Im Februar 2019 wird Karin S.* (†29) nur wenige Meter von ihrem Zuhause in Dübendorf ZH mit einem Hammer angegriffen und getötet. Die Kita-Angestellte bleibt blutüberströmt auf einem Parkplatz liegen. Der Täter, ein 35-jähriger Schweizer, filmte das Opfer und riss ihr die Halskette ab. Nur einen Tag später kann ihn die Polizei verhaften. Der Killer und das Opfer kannten sich – er war ihr Stalker. Am Donnerstag stand er in Uster ZH vor Gericht. Laut psychiatrischen Gutachten ist er aber nicht Schuldfähig. Er leidet an Asperger Autismus.
Der Staatsanwalt stuft die Tat als Mord ein. Er beantragte jedoch, den geständigen Beschuldigten als schuldunfähig zu erklären und in eine Klinik einzuweisen. Dies befürwortete auch der Verteidiger. Er will die Tat aber als vorsätzliche Tötung qualifiziert haben. Die Vertreter von Mutter, Schwester und Freund des Opfers wiesen die Erklärung von Schuldunfähigkeit als unangebracht zurück. Sie verlangten ein neues Gutachten und Genugtuungs- und Schadenersatzzahlungen in der Höhe von insgesamt gut 130'000 Franken.
«Tiefgreifende Entwicklungsstörung»
Asperger Autismus werde zwar zur Zeit immer mehr zu einer Modediagnose, sagte demnach der Psychiater. Bei dem Beschuldigten seien allerdings schon in früher Kindheit Anzeichen für die Krankheit festgestellt, aber ungenügend behandelt worden. Die Tat, und dass der Mann keine Alternativen dazu gesehen habe, hänge eng zusammen mit der Krankheit. Diese könne nicht geheilt werden.
Die «tiefgreifende Entwicklungsstörung» hat laut dem Experten insbesondere zur Folge, dass der Mann in seinem Sozialverhalten schwer behindert ist. Ihm fehlt jedes Einfühlungsvermögen. Mimik, Blicke, hingeworfene Bemerkungen kann er nicht deuten. Er braucht Erklärungen.
Musste googeln was ein Kuss bedeutet
Keine Einschränkung habe die Krankheit dagegen auf andere Bereiche, etwa auf das Arbeitsverhalten des Beschuldigten: Er arbeitete zur Tatzeit in einem Wiedereingliederungsbetrieb. Dort lernte er sein späteres Opfer Karin S. kennen und verliebte sich. Die junge Frau war ihm anfangs durchaus zugetan, wie der Psychiater sagte. Auch mit diesen Gefühlen konnte der Mann nichts anfangen. Als sie ihm einmal einen Kuss gab, musste er googeln, was das zu bedeuten habe.
Als S. zu einem Treffen nicht erschien, kam die Störung des Mannes voll zum Tragen: Er bestand auf einer Erklärung und begann deshalb, ihr nachzustellen, was sie verängstigte. Nach einiger Zeit erzählte sie ihrem Vater davon. 2011 wurde die Polizei eingeschaltet.
«Wollte sie abschlagen»
Als die Beamten den Beschuldigten aufsuchten, um mit ihm zu reden, war das für ihn laut Psychiater absolut einschneidend. Er glaubte, ihm würde Schlimmes vorgeworfen – etwa eine Vergewaltigung. Damit war für ihn klar, dass S. ihn schwer verleumdete.
Dieser Gedanke beherrschte nun sein Leben. Immerhin hörte der Beschuldigte auf mit seinen Nachstellungen. Die Verstörung und Wut wegen der vermeintlichen Verleumdungen arbeiteten weiter in ihm und es entstand ein Wunsch nach Vergeltung. 2018 fing er wieder an mit dem Stalking. Im Februar 2019 «hielt ich es nicht mehr aus», sagte der Beschuldigte vor Gericht. Er «wollte sie abschlagen». Es sei ihm bewusst gewesen, dass das nicht richtig sei, aber er habe «keinen anderen Weg» gesehen – dann kam es zur brutalen Tat.
Noch kein Urteil gefällt
Während der Verhandlung am Donnerstag beschloss das Gericht noch kein Urteil zu fällen. Es ordnete ein zweites psychiatrisches Gutachten an. Bis das neue Gutachten von einem anderen Experten bereit ist, und ein Urteil gefällt werden kann, dürfte rund ein Jahr vergehen, sagte der Richter.
Unklar ist für das Gericht, ob der Mann vollständig oder nur teilweise schuldunfähig ist. Dennoch wurde der Killer von Karin S. bereits in eine Klinik eingewiesen worden. (SDA/bra)
*Name geändert