Dylan (†10 Monate), Céline und Mario (†7), Alessia (†2) und Nicolas (†5). Fünf Kinder, die viel zu früh aus dem Leben gerissen wurden. Getötet von ihren eigenen Müttern!
In einem weiteren Fall ruft die Mutter im letzten Moment den Notarzt. Ihre Kinder überleben den Angriff knapp.
«Generell ist die Hemmung, jemanden umzubringen, sehr hoch», sagt Professor Michael Soyka, Direktor der Psychiatrischen Klinik in Meiringen BE. «Beim eigenen Kind ist sie noch höher», so der Autor des Buches «Wenn Frauen töten».
«Den Moment vor der Kindstötung erleben die Frauen als extreme Traumatisierung», sagt Soyka. «Ihre Ängste erhalten einen so hohen Stellenwert, dass Alternativen nicht mehr ersichtlich sind.»
Soyka ordnet vier Beispiele für Blick.ch ein. Er legt jedoch Wert darauf, dass er sich nicht speziell mit diesen Fällen beschäftigt hat.
Fall 1: Natalie K. (27) wollte ihre Kinder vor dem Heim bewahren und erstickte Nicolas (†5) und Alessia (†2)
Das zweifache Tötungsdelikt war der traurige Höhepunkt eines Konflikts der Familie mit der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB). Weil die Eltern Anfang November 2014 wegen Betrugsverdachts verhaftet worden waren, mussten die Kinder ins Heim. Auch nach Freilassung der Mutter hätten die Kinder im Heim bleiben sollen. Bei einem Besuch über die Weihnachtsfeiertage zu Hause in Flaach ZH erstickte die Mutter Nicolas (†5) und Alessia (†2) und fügte sich selbst schwere Schnittverletzungen zu.
«Die Frau befand sich in einer existenzgefährdenden Krise. Der Mann war im Gefängnis und die Kinder wollte man ihr auch noch wegnehmen. Sie war alleine und litt unter schweren sozialen Problemen und Zukunftsängsten. Sie war psychisch wahrscheinlich so belastet, dass sie für sich und die Kinder keinen anderen Ausweg sah, angebotene Hilfestellungen wurden nicht genutzt», sagt Soyka. «Eine reine Kurzschlusshandlung war das wahrscheinlich nicht. Man spricht hier von erweitertem Selbstmord.»
Fall 2: Katharina K. (41) entführte ihren Dylan (†10 Monate) und Schnitt ihm dann die Kehle durch
Die Mutter hatte Dylan an Heiligabend 2013 aus dem Kinderspital Zürich entführt, nachdem ihr das medizinische Sorgerecht entzogen war. Laut ihrem Vater war sie eine strikte Gegnerin der Schulmedizin. In Spanien wurde die Frau von der Polizei aufgegriffen. Vor der Rückreise in die Schweiz wurde Dylan ärztlich untersucht. Noch im Spital schnitt ihm seine Mutter die Kehle durch und versuchte sich danach selbst umzubringen.
«In diesem Fall wurde eines der grössten Hemmvermögen überwunden. Wenn eine Mutter auf ihr Kind einsticht, ist eine riesige Aggression mit im Spiel – mehr als beispielsweise beim Vergiften mit Medikamenten», so Soyka. «Das können nur extrem gewalttätige oder psychotisch gestörte Personen.»
Fall 3: Gabriela A. (†54) versuchte ihre Kinder (heute 10 und 12) zu vergiften und rief dann den Notarzt
2010 füllte A. Dutzende Schlaftabletten in zwei Flaschen mit Saft. Diese gab sie ihren Kindern zu trinken und nahm gleichzeitig selbst eine Überdosis. Doch das eingenommene Gift wirkte nicht wie geplant: Die Mutter erwachte und verständigte einen Notarzt. Ein Helikopter brachte die Kinder gerade noch rechtzeitig ins Spital. Vier Jahre später nahm sich die Mutter in St. Gallen das Leben.
«Eine ziemlich typische Tötungshandlung bei Kindern. Die Mutter hat den Entschluss nicht in fünf Minuten gefällt. Wahrscheinlich hat sie die Situation immer wieder abgewägt, Vorbereitungen getroffen», sagt Soyka. «Nach dem gescheiterten Selbstmord erfolgt das Erwachen, das eigene Handeln wird bereut, sie tritt vom Tötungsentschluss innerlich zurück. Letztlich war wohl die Liebe zu den Kindern doch grösser», so der Psychiater. Häufig würden Frauen in solchen Situationen zu Gift greifen. «Es ist weniger kraftaufwändig und grausam. Vergiftungen sind am einfachsten, erfordern keine körperliche Gewalt.»
Fall 4: Bianca G. (41) erstickte ihre Zwillinge Celine und Mario (†7) aus Eifersucht
Sie sei wütend auf die beiden gewesen, weil sie ein so viel schöneres Leben hatten, als sie selbst es als Kind gekannt hatte, sagte Bianca G. vor Gericht. Vor allem, dass die Grossmutter - ihre eigene Mutter - sich so liebevoll den Enkelkindern zuwandte und von diesen geliebt wurde, konnte sie nicht ertragen. Bianca G. erstickte ihre Zwillinge in der Nacht auf Heiligabend 2007 in Horgen ZH im Schlaf. Später gab sie zu, bereits im Sommer 1999 einen Säugling erstickt zu haben.
«Hier spielen nicht konkrete Ängste, sondern psychische Konflikte eine Rolle», so Soyka. «Eigene Kindheitstraumata und Verletzungen wirken nach. Auch in diesem Fall ging von der Mutter eine grosse Aggression aus. Die 7-Jährigen, wehrlosen Kinder haben sich bestimmt gegen den Angriff durch die Mutter gewehrt. Manchmal sind Kinder Ersatzopfer für andere, denen die eigentliche Aggression galt - hier vielleicht der Mutter, in anderen Fällen der Mann. Eifersucht und Rache sind tödliche Motive.»