Den Einsatzkräften bot sich ein grausiges Bild, als sie im Dezember 2016 an den Tatort in Zürich-Altstetten kamen: Der Vater mit zahlreichen Messerstichen getötet, Mutter und Bruder schwer verletzt. Der Sohn, der das ganze angerichtet hatte, blutete ebenfalls stark. Er hatte versucht, sich mit dem Küchenmesser selber die Kehle aufzuschneiden.
Das Bezirksgericht Zürich kam am Dienstag zum Schluss, dass er für diese vorsätzliche Tötung und die mehrfache versuchte vorsätzliche Tötung aber nicht strafrechtlich belangt werden kann. Es erklärte den jungen Mann wegen seiner psychischen Probleme für nicht schuldfähig und verurteilte ihn zu einer stationären Massnahme nach Artikel 59.
Die Stimmen im Kopf haben aufgehört
Das Gericht folgte damit den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung, die das übereinstimmend gefordert hatten. Der 28-Jährige ohne Berufsausbildung, der bis zur Tat bei seinen Eltern wohnte, wird somit auf unbestimmte Zeit in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen.
Seit seiner Verhaftung lebt er bereits in der Klinik in Rheinau ZH, wo er eine Therapie absolviert und medikamentös behandelt wird. Es gehe ihm schon viel besser, sagte er. Die Stimmen im Kopf hätten aufgehört.
Ein Gutachten kam zum Schluss, dass er zum Zeitpunkt der Tat eine akute Psychose einer paranoiden Schizophrenie hatte. Seit seiner Jugend litt er bereits unter Depressionen, wandte sich aber nie an einen Psychologen. Er habe mit niemandem über seinen Zustand reden wollen, sagte er vor Gericht. Heute wüsste er es besser.
Angst vor den Fremden
Mit den Jahren entwickelte er zunehmend Wahnsymptome, die durch tägliches Rauchen von bis zu zehn Joints verstärkt wurden. Richtig abwärts ging es, als er sich in die Freundin eines Kollegen verliebte. Weil er dies selber unpassend fand, fürchtete er, dass «fremde Leute» Rache nehmen könnten – an ihm und seiner Familie.
Wenige Monate vor der Tat hörte er zwar mit dem Kiffen auf. Dies löste jedoch zusätzlich eine Entzugspsychose aus, die sich in noch stärkeren Wahnvorstellungen äusserte. In der Tatnacht war er dann der festen Überzeugung, dass «die Fremden» seine Familie in den kommenden zehn Minuten entführen und foltern würden.
Dass er mit einem Messer auf Vater, Mutter und Bruder losging, war für ihn ein Zeichen der Liebe: Er wollte seiner Familie einen schnellen Tod ermöglichen, so dass sie nicht leiden müssten. Sich selber wollte er zum Schluss auch umbringen.
Er brach mehrmals in Tränen aus
Dass er selber die einzige Gefahr war, realisierte er erst einige Wochen später in der Klinik, als die Medikamente zu wirken begannen. «Er brach mehrmals in Tränen aus», sagte sein Anwalt. Auch am Dienstag vor Gericht kamen dem Beschuldigten die Tränen. «Es tut mir unendlich leid.» Er hätte nie gedacht, dass er so etwas tun könnte.
Mutter und Bruder, die den Prozess mitverfolgten, haben ihn trotz Tötungsdelikt nicht fallen lassen. Sie besuchen ihn oft in der Klinik. Schadenersatz oder Genugtuung wollen sie nicht. (SDA)