Der 14-jährige Joel A.* aus Zürich liegt gerade auf seinem Bett, als zwei Vermummte im November 2016 ins Kinderzimmer eindringen. Der junge Mann ist alleine zu Hause, glaubt, es handle sich um Einbrecher. Dann sticht einer der Eindringlinge mit einem Messer auf ihn ein. Insgesamt 15 Mal wird der Teenager geschnitten und gestochen. Nur mit viel Glück überlebt er die brutale Attacke.
Die beiden Eindringlinge, die Mazedonierin Arda B.* (35) und ihre Bruder Blerim F.* (33), standen gestern vor Obergericht. Und erzählten eine Story, die selbst die Staatsanwältin aus der Fassung brachte: «Eine so abscheuliche Tat habe ich in 20 Jahren im Beruf nicht erlebt.»
Auf Unbekannten eingestochen, um sich am Schwiegervater zu rächen
Eigentlich hatte es die Hauptangeklagte auf ihren verhassten Schwiegervater abgesehen. Weil der aber nicht zu Hause war, beschloss sie, stattdessen in die Nachbarwohnung einzudringen und das Zufallsopfer Joel A. zu töten. Danach wollte Arda B. ihrem Schwiegervater die Schuld in die Schuhe schieben. Nach der Bluttat schrieb sie Briefe an die Polizei, in denen sie den Schwiegervater anonym beschuldigte. Ihren Bruder hatte sie extra in die Schweiz geholt, damit er sie beim Verbrechen unterstützen kann.
In erster Instanz wurde die Hauptangeklagte zu einer Gefängnisstrafe von 18 Jahren unter anderem wegen versuchten Mordes verurteilt, ihr Bruder zu 4,5 Jahren. «Die Strafe ist zu hart für mich», erklärte sie heute, warum sie mit der Haft und der anschliessenden Landesverweisung nicht einverstanden ist. Schliesslich habe sie selber Kinder und sei in der Schweiz gut integriert.
«Es war so, als wäre der Teufel in mir gewesen», beschrieb sie die Tat tränenreich. Aber: Sie habe niemanden töten wollen. «Ich freue mich, dass es Joel besser geht.» Sowieso sei es die Idee ihres Bruders gewesen, in die Nachbarwohnung zu gehen. Während der Polizeibefragung hatte sie zunächst sogar behauptet, es sei der Bruder gewesen, der zugestochen habe. Später, dass der Bruder beim Zustechen ihre Hand führte.
Komplize hat IQ von 66
Der Bruder wiederum hatte offensichtlich Probleme, der Gerichtsverhandlung inhaltlich zu folgen oder einfache Fragen zu beantworten. «Er hat einen Intelligenzquotienten von 66, ist eigentlich geistig behindert», wiederholte sein Verteidiger immer wieder. Trotzdem kann der 33-Jährige laut Gutachter verstehen, dass man niemanden mit einem Messer verletzen darf.
Am Ende sah es das Gericht aber als erwiesen, dass Blerim F. nicht wusste, was seine Schwester vorhatte. Und, dass er während der Messer-Attacke vor der Wohnung aufpasste. Er wurde darum im Hauptanklagepunkt Gehilfenschaft zum versuchten Mord freigesprochen, wird aber trotzdem des Landes verwiesen.
Für Arda B. hat sich die Berufung nicht gelohnt: Sie kassierte 20 statt 18 Jahre Haft. «Es ist ein monströses Verbrechen, das einen erschaudern lässt», so das Gericht. Es liege alleine an seinem Überlebenswillen, dass sich das Opfer Joel A. ins Treppenhaus schleppen und so gerettet werden konnte.
* Namen geändert