Drunter und drüber im Turnverband

Publiziert: 11.04.2007 um 17:08 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2018 um 18:54 Uhr
AARAU – Erneuter Eklat im Schweizer Turnverband (STV): Zwei Wochen nach dem Rausschmiss von Patrick Dominguez aus dem Nationalkader suspendierte die Verbandsleitung das komplette Frauen-Team um die Top-Athletin Ariella Kaeslin von der EM in Amsterdam.

Damit hat eine von Reibereien und Spannungen geprägte Entwicklung zwischen Nationaltrainer Eric Demay und den Turnerinnen einen negativen Höhepunkt gefunden.

Die Athletinnen leisteten im Training passiven Widerstand – Hediger spricht von einem «Quasi-Sitzstreik» – und verlangten die Ersetzung von Demay als Cheftrainer für die Europameisterschaften Ende April. Ruedi Hediger, Chef Leistungssport im STV und Verbandspräsident Hanspeter Tschopp drehten darauf den Spiess um und strichen kurzerhand Ariella Kaeslin, Danielle Englert, Linda Stämpfli und Carina Fürst aus dem EM-Aufgebot.

Damit ist von jenen Turnerinnen und Turnern, die an der EM 2005 in Debrecen sensationell drei Finalplätze erkämpft hatten, in Amsterdam niemand mehr dabei. Nicht nur die Karriere von Patrick Dominguez ist zu Ende; auch der Höhenflug seiner Partnerin Ariella Kaeslins erlebt eine unfeine Landung. Die Luzernerin hatte sich in Debrecen als erste Turnerin seit Romi Kessler im Jahr 1979 für einen EM-Final qualifiziert und mit einem 4. Rang, knapp hinter einem Medaillenplatz, ein Allzeit-Bestresultat aufgestellt. An der WM in Aarhus turnte sie am Schwebebalken die Übung mit dem weltweit höchsten Ausgangswert.

Parallel zum Trainingsprogramm und den Leistungen bauten sich auch Spannungen und zwischenmenschliche Probleme auf zwischen den Turnerinnen und dem Trainer. Eric Demay, der mit seiner Frau Cécile als Assistenztrainerin im Jahr 2000 in die Schweiz gekommen war, hatte unbestritten grossen Anteil am Aufschwung im Frauen-Turnen.

Mit seiner forschen Art und dem barschen Ton eckte Demey aber immer wieder an. Genau das machen ihm die Athletinnen nun zum Vorwurf. Er sei beleidigend, spiele sie gegeneinander aus und stelle sie bloss, kritisierten die vier ausgebooteten Turnerinnen und bestätigten ihre Aussagen in einer schriftlichen Stellungnahme. Keine der Beteiligten mochte sich öffentlich äussern.

Leistungssportchef Hediger waren die latenten Probleme bekannt, er gibt sich im Nachhinein selbstkritisch: «Man kann uns den Vorwurf machen, zu spät gehandelt zu haben. Wir haben versucht, mit einer Mediation und dem Beizug einer Psychologin die Probleme unter Kontrolle zu bringen.»

Hediger ist es offensichtlich nicht wohl bei seinem Entscheid: «Was hätten wir denn machen sollen? Damit haben wir die Zukunft des Schweizer Frauen-Turnens gerettet. Im September stehen Weltmeisterschaften mit Olympia-Qualifikation an.» Hediger liess offenbar die vier erfahrenen Turnerinnern über die Klinge springen, um acht Nachwuchsturnerinnen bei der Stange zu halten, «deren Zukunft bei einer Entlassung von Demay gefährdet wäre.»

Die Freistellung des offenbar nicht über alle Zweifel erhabenen Trainers wurde zwar diskutiert, aber letztlich verworfen: «Im Turnen ist es nicht so wie im Fussball, wo man einfach einen Schällibaum holen kann. Unter den qualifizierten Kunstturnerinnen-Trainern gibt es keinen Markt.»

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