Für Staatsanwalt Michael Scherrer war es ein Mord mit Ansage. «Ich schlitze ihn auf und töte ihn», soll Verkäufer Shivan M.* (21) geschrien haben. Kurze Zeit später war Detailhändler Vigan M.* tot. Er feierte in der Nacht auf den 15. Juli 2012 im Zürcher Club Kaufleuten seinen 23. Geburtstag. Sein Bruder Visar (20) wurde lebensgefährlich verletzt.
Der Messerstecher, Shivan M., beruft sich auf Notwehr – wenn auch «übertriebene». «Ich war in einem Angst und Panikzustand», sagte er gestern vor dem Zürcher Bezirksgericht. Die Brüder hätten ihn zuvor zusammengeschlagen.
Auslöser für die unfassbare Bluttat ist eine Nichtigkeit. Verkäufer Shivan M. rastet aus, weil er im Kaufleuten seine Freundin aus den Augen verliert. Zufällig bekommt die Geburtstags-Clique vor dem Lokal die Aggressivität des jungen Irakers mit.
Shivan M. gerät mit Visar M. aneinander. Sie gehen mit Fäusten aufeinander los. Darauf mischt sich Geburtstagskind Vigan M. ein. Club-Security und Polizei können den Streit beenden.
«Weshalb ich geschlagen wurde, weiss ich nicht», sagt Shivan M. Er trägt aus der Schlägerei ein Veilchen davon. Doch das will der Iraker nicht auf sich sitzen lassen. Eine Stunde später taucht Shivan M. mit zwei Schulkollegen vor dem Club auf. Warum, darüber gehen die Erklärungen diametral auseinander. Gemäss Anklage sagte Shivan M. auf der Fahrt, er schwöre auf den Koran, dass er «diese Personen» (das Brüderpaar) töten werde. Im Gegensatz zu seinen Kollegen will der Verkäufer davon nichts wissen. «Ich war im Schock und rief sie an, damit sie mit mir den Streit schlichten», erklärt er.
«Und weshalb liessen Sie das Auto mitten auf der Strasse stehen und gingen schnurstracks auf Vigan M. zu?», will Gerichtspräsident Roland Heimann wissen. «Ich wollte nur reden. Dann hörte ich einen Schrei, und er kam auf mich zu. Ich hatte Angst, dass ich wieder geschlagen werde. Ich nahm das Messer.»
«Elfmal haben Sie zugestochen», erinnert ihn der Richter. «Es ging alles so schnell», sagt Shivan M., «dann rannten wir weg.»
Der Staatsanwalt verlangt für Shivan M. 20 Jahre Zuchthaus wegen Mordes und Tötungsversuchs. Kollege Husen S.* (23), der ihm das Messer gegeben haben soll, müsse fünf Jahre hinter Gitter wegen Gehilfenschaft. Die stellt der gebürtige Mazedonier in Abrede: «Shivan hatte selber ein Messer.» Das Urteil folgt noch diese Woche.