Mögliches Sexualdelikt an Privatschule in Winterthur
Mann von sexueller Nötigung freigesprochen – wegen Polizei-Fehler

Massive Fehler bei der Befragung eines möglichen Opfers eines Sexualdelikts führten dazu, dass der Beschuldigte freigesprochen werden musste. Die Ermittler hatten das Mädchen zu suggestiv befragt.
Publiziert: 20.11.2020 um 09:53 Uhr
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Aktualisiert: 20.11.2020 um 11:07 Uhr
Bezirksgericht Winterthur.
Foto: Claudio Meier

Ein 34-jähriger Betreuer soll ein kleines Mädchen (5) in einer Winterthurer Privatschule sexuell genötigt haben. Konkret: Im Mai und Juni 2019 habe der Mann das Mädchen mit in einen Fitnessraum der Schule genommen, sich vor ihr entblösst und sie aufgefordert, sich die Vulva zu massieren. Sie weigerte sich jedoch. Es soll noch zu zwei weiteren Vorfällen mit dem Mann gekommen sein.

Nun stand der Mann vor dem Bezirksgericht Winterthur – und wurde freigesprochen, wie der «Landbote» (Abo) berichtet. Grund: Massive Fehler im Verfahren. Der Fall kam ins Rollen, weil das Mädchen bei seiner Mutter eine beiläufige Bemerkung machte.

Polizistin befragte zu suggestiv

Den Täter bezeichnete das Mädchen dabei stets mit demselben Namen, allerdings gab es auf der Mitarbeiterliste der Schule nur einen Betreuer mit ähnlich klingendem Namen. Die Eltern zeigten ihrer Tochter Mitarbeiterfotos aus einem Jahrbuch der Schule, um zu überprüfen, ob er tatsächlich der Täter ist. Schliesslich zeigten sie den Mann an.

Allerdings machte die Abteilung Kinderschutz der Kantonspolizei bei der Befragung offenbar Fehler. So habe die Polizistin das Mädchen nach dem Namen gefragt, den es seinen Eltern ursprünglich gesagt hatte, sagte die Strafverteidigerin laut «Landbote» vor Gericht. Zugleich habe die Polizistin dem Mädchen den richtigen Namen des Mannes gesagt. «Die Polizistin hat nicht einmal gefragt, wie die Person denn aussieht, sondern direkt eine Verbindung zu meinem Mandanten hergestellt.»

Gericht glaubt Mädchen

Ausserdem habe die Polizistin dem Mädchen durch mehrfaches Nachfragen suggeriert, dass seine Erstantworten falsch seien. Was ebenfalls am Prozess zutage kam: Die Mutter hatte ihre Tochter mehrfach aufgefordert, alles zu erzählen, weil sie sonst mit ihr schimpfen würde.

Obwohl der Angeklagte sich in widersprüchliche Aussagen verwickelte, konnte der Richter diese ihm nicht anlasten. Zwar glaubt das Gericht dem Mädchen, allerdings nicht ausreichend für einen Schuldspruch. Der Richter laut dem «Landbote»: «Aus den Aussagen geht aber nur hervor, dass das Mädchen einen sexuellen Übergriff beobachtet hat», sagt der Richter. Weitere Informationen seien anhand seiner Aussagen nicht erstellbar. «Man kann die Lücken in den Erzählungen des Mädchens nicht einfach mit Erzählungen der Eltern stopfen», so das Urteil. (neo)

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