Schule Wiesendangen ZH will Taras Mobber nicht zur Rechenschaft ziehen
«Bestrafung kann die Wut nur vergrössern»

Monatelang wurde Tara (16) von ihren Mitschülern in Wiesendangen ZH gemobbt. Bis sie sich umbringen wollte. Die Schule versichert: «Wir hätten nicht mehr für sie tun können.» Sogar die Polizei hatte in der Klasse interveniert.
Publiziert: 25.02.2019 um 23:10 Uhr
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Aktualisiert: 26.02.2019 um 12:56 Uhr
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Mit 15 Jahren wurde Tara (heute 16) an ihrer Schule in Wiesendangen ZH gemobbt.
Foto: Jessica Keller
Helena Schmid

Für Tara* (16) war jeder Schultag in Wiesendangen ZH eine Qual. Ihre Klassenkameraden beleidigten sie wegen ihrer Essgewohnheiten, schossen ihr Knallkörper in die Haare. Im Whatsapp-Klassenchat schrieb Mitschüler Dario* an Tara: «Bring di umm.» Das Mädchen begann zu hungern, wollte nicht mehr leben. 

Bis die Schulpsychologin Alarm schlug und ihr Vater Boris W. (50) sie von der Schule nahm. Das war im Sommer 2018 (BLICK berichtete). Nun macht er der Schule Wiesendangen schwere Vorwürfe: «Sie hätten meine Tochter schützen müssen.»

Hubert Herger, Mitglied der Schulpflege, versichert aber: «In dieser Klasse fanden zahlreiche Gespräche mit verschiedenen Eltern, mehrere Interventionen und viele individuelle Gespräche statt.» 

Polizei kam, kurz bevor sie sich töten wollte

Zudem sei das Klassenklima schon angespannt gewesen, bevor Tara neu in die Klasse kam. «Das macht die Situation nur noch schlimmer», kontert Boris W. Er bemängelt: «Sie hätten viel früher etwas unternehmen müssen. Stattdessen haben sie wochenlang nur zugesehen – bis es zu spät war.»

Ende Jahr hatte der Familienvater deshalb eine Aufsichtsbeschwerde bei der Bildungsdirektion Zürich eingereicht. Aus dem Bericht der Bildungsdirektion geht hervor: Tatsächlich haben ab Winter 2018 mehrere Interventionen stattgefunden. Im März 2018 kam sogar der Jugenddienst der Kantonspolizei Zürich vorbei.

Nur kurze Zeit später fing Tara zu hungern an. Warum konnte nicht einmal die Polizei die Mobber stoppen? Darauf hat auch die Schulpflege keine Antwort. Hubert Herger macht aber deutlich: «Mobbing und mobbingähnliche Situationen finden oft unterschwellig und im Versteckten statt.»

«Wir konnten nicht von allen Vorfällen wissen»

Für den Klassenchat zum Beispiel sei man zudem nicht verantwortlich. «Es befanden sich keine Lehrpersonen in dem Whatsapp-Chat, die Schüler haben diese Gruppe privat gegründet», so Herger. Er verteidigt sich: «Wir konnten schlicht nicht von allen Vorfällen wissen.»

Doch Tara besuchte monatelang regelmässig die Schulsozialarbeiterin – erzählte ihr von der Ausgrenzung und den Beleidigungen. Trotzdem wurden die Mobber nie bestraft. Herger erklärt: «Bestrafung kann die Wut der Person nur vergrössern und die Schülerin kann noch mehr unter die Räder geraten.»

Die Bildungsdirektion stellt sich entschieden hinter das Vorgehen der Schule. «Die Schulleitung, die Klassenlehrpersonen und die Schulsozialarbeiterin haben Taras Probleme ernst genommen», heisst es in dem Fazit. 

Die Schulpflege Wiesendangen hält nach wie vor an ihrem Mobbing-Konzept fest: «Wir sind weiterhin überzeugt, dass wir alles getan haben, was möglich war.» Doch bei Tara war alles nicht genug.

