Immer wieder erinnert sich Michel Riesen (32) an die schrecklichsten Stunden seines Lebens. Wenn der Lakers-Stürmer in Uetliburg am Parkplatz vorbeifährt, auf dem der Rega-Helikopter damals landete. Oder wenn er zu Hause die Treppe hinaufsteigt.
Rückblende, Januar 2011: Riesen telefoniert zu Hause im untersten Stock. Plötzlich ein dumpfer Schlag, in der obersten Etage, wo die Kinderzimmer liegen. «Ich wusste sofort, dass eins der Kinder runtergefallen sein muss», erzählt Riesen. Er hastet die Treppenstufen rauf. Oben steht seine Frau Andrea (33), in den Armen das weinende Töchterchen Kaya, eineinhalb Jahre alt.
«Jetzt müssen wir wohl zum Nähen zum Arzt», denkt er zuerst. «Als ich aber das Blut sah, das Kaya aus einem Ohr rann, bekam ich Angst und funktionierte nur noch.» Riesen wählt eine Notfallnummer, die ihn mit einem Kinderarzt verbindet. Dieser ordert einen Rega-Heli, um Kaya ins Zürcher Kinderspital zu transportieren. In der Zwischenzeit trifft die Ambulanz ein, macht Kaya bereit für den Heli-Flug.
Mit Verdacht auf ein schweres Schädel-Hirn-Trauma wird Kaya nach Zürich geflogen – in den Armen ihres Vaters. «Diese Ungewissheit, diese Angst war betäubend. Erst als man mir im Spital sagte, es bestehe keine Lebensgefahr, atmete ich auf.»
Gleichwohl bleibt Papa Riesen an der Seite seiner Tochter, derweil Schatz Andrea zu Hause das erst wenige Tage alte Baby Levin umsorgt.
Papa Riesen schläft bei Kaya im Zimmer, vergisst fast alles andere im Leben.
«Irgendwann rief ich den Trainer an und sagte, dass ich nicht spielen kann. Ich wäre ohnehin zu schwach gewesen, weil ich kaum schlafen und essen konnte.»
Dann die Diagnose: Bruch des Felsenbeins (Knochen im Ohr), Riss des Trommelfells, Hirnerschütterung. Kaya hat Glück im Unglück. Offen bleibt bloss, ob Hörschäden zurückbleiben. Auch dies kann im April 2011 nach Tests ausgeschlossen werden. «Bei einer Zweijährigen einen Hörtest durchzuführen, ist schwierig», erzählt Michel Riesen, «aber Kaya bestand ihn. Sie hört heute ohne Einschränkungen – zumindest das, was sie will.»
Michel Riesen kann wieder lächeln. Das war die letzten zweieinhalb Jahren selten der Fall. «Ich kam nie zur Ruhe.» Kaum von Davos ins Unterland gezogen, wird er Vater, zieht um ins neue Haus – das Leben ändert sich komplett. «Es war zwar immer schon mein Lebenstraum, eine glückliche Familie zu haben», sagt Riesen. «Darum heiratete ich auch so früh.»
Bloss im Sport läufts nicht, die Lakers geraten in Abstiegsgefahr, trotz Verletzungen sind die Erwartungen an Riesen riesig. «Die Misserfolge drückten auf die Laune.» Das Drama um Tochter Kaya kurz nach der Geburt von Brüderchen Levin gleicht schliesslich einem mentalen K.o-Schlag.
Doch es gibt ein Happy End. Töchterchen Kaya erholt sich, ohne Komplikationen. Michel Riesen findet seine innere Ruhe wieder. Heute läuft es ihm auf dem Eis besser. Und Kaya und Levin, die geliebten Wirbelwinde, halten ihre Eltern mächtig auf Trab.