Prozess am Bezirksgericht in Hinwil ZH – keine Beweise für Totschütteln
Vater von Tötungsvorwurf an Baby Liam (†) freigesprochen

Baby Liam (†) wurde nur acht Monate alt. Er starb im Spital an einer Hirnblutung, nachdem er in der Obhut seines Vaters war. Das Bezirksgericht Hinwil spricht ihn frei.
Publiziert: 29.06.2021 um 10:46 Uhr
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Aktualisiert: 29.06.2021 um 16:27 Uhr
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Baby Liam (†) wurde nur acht Monate alt. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt: Vater Fabian H.* (44) hat den Buben zu Tode geschüttelt.
Foto: zvg
Céline Trachsel

Freispruch für Vater Fabian H.* (44)! Das Bezirksgericht Hinwil ZH sieht es als nicht erwiesen an, dass der Familienvater vor zwei Jahren seinen erst acht Monate alten Sohn so stark schüttelte, dass er nach einem tagelangen Überlebenskampf im Spital verstarb.

Auch wenn die Liste der Verletzungen von Baby Liam* (†) lang ist: Laut Gutachten der Rechtsmediziner hatte das Baby ein Schädel-Hirn-Trauma, mehrere Hirnblutungen, eine Hirnschwellung, einen verletzten Sehnerv, einen Rippen- und einen Armbruch.

Keinen Notruf abgesetzt

Als am verhängnisvollen Abend im Juli 2019 die Mutter von Liam von der Arbeit nach Hause kam, war der Junge kreidebleich, hatte Atemnot und die Augen verdreht. Vater Fabian H., der mehrere Rettungsausbildungen hat, hatte den Notruf aber noch nicht gewählt.

Die Staatsanwaltschaft war überzeugt: Der Vater hatte das Baby körperlich misshandelt und zuletzt zu Tode geschüttelt, weil er mutmasslich überfordert war mit der Betreuung.

Die drei Richter des Bezirksgerichts sprachen ihn aber nun vom Vorwurf der vollendeten sowie der mehrfachen versuchten vorsätzlichen Tötung frei. Laut Rechtsmedizin seien Liams tödliche Verletzungen zwar durch Gewalteinwirkungen entstanden, aber «weder aufgrund der Gutachten über den Beschuldigten noch aufgrund seines Verhaltens lässt sich auf eine grundsätzliche Gewalttätigkeit schliessen», so die Richterin am mündlich eröffneten Urteil.

«Keine widersprüchlichen Aussagen»

Sie meint: «Alle Vorwürfe müssten zweifelsfrei nachgewiesen werden. Der Beschuldigte konnte detaillierte Angaben machen, welche Unfälle jeweils passiert sind und wie es zu den Verletzungen kam. Eigentliche Widersprüche sehen wir nicht.»

Es sei zwar befremdend, dass der Beschuldigte nicht früher einen Notruf abgesetzt habe, «aber dieser Vorwurf taugt nicht, um zu beweisen, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen gewaltsamen Handlungen begangen hat, die zum Tod des Babys führten», so die Richterin. «Deshalb wird er auch freigesprochen.»

Als Entschädigung für die 518 Tage in Untersuchungshaft erhält der IT-Spezialist rund 225'000 Franken.

Staatsanwalt will Freispruch nicht akzeptieren

Das Urteil hält Staatsanwalt Adrian Kaegi für absolut unverständlich und spricht im Anschluss deshalb umgehend zu der versammelten Presse. «Ich benötige kein schriftlich begründetes Urteil, um zu wissen, dass ich den Fall ans Obergericht weiterziehen werde.» Für ihn sei das Urteil der ersten Instanz nicht nachvollziehbar und «hinten und vorne nicht mutig».

«Wer soll es sonst gewesen sein?», meint der Staatsanwalt. «Das Ausschlussprinzip wurde nicht beachtet. Das Gericht hatte auch keine Erklärung dafür geliefert, woher diese von Menschen verursachte Verletzungen stammten.» Dass das Gericht auf die Aussagen des Beschuldigten abstellt, ist für Kaegi nicht nachvollziehbar. Denn: «Die Widersprüche waren zahlreich bis absurd. Für mich kommt nur der Beschuldigte als Verursacher dieser Verletzungen in Betracht.»

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