Zollposse um beschlagnahmte Mio-Geige
«Es war wie in einem Emil-Sketch!»

ZÜRICH – Der Zürcher Zoll beschlagnahmte die Millionen-Geige von Star-Violistin Patricia Kopatchinskaja, verhörten die Frau stundenlang. Das waren falschen Töne: Die Künstlerin beschwert sich beim Bundesrat.
Publiziert: 26.04.2010 um 11:09 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:10 Uhr
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Die in Bern wohnhafte, österreichische Geigerin Patricia Kopatchinskaja.
Von Ann Guenter

«Frau Kopatchinskaja wählte bei ihrer Einreise in die Schweiz den grünen Durchgang beim Zoll. Das heisst, sie gab vor, dass sie nichts zu deklarieren habe», sagt Daniel Tschudin vom Zollinspektorat gegenüber Blick.ch. «Sie hat ihre Ware im Wert von 4,5 Millionen Euro nicht angemeldet. Dabei liegt die Wertfreigrenze bei 300 Franken. Ein Fall, wie wir ihn tagtäglich am Flughafen haben.»

Eben nicht: Die historische Geige – 1741 von Guarneri del Gesù gebaut – ist eine Dauerleihgabe der österreichischen Nationalbank. Mit der Bank hat Kopatchinskaja vertraglich abgemacht, dass sie die Geige keiner Drittperson aushändigen darf. Jetzt haben die Schweizer Zöllner das Instrument. Die Künstlerin hätte die Geige auslösen können – für eine Kaution von rund 400‘000 Franken.

Kopatchinskaja wollte bei der Geige übernachten

In dem mit der österreichischen Nationalbank geschlossenen Vertrag ist in allen Details festgehalten, wie die Geige, immerhin ein österreichisches Kulturgut, gehandhabt werden muss: «Sie darf keinesfalls in die Nähe eines Heizkörpers kommen, nicht in der Sonne liegen, allein das Ablegen der Geige ist kritisch», sagt Kopatchinskajas Ehemann, Lukas Fierz zu Blick.ch.

«Meine Frau sagte dies alles den Zöllnern. Die hatten dafür kein Gehör.» Fierz, ehemaliger Berner Nationalrat, weiter: «Meine Frau ist treuhänderisch verantwortlich für die Geige, die einen Wert von über vier Millionen Euro hat!»

Deswegen wollte Kopatchinskaja nach dem fünfstündigen Verhör auf dem Zoll am liebsten bei der Geige übernachten – eine Bitte, für die die Zöllner ebenfalls kein Musikgehör hatten. Auf die Frage, was mit der Geige geschehe, antwortete ein Zöllner lapidar: «Ich leg sie dahin, wo ich will!»

Die Geige lagert jetzt in einem Tresor, wie Zollinspektor Tschudin Blick.ch versicherte. Lukas Fierz findet das «beruhigend».

Zöllner googelten Kopatchinskaja

Frau Kopatchinskaja verliess sich ganz auf die von der österreichischen Nationalbank ausgestellten Papiere, die sicherstellen sollten, dass sie problemlos mit der Geige reisen kann. Nur: Laut Zöllner Tschudin fehlten für die Einfuhr in die Schweiz die nötigen Papiere. Kopatchinskaja hätte einen so genannten Freipass gebraucht.

Ohne diesen, so argumentierte der Zoll, hätte Kopatchinskaja die Möglichkeit, die wertvolle Geige in der Schweiz weiterzuverkaufen. Ein Argument, das angesichts der strengen vertraglichen Bedingungen mit der österreichischen Nationalbank seltsam anmutet. Ehemann Lukas Fierz: «Das Ganze kam mit vor wie ein Emil-Sketch!»

Die Zöllner hätten zuerst einmal den Namen seiner Frau gegoogelt, um festzustellen, dass sie auch tatsächlich besagte Violinistin sei. Dabei ist auf Kopatchinskajas Homepage und auch auf Wikipedia zu lesen: «Patricia Kopatchinskaja spielt die 1741 von Guarneri del Gesu gebaute Violine ‹ex-Carrodus›, eine grosszügige Leihgabe der Österreichischen Nationalbank.»

Beschwerde bei Bundesrat Merz

Eine Information, die die Zöllner ebenso wenig beeindruckte wie die temporäre Ausfuhrbewilligung vom österreichischen Denkmalschutz. Hier steht schwarz auf weiss, dass die Geige für drei Jahre in Kopatchinskajas Besitz sein darf, und sie diese einmal jährlich in Österreich zur Inspektion bringen muss.«Für die Schweiz braucht man halt andere Papiere – offensichtlich», so Fierz lakonisch.

Der berühmten Geigerin droht jetzt eine Busse. «Über die Höhe kann ich nichts sagen», so Zollinspektor Tschudin. Der Fall werde abgeklärt.

Lukas Fierz hat sich mittlerweile im Namen seiner Frau beschwert. Bei der Oberzolldirektion – und bei Bundesrat Merz. «Wir fordern in der Beschwerde die Herausgabe der Geige. Und die Rückerstattung von 150 Franken Taxigeld nach Winterthur. Denn meine Frau, die mit zwei Geigen in einem Kasten gereist war, musste sich einen neuen Geigenkasten für ihre persönliche Geige und die empfindlichen Bögen kaufen.»

Beim Departement Merz hiess es gegenüber Blick.ch, man werde die Sache intern abklären.

«Ist die Geige österreichische Staatsbürgerin?»
Das Ehepaar informierte die österreichische Nationalbank über den Vorfall. Die war so irritiert vom Vorgehen des Schweizer Behördenstarrsinns, dass sie den Pikettdienst des österreichischen Aussenministeriums kontaktierte. Die Österreicher nehmen die Angelegenheit noch mit Humor: Darauf angesprochen, ob und wie man in der Sache vorzugehen gedenke, scherzte eine Sprecherin des österreichischen Aussenministeriums: «Ist die Geige österreichische Staatsbürgerin? Da müssen wie wohl einmarschieren und die Geige befreien!» Man werde zusammen mit der Schweiz sicher eine Lösung finden, ist man in Österreich überzeugt.
Das Ehepaar informierte die österreichische Nationalbank über den Vorfall. Die war so irritiert vom Vorgehen des Schweizer Behördenstarrsinns, dass sie den Pikettdienst des österreichischen Aussenministeriums kontaktierte. Die Österreicher nehmen die Angelegenheit noch mit Humor: Darauf angesprochen, ob und wie man in der Sache vorzugehen gedenke, scherzte eine Sprecherin des österreichischen Aussenministeriums: «Ist die Geige österreichische Staatsbürgerin? Da müssen wie wohl einmarschieren und die Geige befreien!» Man werde zusammen mit der Schweiz sicher eine Lösung finden, ist man in Österreich überzeugt.
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