Vorbestrafter Gewalttäter tötet Fredi H. (64) in Eglisau
Warum musste der Koch sterben?

Mit zertrümmertem Schädel liegt Fredi H. neben seinem Auto, Blut rinnt auf die Obergass.
Publiziert: 13.09.2010 um 23:53 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:20 Uhr
Von Gabriela Battaglia, Jennifer Bucher und Antonia Sell

Am Sonntagmorgen trägt der Koch immer Zeitungen aus. Und so ist Fredi H.* (64) auch am letzten Sonntag schon früh unterwegs.

Vor fünf Uhr knallt es in der Obergass in Eglisau ZH. Auf der Strasse steht der rote Kleinwagen von Fredi H., das Glasdach zerschmettert. Daneben liegt der 64-Jährige in einer Blutlache auf dem Asphalt. Sein Schädel ist zerschmettert.

Der zweifache Vater, der als Chefkoch in einem Altersheim in Dübendorf angestellt ist, stirbt Stunden später im Spital. Am Tatort nimmt die Polizei Anwar M.* (22) fest. Er war es, der mit seinem Handy die Polizei alarmierte.

«Der 22-Jährige ist dringend tatverdächtig. Er hat ausgesagt, kurz vor der Tat mit dem Opfer eine Auseinandersetzung gehabt zu haben. Dann sei der Mann zu Boden gegangen und habe sich die Kopfverletzungen zugezogen», so die zuständige Staatsanwältin Claudia Kasper zu BLICK.

«Immer gefährliche Sachen gemacht»

Zurzeit sitzt der Arbeitslose in Untersuchungshaft. Es ist nicht das erste Mal, dass Anwar M. auffällig wird. Schon seit frühester Schulzeit ist er aufbrausend und gewalttätig. Und polizeibekannt.

«Er hat immer gefährliche Sachen gemacht», sagt eine Nachbarin zu BLICK. «Bei Hochwasser hat er mal ein kleines Mädchen nicht aus dem Rhein gelassen. Sie ist total panisch geworden.»

Als Anwar zwölf ist, schlägt er beim Räbeliechtli-Umzug einen kleinen Buben so brutal zusammen, dass er von der Schule fliegt und in ein Heim für schwer erziehbare Kinder kommt. «Von dort ist er aber ständig ausgerissen. Die Polizei musste ihn öfter einfangen und zurückbringen», erzählt ein Jugendfreund.

Ein halbes Jahr aufs Meer verfrachtet

Doch auch im Heim bleibt Anwar M. auffällig und schlägt wieder zu. Als Massnahme wird er 2003 zu einem Jahr Erlebnispädagogik auf hoher See verdonnert (siehe Box). «Die Aufnahmeanfrage kam von Amtsseite», sagt Magali Kümmerli-Kühne von den Schweizer Jugendschiffen zur See.

Anwar M. wird abgelehnt. «Wir nehmen niemanden auf, der wegen eines Gewalt- oder Drogendelikts zu uns kommen soll. Deswegen haben wir ihn an den Verein Plus verwiesen, der ist auf solche Fälle spezialisiert», so Kümmerli-Kühne. Sechs Monate segelt der damals 15-Jährige auf der «Tectona» im Meer.

Als Anwar wieder daheim ist, beginnt er eine Lehre als Metzger in Zürich, die er aber nach kürzester Zeit abbricht. Er heiratet und wird letztes Jahr Vater eines Sohnes. Doch auch die Familie scheint dem 22-Jährigen keine Stabilität gegeben zu haben.

Bis jetzt ist nicht klar, wieso Anwar M. ausrastete und Koch Fredi H. sterben musste.

* Namen der Redaktion bekannt

Resozialisation fehlgeschlagen
Erlebnispädagogik war besonders in den 80er- und 90er-Jahren beliebt. Schwer erziehbare Teenies wurden nach Kanada in Camps oder auf einem Segelschiff auf die Weltmeere geschickt. So auch Anwar M. Er segelte 2003 auf der «Tectona», dem Segelschiff des Vereins Plus, um resozialisiert zu werden.

Durch die Gemeinschaft und die körperliche Arbeit sollen die Teenies zurück auf den rechten Weg gebracht werden. Pro Kopf kostet das die Steuerzahler zirka 300 Franken täglich. Sechs Monate segeln und arbeiten die Jugendlichen auf dem Boot. «Danach folgt eine halbjährige Landphase mit Schulunterricht», so Martin Farner, ehemaliger Präsident von Plus. Der Verein musste 2003 wegen Geldproblemen schliessen.
Erlebnispädagogik war besonders in den 80er- und 90er-Jahren beliebt. Schwer erziehbare Teenies wurden nach Kanada in Camps oder auf einem Segelschiff auf die Weltmeere geschickt. So auch Anwar M. Er segelte 2003 auf der «Tectona», dem Segelschiff des Vereins Plus, um resozialisiert zu werden.

Durch die Gemeinschaft und die körperliche Arbeit sollen die Teenies zurück auf den rechten Weg gebracht werden. Pro Kopf kostet das die Steuerzahler zirka 300 Franken täglich. Sechs Monate segeln und arbeiten die Jugendlichen auf dem Boot. «Danach folgt eine halbjährige Landphase mit Schulunterricht», so Martin Farner, ehemaliger Präsident von Plus. Der Verein musste 2003 wegen Geldproblemen schliessen.
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