Er sei seit 20 Jahren «diesen Teufelsenergien» ausgesetzt, sagte der frühere Dachdecker F. W. in der Berufungsverhandlung vor dem Schaffhauser Obergericht. Bei einem Verkehrsunfall habe er ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Seither werde er von «bösen Geistkräften» angegriffen, die ihn töten wollten.
Als er am 24. Juli 2017 in der Schaffhauser Filiale der CSS-Versicherung mit laufender Motorsäge auf zwei Mitarbeiter losging, sei er überzeugt davon gewesen, dass diese negativen Kräfte von einem der Mitarbeiter ausgegangen seien. Er habe den Mann mit der Motorsäge jedoch nicht verletzen oder gar töten, sondern lediglich «auf Distanz halten» wollen.
Verteidiger fordert Genugtuung von 207'000 Franken
Der Pflichtverteidiger des Beschuldigten machte vor diesem Hintergrund eine sogenannte Putativnotwehr geltend. W. sei also so zu beurteilen, als hätte die tatsächliche Situation seinen Vorstellungen entsprochen.
Der Mann könne deshalb nicht wegen mehrfacher versuchter vorsätzlicher Tötung in schuldunfähigem Zustand zu einer stationären Massnahme nach Artikel 59, der sogenannten kleinen Verwahrung, verurteilt werden.
Dies hatte das Kantonsgericht im September 2019 genau so getan. Der Verteidiger forderte stattdessen, den 54-Jährigen aus der vorzeitig angetretenen Massnahme zu entlassen. Er solle eine Genugtuung von 207'000 Franken erhalten. Der Mann ist seit Herbst 2017 in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich in Rheinau untergebracht.
Weitere Gewalttaten möglich
Der Vertreter der Staatsanwalt verwies auf ein psychiatrisches Gutachten, gemäss dem eine hohe Wahrscheinlichkeit weiterer Gewalttaten bestehe, wenn keine Therapie erfolge. Sollte das Obergericht ihn aus der Massnahme entlassen wollen, werde er Sicherheitshaft beantragen.
«Ich bin überzeugt, dass ich nicht gefährlich bin», sagte W. in seinem Schlusswort. Er wolle in Freiheit leben.
Urteil bestätigt
Das Schaffhauser Obergericht hat das erstinstanzliche Urteil gegen den 54-Jährigen am Dienstagnachmittag schliesslich bestätigt. Der psychisch kranke Mann wurde zu einer stationären Massnahme verurteilt.
Das Obergericht folgte damit den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Da der 54-jährige Schweizer aufgrund seiner Krankheit als vollständig schuldunfähig gilt, sprach das Gericht keine eigentliche Strafe aus. (cat/SDA)