Zugführer hielt Rekrut Pistole an den Kopf und drückte ab
Er wurde trotzdem befördert!

Das Opfer wusste nicht, dass die Waffe ungeladen war. «Ich habe immer noch Albträume», sagt der Rekrut.
Publiziert: 29.06.2013 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:27 Uhr
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«Ich hatte Angst. Ich wusste doch nicht, ob die Waffe geladen war.» Raffael S. (22)
Foto: Peter Mosimann
Von Beat Michel

Es passiert in der dritten Ausbildungswoche. In der Rekrutenschule 73 in Brugg AG steht am 25. März Wachdienstschulung auf dem Programm. Zugführer und Oberwachtmeister Samuel T.* (20) stellt Rekrut Raffael S.* (22) eine Frage: «Was machen Sie, wenn auf der Wache ein Mann auf Sie zukommt und Sie bedroht?»

«In so einem Fall reagiere ich nicht aggressiv», sagt Raffael S. «Ich zahle dem lieber eins, als im Spital zu landen.» Das hätte er besser nicht gesagt. Zugführer Samuel T. läuft rot an. Zieht mit einem Ruck seine Armeepistole 75 aus dem Holster, hält sie dem Rekruten an den Kopf. «Was machen Sie jetzt?», brüllt er. Und drückt ab. Es macht klick. «Jetzt wären Sie tot», sagt Samuel T.

Raffael S. und der ganze Zug sind starr vor Schreck. «Ich hatte richtig Angst. Ich hab doch nicht wissen können, ob die Waffe geladen war», sagt er.

Die Armee bestätigt den Vorfall. Am folgenden Tag sei an den Kompaniekommandanten Meldung erstattet worden, sagt Heeressprecherin Kirsten Hammerich. Darauf habe es eine Aussprache mit der Truppe gegeben. «Der Oberwachtmeister entschuldigte sich hier vor dem Zug für sein Fehlverhalten.» Der betrof­fene Rekrut habe die Entschuldigung angenommen.

Des Weiteren leitet die Armee ein Disziplinarverfahren gegen Samuel T. ein. Er bekommt vier Tage scharfen Arrest.

Raffael S. beim Psychologisch-Pädagogischen Dienst

Die Militärjustiz wird nicht involviert. Andere Vorgesetzte hören nichts von dem Eklat. Samuel T., ein Student, der in seiner Freizeit Kampfsport macht, verdient unbehelligt seinen Zugführer ab. Wenig später wird er zum Leutnant befördert.

Raffael S. ist empört: «Ich kann nicht verstehen, wie er Leutnant sein darf.» Er ärgert sich, dass der Zugführer so gut weggekommen ist. «Vier Tage für so etwas sind lächerlich.»

Bis heute hat er Angstzustände: «Immer wenn ich ihn gesehen oder das Gewehr in die Hand genommen habe, erlebte ich, wie eine Kugel aus dem Lauf kommt und sich in meinen Kopf bohrt.»

Raffael S. lässt sich beim Psychologisch-Pädagogischen Dienst der Armee behandeln. Er darf waffenlosen Dienst leisten. Nachdem BLICK nachgefragt hat, ist auch Kommandant Heer Dominique Andrey informiert.

«Rein rechtlich ist dieses Urteil korrekt. Aber das heisst nicht, dass es auch richtig ist», sagt Sprecherin Hammerich. Dominique Andrey lässt über sie ausrichten: «Ich dulde ein solches Verhalten von Vorgesetzten nicht. Die Werte, die wir vertreten, müssen in allen Bereichen durchgesetzt werden. Wir untersuchen jetzt, ob die getroffenen Massnahmen genügen oder ob wir sie ergänzen müssen.» Samuel T. wollte nicht Stellung nehmen.

* Namen der Redaktion bekannt

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