Tod durch «Brennnesseln» in Bülach ZH
Yasmine F.* (31) brachte im Wahn ihren Sohn (†4) um – schuldunfähig

Die Mutter sei schuldunfähig, urteilte das Bülacher Bezirksgericht am Freitag. Die Kamerunerin Yasmine F.* (31) tötete im Januar 2019 ihren vierjährigen Bub im Wahn – durch körperliche Züchtigung, die sein kleines Herz nicht mehr ertrug.
Publiziert: 13.11.2020 um 19:11 Uhr
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Aktualisiert: 13.11.2020 um 19:30 Uhr
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An einem Sonntagabend im Januar 2019 wurden Einsatzkräfte nach Bülach ZH gerufen.
Foto: Leserreporter
Céline Trachsel

Was musste dieser Bub bloss alles erleiden! Am 20. Januar 2019 tritt Yasmine F.* (31) mit ihrem Sohn Clinton* (†4) im Arm in der Bülacher Altstadt auf die Strasse. Das Kind ist regungslos. Die Kamerunerin lehnt sich an einen Brunnen, wartet auf die selber alarmierten Rettungskräfte.

Doch diese können nichts mehr tun: Der Bub ist tot. Gestorben durch die Hand seiner eigenen Mutter.

Am Bezirksgericht in Bülach ZH schilderte die Gerichtsmedizinerin am Freitag, was der Bub in seinem kurzen Leben alles erdulden musste. Nämlich zahlreiche, schmerzvolle körperliche Züchtigungen.

Mehrfach mit Kabel oder Gürtel geschlagen

So fand die Gerichtsmedizinerin vernarbte, schlaufenförmige Verletzungen an Rücken und Unterschenkel. Der traurige Verdacht: Der Bub wurde mit einem Gürtel oder Elektrokabel regelmässig geprügelt.

«Ich fand unterschiedlich alte Verletzungen. Sie sprechen für körperliche Misshandlungen über eine gewisse Zeitdauer. Verkrustungen und Narben bedingen heftige Gewalteinwirkung», erklärt die Gerichtsmedizinerin. «Es muss bluten und die Verletzungen tief genug sein, damit es überhaupt zur Narbenbildung kommt.»

Auch symmetrische Quetschungen im Unterhautfettgewebe an Armen und Beinen wurden beim Bub gefunden. Ein typisches Muster von «Brennnesseln», also das Verdrehen der Haut mit beiden Händen in entgegengesetzte Richtung. Tragisch: Die Verletzungen waren so schwer, dass Fett in die Blutbahnen gelangte – und schliesslich zu einer tödlichen Lungenembolie führte. Das Herz von Clinton versagte.

Schlimm die Erkenntnis der Gerichtsmedizinerin: Der Bub musste in den vorangangenen drei Tagen viele solche Brennnesseln ertragen, und zwar in einer gewissen Herftigkeit. Denn erst die Summe der Gewalteinwirkungen führten zum Tod.

Schuldunfähig – Mutter muss in Psychiatrie

Die Kamerunerin mit dem traurigen Gesichtsausdruck sass am Freitag regungslos im Gericht. Zu den Ereignissen mochte sich Yasmine F. nicht äussern – sie ergriff nicht einmal das Schlusswort. Auch der Papa von Clinton war als Privatkläger im Saal.

Die Verteidigung versuchte noch zu argumentieren, dass die Mutter nicht damit rechnen konnte, dass Verletzungen an den Extremitäten zum Tod führen können. Es handle sich deshalb nicht um ein vorsätzliches Tötungsdelikt. Gegenüber der Polizei hatte Yasmine F. nach der Tat noch behauptet, ihr Bub sei die Treppe runtergefallen und deshalb gestorben.

Yasmine F. wegen Schizophrenie schuldunfähig

Dem Treppensturz schenkte das Gericht keinen Glauben. Es folgt aber der Verteidigung und geht von einem fahrlässigen, nicht wissentlich in Kauf genommenen Tod durch die körperlichen Misshandlungen aus. Doch für das Strafmass blieb dies am Ende irrelevant. Denn das Urteil der Richter lautet: schuldunfähig. Von einer Strafe wird abgesehen. Yasmine F. muss in einer Klinik eine stationäre Therapie zur Behandlung ihrer Schizophrenie machen. Danach wird sie ausgewiesen.

Immerhin: Es gebe keine Hinweise, dass die Mutter den Bub grundsätzlich abgelehnt oder gehasst hatte, sagt der Richter. Auch wurde Clinton nicht über mehrere Jahre misshandelt, sondern erst in der Folge eines Verfolgungswahns der Mutter.

Mutter war fanatisch religiös

Wie BLICK weiss, hatten sich Mutter und Vater ein halbes Jahr vor Clintons Tod getrennt. Die Mutter war psychisch auffällig. Yasmine F. soll sich religiös radikalisiert haben, so dass selbst der Kindsvater Angst vor ihr hatte.

«Die Mutter war durch eine fanatische christliche Freikirche beeinflusst. Sie sprach fast immer über Gott», sagte Valentin K. kurz nach dem Tötungsdelikt zu BLICK. Er kannte Clintons Eltern gut.

Auch soll Yasmine F. ihre Wohnung auseinandergenommen haben: Sie riss die Wasserhähne raus, zerstörte die Steckdosen, schlug Plättli und Parkett aus dem Boden. Als es zu einem Wasserschaden in der Wohnung kam, alarmierte Clintons Vater die Polizei. Auch der Notfallpsychiater rückte an. Später wurde zudem die Kesb herbeigezogen.

Deshalb lebte Clinton eigentlich beim Vater. Nur zwei Tage pro Woche holte ihn Mutter Yasmine F. ab. Zeit genug, um ihm die zahlreichen Verletzungen zuzufügen, die schliesslich zu seinem viel zu frühen Tod führten.

* Name geändert

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