«Sie war der liebste Mensch auf Erden»
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Suizid nach Cybermobbing:«Sie war der liebste Mensch auf Erden»

Eltern von Céline kritisieren Urteil
«Schreckt doch niemanden ab»

Heute kommt der Fall Céline vor Gericht. Die 13-Jährige tötete sich 2017 nach monatelangem Online-Mobbing. Nur: Die Hauptsache wird gar nicht besprochen. Denn nach Schweizer Gesetz ist für den Tod des Mädchens niemand verantwortlich.
Publiziert: 25.02.2020 um 18:39 Uhr
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Aktualisiert: 14.06.2020 um 20:52 Uhr
Céline (†13) nahm sich nach massivem Mobbing das Leben.
Foto: Zvg
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Michael Sahli

Céline Pfister aus Spreitenbach AG war 13 Jahre alt, als sie sich das Leben nahm. Zuvor war sie im Internet gemobbt und gedemütigt worden (BLICK berichtete). Hunderte von Jugendlichen sahen ein freizügiges Foto des Mädchens, das nie für die Öffentlichkeit gedacht war. Ihr Tod löste 2017 eine Debatte über Cyber-Mobbing aus. Und warf die Frage auf, wie man die Quäler aus dem Internet stoppen kann. Gestern wurde der Fall vor dem Jugendgericht Dietikon ZH verhandelt. Die Eltern des Mädchens sagten vor der Verhandlung, die wegen des jungen Alters des Beschuldigten nur teilweise öffentlich war: «Wir hoffen, dass heute ein Zeichen gesetzt wird.»

Vater von Céline fordert härtere Gesetze

Auf mehr konnten sie auch nicht hoffen. Denn der eigentliche Tod ihrer Tochter wurde gar nicht verhandelt. Vor dem Richter stand der heute 17-jährige X.Y.*. Ihm hatte Céline freizügige Fotos von sich geschickt. Er forderte mehr, drohte, die schon geschickten Bilder weiterzuschicken. Tatsächlich schickte er ein Foto an seine Ex-Freundin, die es dann ins Internet stellte. Zwei Wochen später war Céline tot. Einen kausalen Zusammenhang zwischen Mobbing und Suizid zu belegen, ist in der Realität aber fast nicht möglich. Die Vorwürfe vor Gericht: Nötigung – wegen des Erpressens der Bilder. Und Pornografie, weil X.Y. Penis-Bilder verschickte.

Eltern verlassen Saal

Trotzdem war der Prozess für die Eltern von Céline wichtig, damit die Öffentlichkeit ihre Tochter nicht vergisst. Er fand statt, weil sie gegen einen Strafbefehl gegen X.Y. Einsprache erhoben hatte. Eine «persönliche Leistung», einen Arbeitseinsatz von wenigen Tagen, mit denen der Täter bestraft wurde, konnten sie nicht akzeptieren, auch wenn er zum Tatzeitpunkt erst 14 war. «Solche Strafen schrecken doch niemanden ab», sagt der Vater in einer Pause. Er nutzt die Verhandlung als Plattform, fordert, dass Cyber-Mobbing ein eigener Straftatbestand wird.

Die Aussagen von X.Y. waren nicht öffentlich. Er machte während der Verhandlung einen abwesenden Eindruck. Am Schluss wurde er zu einem Arbeitseinsatz von vier Tagen verurteilt. Die Eltern von Céline verliessen den Saal – noch während der Verkündung.

* Name bekannt

Beweislage ist schwierig

Bereits Ende 2018 wurde ein ähnlicher Fall vor dem Bezirksgericht Uster ZH verhandelt. Der Zürcher Daniel C. (damals 30) hatte die 14-jährige Finnin Tina* im Internet kennengelernt und brachte sie dazu, ihm freizügige Fotos zu schicken. Mit den Bildern erpresste der Mann dann immer neue Fotos des Mädchens. Irgendwann lud er das Material auf eine bekannte Pornoseite, versehen mit dem vollen Namen des Opfers. Tina kündigte ihren Suizid gar an, bevor sie ihn beging.

Trotzdem wurde er nur wegen mehrfacher sexueller Nötigung und mehrfachen sexuellen Handlungen mit einem Kind verurteilt. Das Obergericht sollte die Strafe später gar auf 28 Monate reduzieren. Auch hier konnte kein Zusammenhang zwischen dem massiven Psychoterror aus dem Internet und dem Suizid bewiesen werden.

* Namen bekannt

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Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in Krisen und für ihr Umfeld da:

Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben

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