Sie teilen sich Pizza. Tanzen in der Küche. Blödeln herum. Ein Ehepaar präsentiert sich auf der Videoplattform Tiktok so, wie es unzählige andere Menschen auch tun. Allerdings unterscheidet sich der Kanal «justyna250679» in zwei Dingen von der Mehrheit der Nutzer:
1. Die Protagonisten sind einiges älter als der Durchschnitt der Tiktok-Zielgruppe.
2. Beim Herrn in den Videos handelt es sich um den Zürcher Oberrichter Christoph Spiess (61).
«Aufgeflogen» ist das Ganze durch einen Zufall. Anfang Februar postete seine Frau ein Video aus Davos GR, in dem eine Frau ihr Auto freischaufelte, während ihr Mann daneben stand. «20 Minuten» sah das Video auch, fragte sich, ob das Emanzipation ist und zitierte dazu die Frau von Spiess. In der Zürcher Justiz wurde der Artikel gelesen, die Frau erkannt – und Spiess damit exponiert.
Chef von Spiess nicht erfreut
Daraufhin rauchten bei der Zürcher Justiz die Köpfe, berichtet heute der «Tages-Anzeiger». Spiess wurde ins Büro von Obergerichtspräsident Martin Langmeier zitiert. Dieser habe ihm nahegelegt, das Bildmaterial entfernen zu lassen. «Mitglieder des Obergerichts sind angehalten, sich als Magistratspersonen in der Öffentlichkeit auch als Privatperson ihres Amtes würdig zu präsentieren», wird Sprecherin Andrea Schmidheiny zitiert. Das gelte auch für die sozialen Medien. Und auch wenn es, wie bei Spiess, nicht der eigene Account sei.
Was aber konstituiert «eines Amtes würdig»? Das sei naturgemäss schwierig zu beurteilen, sagt Schmidheiny dem «Tagi». Es gebe keine klaren oder messbaren Kriterien.
«Mir machen die Videos Spass»
Christoph Spiess zu BLICK: «Natürlich muss man bei Magistratspersonen eine höhere Messlatte ansetzen.» Aber diese Videos seien völlig in Ordnung und ungeeignet, diese Diskussion zu führen.
«Mir machen die Videos Spass, und ich stehe dazu. Wenn jemand ein Problem damit hat, ist das seine Sache. Ich selbst habe fast ausnahmslos positive Rückmeldungen bekommen, auch am Gericht.» Er denke darum nicht daran, die Videos zu entfernen.
Konsequenzen drohen ihm kaum. Gerichtssprecherin Schmidheiny sagt dem «Tages-Anzeiger»: «Letztlich bleibt es Oberrichter Spiess überlassen, zu entscheiden, wie er sich verhalten möchte.» (vof)