kreieren und vor allem das Spiel gut lesen kann», so Muller, der sich vor dem Match mit ZSC-Trainerin Angela Frautschi und deren Assistentin Cyndy Kenyon, die gleichzeitig seine Assistentin in der Nati ist, unterhalten hat. «Der Entscheid, was man mit dem Puck macht, darf nicht erst dann getroffen werden, wenn man in dessen Besitz kommt. Dann reagiert man immer zu spät.»

Muller hofft auf noch mehr Engagement

Der Ex-Hockeyprofi und Meisterstürmer (1998 mit Zug) ist seit fünf Jahren Trainer der Frauen-Nati, sein Vertrag läuft bis Olympia 2026 in Turin. Er kennt die Schweizer Spielerinnen bestens, die ihm zur Auswahl stehen. Muller rechnet vor: «Derzeit habe ich 25 Akteurinnen auf Top-Niveau zur Verfügung. Um international aber konstant bestehen und intern einen gesunden Konkurrenzkampf haben zu können, bräuchte es etwa 40.»

Deshalb versucht der Nati-Trainer immer mal wieder aufzurütteln, damit die Schweiz nicht abgehängt wird. «Wir haben noch einen langen Weg vor uns.» Seit der Olympia-Bronzemedaille 2014 in Sotschi seien die Fortschritte der Konkurrenz grösser. In der Weltrangliste ist die Schweiz von Tschechien überholt worden und liegt nun auf Platz 5. Japan und Schweden sind ihr auf den Fersen. Schweden zählt 10’000 lizenzierte Hockey-Frauen, die Schweiz rund 2000. In Tschechien sind die Top-Spielerinnen Profis, 29 (!) sind im Ausland engagiert. Vom aktuellen Aufgebot Mullers fürs 6-Nationen-Turnier in Tampere (Fi) von Mitte Dezember sind es fünf, die nicht in der Heimat spielen.

Aufgebot Frauen-Nati

6-Nationen-Turnier in Finnland

Torhüterinnen: Andrea Brändli (MoDo Hockey/Sd), Saskia Maurer (SC Bern).

Verteidigerinnen: Alizée Aymon (SC Bern), Alessia Baechler (HC Davos), Annic Büchi (EV Zug), Lara Christen (SC Bern), Alena Lynn Rossel (SC Bern), Shannon Sigrist (GCK/ZSC Lions), Lucie Tenenbaum (HC Davos), Nicole Vallario (University of St. Thomas/USA), Stefanie Wetli (HC Davos).

Stürmerinnen: Leoni Balzer (HC Davos), Rahel Enzler (EV Zug), Sinja Leemann (GCK/ZSC Lions), Lena Marie Lutz (EV Zug), Alina Marti (GCK/ZSC Lions), Alina Müller (PWHL Boston/USA), Kaleigh Quennec (SC Bern), Noemi Ryhner (EV Zug), Lisa Rüedi (GCK/ZSC Lions), Vanessa Schaefer (University of British Columbia/Ka), Ivana Wey (EV Zug), Laura Zimmermann (St. Cloud University/USA).

6-Nationen-Turnier in Finnland

Torhüterinnen: Andrea Brändli (MoDo Hockey/Sd), Saskia Maurer (SC Bern).

Verteidigerinnen: Alizée Aymon (SC Bern), Alessia Baechler (HC Davos), Annic Büchi (EV Zug), Lara Christen (SC Bern), Alena Lynn Rossel (SC Bern), Shannon Sigrist (GCK/ZSC Lions), Lucie Tenenbaum (HC Davos), Nicole Vallario (University of St. Thomas/USA), Stefanie Wetli (HC Davos).

Stürmerinnen: Leoni Balzer (HC Davos), Rahel Enzler (EV Zug), Sinja Leemann (GCK/ZSC Lions), Lena Marie Lutz (EV Zug), Alina Marti (GCK/ZSC Lions), Alina Müller (PWHL Boston/USA), Kaleigh Quennec (SC Bern), Noemi Ryhner (EV Zug), Lisa Rüedi (GCK/ZSC Lions), Vanessa Schaefer (University of British Columbia/Ka), Ivana Wey (EV Zug), Laura Zimmermann (St. Cloud University/USA).

In der acht Teams zählenden Women’s League, der höchsten Schweizer Frauen-Liga, dominieren die Ausländerinnen die Top 10 der Skorerliste. Rahel Enzler (2., EVZ), Sinja Leemann (9., ZSC) und Lara Stalder (10., EVZ) mischen sie etwas auf. Doch ohne ihre Kapitänin Stalder fahren die Zugerinnen in einem hochstehenden Match vor den Augen des Nati-Trainers die dritte Niederlage in Serie ein, sie verlieren 0:2 gegen den ZSC. Treffen diese beiden Teams aufeinander, sieht Muller einen Grossteil seines Kaders im Einsatz. Denn nur bei fünf der acht WL-Mannschaften spielen Nati-Spielerinnen.

Seit dem letzten Aufschwung ist der 60-Jährige dennoch positiv überrascht, dass die Women’s League ausgeglichener und die Konkurrenz grösser geworden ist. «Ich hoffe, dass noch mehr grosse Teams Engagement, Zeit und Geld ins Frauen-Hockey investieren.» Denn was Muller extrem beschäftigt: «Viele Spielerinnen hören schon jung auf wegen der Umstände in den meisten Klubs.» Späte Trainingszeiten, Doppelbelastung mit Job oder Studium, finanzieller Aufwand.

Nach Olympia 2022 in Peking haben gleich neun Nati-Stammkräfte ihre Schlittschuhe an den Nagel gehängt und eine grosse Lücke hinterlassen. Daher fehle vielen Klubs die Tiefe im Kader. Das thematisiert Muller bei seinem regelmässigen Austausch mit den Trainerinnen und Trainern der Teams. Um gemeinsam das Schweizer Frauen-Hockey weiterzubringen.

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