* Name geändert

So erkennen Sie, ob Ihr Kind gemobbt wird

Boris W.* (50) fiel aus allen Wolken, als er erfuhr, was seine Tochter Tara* in der Schule durchmachen musste. Monatelang hatte sie die Mobbingattacken verschwiegen.

Aus Scham behalten viele Opfer die Vorfälle für sich. Wie können Eltern trotzdem erkennen, dass das eigene Kind betroffen ist? Profilerin Suzanne Grieger-Langer (47) nennt vier Alarmzeichen:

Verschlossenheit

Typischerweise fangen Betroffene an, sich zu verschliessen. «Sie zeigen plötzlich weniger Persönlichkeit, sind häufiger zurückhaltend und kämpfen mit Selbstzweifeln», so die Expertin.

Lustlosigkeit

Statt den üblichen Aktivitäten nachzugehen, verbringen Opfer viel Zeit allein. Wirken niedergeschlagen und wortkarg. «Sie täuschen Bauchschmerzen vor, um nicht in die Schule gehen zu müssen. Oder verpassen bewusst das Sporttraining und treffen sich weniger mit Freunden», sagt Grieger-Langer.

Hilflosigkeit

Meist fühlen sich die Opfer dem Mobbing komplett ausgesetzt, können sich nicht mehr wehren. Aussagen wie «ich kann sowieso nichts machen» oder «ich halte das nicht mehr aus», könnten daher auf Mobbing hindeuten.

Panik

Besonders bei Cybermobbing werden Nachrichtendienste und sozialen Medien für Betroffene zum Ort des Schreckens. «Sie haben Panik, auf den Handybildschirm zu schauen und trotzdem den Drang, es ständig zu machen», erklärt die Profilerin.

Wie reagiert man richtig?

Sie rät Eltern: «Trauen Sie Ihrem Instinkt! Sprechen Sie die Verhaltensmuster offen an.» Wichtig dabei: Geborgenheit vermitteln und niemals Vorwürfe machen. Wenn das Kind tatsächlich gefährdet ist, empfiehlt Grieger-Langer: «Setzen Sie sich gemeinsam zur Wehr.» (hah)

* Namen geändert

Boris W.* (50) fiel aus allen Wolken, als er erfuhr, was seine Tochter Tara* in der Schule durchmachen musste. Monatelang hatte sie die Mobbingattacken verschwiegen.

Aus Scham behalten viele Opfer die Vorfälle für sich. Wie können Eltern trotzdem erkennen, dass das eigene Kind betroffen ist? Profilerin Suzanne Grieger-Langer (47) nennt vier Alarmzeichen:

Verschlossenheit

Typischerweise fangen Betroffene an, sich zu verschliessen. «Sie zeigen plötzlich weniger Persönlichkeit, sind häufiger zurückhaltend und kämpfen mit Selbstzweifeln», so die Expertin.

Lustlosigkeit

Statt den üblichen Aktivitäten nachzugehen, verbringen Opfer viel Zeit allein. Wirken niedergeschlagen und wortkarg. «Sie täuschen Bauchschmerzen vor, um nicht in die Schule gehen zu müssen. Oder verpassen bewusst das Sporttraining und treffen sich weniger mit Freunden», sagt Grieger-Langer.

Hilflosigkeit

Meist fühlen sich die Opfer dem Mobbing komplett ausgesetzt, können sich nicht mehr wehren. Aussagen wie «ich kann sowieso nichts machen» oder «ich halte das nicht mehr aus», könnten daher auf Mobbing hindeuten.

Panik

Besonders bei Cybermobbing werden Nachrichtendienste und sozialen Medien für Betroffene zum Ort des Schreckens. «Sie haben Panik, auf den Handybildschirm zu schauen und trotzdem den Drang, es ständig zu machen», erklärt die Profilerin.

Wie reagiert man richtig?

Sie rät Eltern: «Trauen Sie Ihrem Instinkt! Sprechen Sie die Verhaltensmuster offen an.» Wichtig dabei: Geborgenheit vermitteln und niemals Vorwürfe machen. Wenn das Kind tatsächlich gefährdet ist, empfiehlt Grieger-Langer: «Setzen Sie sich gemeinsam zur Wehr.» (hah)

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