Zunehmende Gewalt im Zug – SBB-Kondukteur Michel Zollinger (35):
«Meine Frau hat Angst um mich»

Beleidigungen, Faustschläge, Bisse: Michel Zollinger hat als Kondukteur schon alles erlebt. Seine Frau will, dass er den Job wechselt.
Publiziert: 16.08.2008 um 19:16 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 11:49 Uhr
Von Lorenz Honegger

Vor drei Wochen wurde Michel Zollinger (35) zum letzten Mal attackiert: Er war wie jeden Tag auf Kontrolltour. In der ersten Klasse traf er auf einen jungen Fahrgast, der nur ein Zweitklassbillett hatte. Zollinger stellte ihn zur Rede, eine Antwort bekam er nicht. Dafür schlug ihm der Schwarzfahrer die Faust ins Gesicht.

«Ein harmloser Vorfall», kommentiert Zollinger nüchtern. In seinen fünf Jahren als SBB-Kondukteur wurde er unzählige Male tätlich angegriffen. Ein Passagier biss ihm seine linke Hand blutig. «Danach musste ich über Wochen täglich 17 Tabletten schlucken, wegen HIV-Infektionsgefahr.»

Besonders prekär sei die Lage am Wochenende, wenn jugendliche Partygäste nach dem Ausgang besoffen nach Hause fahren. «Die Jugendlichen werden vor allem dann gewalttätig, wenn sie keinen Fünf-Franken-Nachtzuschlag gelöst haben und darum gebüsst werden», sagt Zollinger.

Wenn der Zugkontrolleur spätabends in der Zürcher S-Bahn unterwegs ist, sitzt seine Gattin allein zu Hause und macht sich Sorgen. «Meine Frau hat Angst um mich», sagt er.

Das junge Ehepaar hat zwei Töchterchen, drei Monate und eineinhalb Jahre alt. «Sie will, dass ich so schnell wie möglich den Job wechsle. Mein Beruf macht mir sowieso schon lange keine Freude mehr.»

Als Präsident der Weinländer Sektion des Zugpersonalverbandes (ZPV) engagiert sich Zollinger für die Sicherheit seiner Kollegen: «Viele Kondukteure haben Angst bei der Arbeit. Ich kenne mehrere, die in kritischen Zügen gar keine Kontrollen mehr durchführen, sondern nur mitfahren.»

Im ersten Halbjahr 2008 wurden laut ZPV schweizweit 115 Kondukteure tätlich angegriffen und 570 belästigt – also angespuckt, beschimpft, bedroht. Das sind so viele wie im ganzen letzten Jahr! Jetzt fordert der ZPV mehr Kontrolleure, mehr Bahnpolizisten und ein Gespräch mit SBB-Chef Andreas Meyer (47).

SBB-Mediensprecher Roland Binz wiegelt ab: «Eine Aufstockung des Zugpersonals bringt nichts, zudem haben wir den Personalbestand bei der Bahnpolizei in den vergangenen Jahren verdoppelt.»

Darüber kann Michel Zollinger nur lachen: «Ab und zu kommt ein SBB-Kadermitglied mit auf Kontrolltour, um sich ein Bild zu machen. Die bestellen dann extra die Bahnpolizei und fragen sich im Nachhinein, warum wir Kondukteure uns unsicher fühlen.»

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Nutzlose Videokameras?
Anfang Juli wurde ein SBB-Zugkontrolleur auf der Strecke von Pfäffikon SZ nach Zürich morgens um halb eins von einem jungen Mann angepöbelt, in die Ecke gedrängt und geschlagen. Der Vorfall wurde von einer Überwachungskamera aufgezeichnet. Der Kondukteur erstattete Anzeige. Jetzt die Ernüchterung: «Die Zürcher Kantonspolizei hat mir mitgeteilt, dass die Videobilder als Beweismittel unbrauchbar seien», sagt er zu SonntagsBlick. Grund: Es wurde nur alle fünf Sekunden ein Standbild aufgenommen. Gestern dementierten die SBB gegenüber SonntagsBlick, dass die Kameras in den Zügen nur Standaufnahmen machen.
Anfang Juli wurde ein SBB-Zugkontrolleur auf der Strecke von Pfäffikon SZ nach Zürich morgens um halb eins von einem jungen Mann angepöbelt, in die Ecke gedrängt und geschlagen. Der Vorfall wurde von einer Überwachungskamera aufgezeichnet. Der Kondukteur erstattete Anzeige. Jetzt die Ernüchterung: «Die Zürcher Kantonspolizei hat mir mitgeteilt, dass die Videobilder als Beweismittel unbrauchbar seien», sagt er zu SonntagsBlick. Grund: Es wurde nur alle fünf Sekunden ein Standbild aufgenommen. Gestern dementierten die SBB gegenüber SonntagsBlick, dass die Kameras in den Zügen nur Standaufnahmen machen.
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