Die Flugbranche boomt derzeit in der Romandie. Trotz Corona-Pandemie. Jeden Herbst und Winter treffen am Neuenburgersee Tausende Wasservögel ein – doch dieses Jahr sind sie besonders zahlreich. Insgesamt zählten Ornithologen am 7. Januar 2021 87’920 Wasservögel auf dem See, so viele wie seit den 1990er-Jahren nicht mehr. Im Vorjahr waren es nur 54’000. Die grösste Vogelgruppe mit fast 30'000 Tieren wurde zwischen Corcelettes VD und Auvernier NE beobachtet im Naturschutzgebiet Grande Cariçaie.
Die extravagantesten unter ihnen zeigen sich mit rotbraunen Federhauben und scharlachroten Schnäbeln. Es sind Kolbenenten-Männchen. Zusammen mit ihren etwas unauffälligeren Weibchen verbringen dieses Jahr aussergewöhnlich viele von ihnen den Winter auf dem Neuenburgersee. Ihr Brutgebiet reicht vom Schwarzen Meer bis zur Mongolei. Die Wasserqualität der Schweizer Seen zieht sie im Winter zu uns. Ihre Cousins, die Tafelenten aus Nordeuropa und Russland stellen mit 30’000 Exemplaren sogar einen neuen Rekord auf
Der Bodensee war zu kalt
Grund für die hohe Zahl sei möglicherweise der Wintereinbruch in der Ostschweiz Anfang Januar gewesen, sagt Livio Rey von der Vogelwarte Sempach. «Der Bodensee ist ein sehr wichtiges Gewässer für Vögel aus Nordeuropa und Russland, die dort überwintern», erklärt Rey. Diese Wasservögel seien beim Kälteeinbruch dann wahrscheinlich auf den Neuenburgersee ausgewichen, da dort der Winter weniger streng war und sie deshalb einfacher an Nahrung kamen.
Die Zahl der überwinternden Vögel auf dem Neuenburgersee dürfte jedoch langfristig nicht so hoch bleiben, so Rey. Wegen des Klimawandels könnte es sein, dass die Zugvögel in der kalten Jahreszeit in ihrer Heimat im Norden bleiben, da sie durch die wärmeren Verhältnisse auch im Winter genug Nahrung finden würden.
Wer die Wasservögel also sehen will, sollte sich beeilen. Von ein paar Zuschauern lassen sich die geflügelten Geschöpfe nicht aus der Ruhe bringen. Wer beim Beobachten der Seevögel vergebens die farbenfrohen Kolbenenten sucht, darf nicht verzagen. Ausserhalb der Balzzeit haben auch die Männchen ein biederes Federkleid. An ihren roten Schnäbeln und Augen erkennt man sie jedoch das ganze Jahr über.