Was sich gestern Vormittag in Zürich abspielte, ist in der Schweiz die absolute Ausnahme. Ein Hausbewohner überrascht einen Einbrecher und fackelt nicht lange: Er zückt eine Pistole und schiesst auf den Eindringling.
Der Einbrecher kann fliehen. Die Polizei geht davon aus, dass er verletzt ist und sucht nach ihm. Die Suchaktion bleibt aber erfolglos (Blick.ch berichtete).
Doch was sich die ganze Schweiz fragt: Darf man auf Einbrecher schiessen?
Recht auf Notwehr
«Im Prinzip ist das eine klassische Situation von Notwehr», sagt Martin Killias, Strafrechtsprofessor an der Uni Zürich, zum Fall vom Zürichberg. Denn dass man sich hier bedroht fühlen muss, sei offensichtlich. «Wenn man mit einem Einbrecher in einem Raum ist, liegt eine physische Konfrontation sehr nahe», sagt Killias. Da blieben einem nicht viele Optionen, flüchten sei schwierig.
Die Regelung zur Notwehr ist in der Schweiz laut Killias eher grosszügig. «Grundsätzlich gilt, dass ein rechtswidriger Angriff dem Angegriffenen das Recht zur Notwehr gibt.»
Aber nur, solange der Angriff andauert: Flüchtet der Einbrecher, darf man nicht auf ihn schiessen. Die Notwehr muss zudem verhältnismässig sein. «Bei einem geringfügigen Eingriff, darf man nicht massiv zurückschlagen», sagt Killias.
Es mache auch einen Unterschied, ob man beobachtet, wie ein Dieb sein Auto aufbricht oder ob einer in der Nacht ins Zimmer schleicht.
Aufrüsten problematisch
Den konkreten Fall vom Zürichberg findet Killias ungewöhnlich. Vor allem, dass der Hausbesitzer eine Waffe zur Hand hatte, sei speziell. Das kenne man bisher erst aus Amerika, wo meist auch die Einbrecher bewaffnet sind.
«Eine private Aufrüstung ist problematisch. Denn wenn die Einbrecher davon ausgehen, dass die Hausbewohner bewaffnet sind, werden sie sich auch bewaffnen. Das war bislang in Europa kaum der Fall», sagt Killias.
Auch die Polizei rät zur Vorsicht. «Wir raten davon ab, selber aktiv zu werden. Das Risiko ist für beide Seiten zu gross», sagt Marco Cortesi von der Stadtpolizei Zürich. Er empfiehlt in jedem Fall erst den Notruf zu alarmieren.
Lob für den Hausbesitzer
Bei den Lesern von Blick.ch stösst der Schütze jedoch grösstenteils auf Verständnis. «Recht hat er. Niemand hat was in seiner Wohnung zu suchen. Würde jederzeit gleich handeln», sagt Rolf Holliger. Als «Recht auf Verteidigung seines Lebens und seines Hab und Guts», versteht Guido Pescio die Reaktion des Hausbesitzers.
Es gibt allerdings auch mahnende Stimmen. «Sind wir denn in Amerika? Einfach losschiessen? Ist ja kriminell», findet Leser Peter Bauer. «Man sollte das Verhältnis nicht vergessen, ein Einbrecher richtet in der Regel weniger als 10'000 Franken Schaden an. Wieviel ist ein Menschenleben wert?», fragt Marc Schuler aus St. Gallen.