Trauriges Ende trotz Kesb-Aufsicht
17-Jähriger isst sich in Seniorenheim zu Tode

Praktisch als letzter Ausweg wurde ein 280 Kilo schwerer Teenager von der Kesb in einem Winterthurer Altersheim untergebracht. Nun ist er tot.
Publiziert: 05.11.2017 um 18:19 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 07:02 Uhr
Foto: Seniorenzentrum Wiesengrund

Ein Altersheim in Winterthur war als Zwischenstation in der Therapie eines 17-jährigen Jugendlichen gedacht. Dort platzierte die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) den stark übergewichtigen Teenager bis Anfang Oktober. Jetzt ist er tot. Er hat sich trotz Beobachtung durch die Behörde regelrecht zu Tode gegessen.

Zum ersten Mal auffällig wird der Bub im Sommer 2011. Laut dem «Tages-Anzeiger» gibt seine Schule eine erste Gefährdungsmeldung ab. Von einem aggressiven Verhalten ist mitunter die Rede. Und auch das Gewicht sorgt für Gesprächsbedarf: Der rund 150 Zentimeter grosse Primarschüler bringt bereits 100 Kilo auf die Wage.

Chicken Nuggets und Pizza per Kurier ins Heim

In den darauffolgenden Jahren spitzt sich die Situation immer mehr zu. Die Schule will den Buben nicht mehr weiter unterrichten. Auch andere Institutionen scheinen mit dem Fall überfordert zu sein. Er wird hin und her gereicht und ist doch nirgends richtig aufgehoben. Und: Der Teenager nimmt immer weiter zu.

Besserung soll schliesslich ein Aufenthalt in einem Winterthurer Seniorenheim bringen. Die Kesb, die den Fall mittlerweile übernommen hat, sieht darin eine Zwischenstation auf dem Weg zur Besserung der Lebenssituation des Jugendlichen. Bis zu einer Magenoperation am Unispital Zürich soll der mittlerweile 280 Kilo schwere Teenager im Heim bleiben. Die Kosten für die Betreuung sind derweil auf über 20'000 Franken pro Monat gestiegen. Der Erfolg bleibt jedoch bescheiden: Immer wieder lässt sich der Patient heimlich Chicken Nuggets und Pizza per Kurier ins Heim liefern.

Das Essen mit Zwang verhindern

Der Leidensweg des Jugendlichen nimmt schliesslich ein trauriges Ende. Er stirbt am 3. Oktober im Seniorenheim. Der 17-Jährige sei – vermutlich beim Aufstehen aus dem Rollstuhl – gestürzt und hätte wegen seines starken Übergewichts nicht mehr aufstehen können, heisst es in der Unfallmeldung des Altersheims. Die genaue Todesursache wird noch untersucht.

Für Heinrich von Grünigen, Präsident der Schweizerischen Adipositas-Stiftung, handelt es sich beim Schicksal des fettleibigen Jugendlichen um ein aussergewöhnliches Beispiel. «Einen Fall mit solch schweren Folgen habe ich noch nie erlebt», sagt er gegenüber der «SonntagsZeitung». Einen möglichen Ausweg hätte von Grünigen in einer stationären Behandlung in einer geschlossenen Anstalt gesehen. «Ist die Sucht weit fortgeschritten, muss man mit Zwang verhindern, dass der Betroffene weiterhin an Essen gelangt.» Eine passende Anstalt gebe es in der Schweiz allerdings nicht. (cat)

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