Als Papst der Kopten in Ägypten erlebt Papst Tawadros II. (66) die Christenverfolgung hautnah mit. Am Montag landete das Kirchenoberhaupt in Zürich, um am Dienstag die Kopten-Kirche in Grafstal bei Lindau ZH einzuweihen. BLICK sprach mit ihm über Diskriminierung, Terror und Liebe.
BLICK: Papst Tawadros II., als Minderheitenreligion in einem muslimischen Land erleben Sie häufig Hass und Diskriminierung. So sind bei Anschlägen in den vergangenen Jahren Dutzende von koptischen Christen gestorben. Wie gehen Sie damit um?
Papst Tawadros II.: Den Kopten bleiben nicht viele Möglichkeiten, um sich zu wehren. Sie können beten und den Entführern vergeben. Sie können den Konflikten aus dem Weg gehen, die Heimat verlassen und in eine sicherere Gegend ziehen. Oder sie können im Gespräch mit den lokalen Behördenvertretern um Unterstützung flehen und versuchen, Schutz zu bekommen.
Wie hat sich die Situation für die Christen unter Präsident Abdel Fattah al-Sisi verändert?
Seit al-Sisi 2014 an der Macht ist, hat sich die Situation für die Kopten markant verbessert. Unter seiner Führung wurden 826 Bewilligungen für Kirchen erteilt. Früher mussten die Messen im Geheimen gefeiert werden – Gläubige und Priester wurden regelmässig verhaftet. Laufend wurden Kirchen geschändet, ohne dass die lokale Polizei eingegriffen hätte und ohne dass die Übeltäter zur Rechenschaft gezogen worden wären.
Nach dem Sturz von Präsident Mursi im Jahr 2013 haben die Islamisten aus Rache in ganz Ägypten 84 Kirchen niedergebrannt. Wie hat al-Sisi reagiert?
Er hat die Armee beauftragt, die Kirchen wiederaufzubauen, wofür wir dankbar sind. Seit 2014 nimmt al-Sisi jeweils persönlich an der koptischen Weihnachtsfeier teil und hält sogar eine Ansprache. Bei Muhammad Husni Mubarak und den früheren Präsidenten war das nie der Fall.
Werden die Kopten auch ins politische Leben miteinbezogen?
Im 596-köpfigen Parlament gibt es mittlerweile 40 Vertreter der koptischen Gemeinschaft. Unter Mubarak waren es nur zwei. Auf Befehl von al-Sisi wurde auch ein gemischtes Komitee mit Vertretern der obersten Führung der Al-Azhar-Universität und der koptischen Kirchenleitung gegründet. Das Gremium versucht, Konflikte in einem interreligiösen Dialog zu lösen.
Wie ist Ihre Zusammenarbeit mit den Katholiken und Reformierten?
Sehr gut. In Ägypten sind wir gemeinsam in einer Synode zusammengeschlossen und treffen uns monatlich, um als Christen gegenüber der Regierung mit einer Stimme zu sprechen.
Was unternehmen Sie selber für die Förderung des Friedens auf der Welt?
Wir engagieren uns für Gewaltlosigkeit und besprechen Schwierigkeiten mutig mit Behörden und Entscheidungsträgern. Wir rufen zu gegenseitigem Respekt und Nächstenliebe auf und versuchen zu vermitteln. Nach Möglichkeit unterstützen wir die Opfer.
Was müsste geschehen, damit es Frieden auf der Welt gibt?
Im Gebet «Vaterunser» steht: «Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.» Liebe und Vergebung sind das Fundament des Friedens. Im Umgang miteinander entsteht Nächstenliebe in jedem Menschen. Sie wird aktiviert, weitergegeben und beeinflusst die Gesellschaft. Denn die Liebe überstrahlt alles. Wenn die Liebe Einzug hält, schweigen die Waffen. Gewalt, Not und Leid hören dann auf.
Das Oberhaupt der Kopten besucht am Dienstag die Schweiz, um in Grafstal bei Lindau ZH die Kirche der Heiligen Maria und Verena einzuweihen, welche die Kopten 2016 von den Katholiken im Baurecht übernommen hatten. Papst Tawadros II (66) ist der 118. Papst der koptisch-orthodoxen Kirche, die weltweit und 15 Millionen Mitglieder zählt, davon rund 8 Millionen in Ägypten. Zur koptischen Gemeinschaft in der Deutschschweiz gehören 125 Familien, darunter auch jene von Andermatt-Investor Samih Sawiris (62).
Als Gründer der Kopten gilt der Evangelist Markus, der im ersten Jahrhundert gelebt haben soll. Die Spuren der Kopten in der Schweiz gehen in das Jahr 284 zurück, als der römische Kaiser Diokletian drei ägyptische Legionen mit 6600 christlichen Offizieren und Soldaten in das Gebiet nördlich der Alpen verlegte. Diese haben in unserer Region massgeblich zur Christianisierung beigetragen. Auch die Zürcher Stadtpatrone Felix und Regula waren koptische Christen aus der ägyptischen Legion.
Das Oberhaupt der Kopten besucht am Dienstag die Schweiz, um in Grafstal bei Lindau ZH die Kirche der Heiligen Maria und Verena einzuweihen, welche die Kopten 2016 von den Katholiken im Baurecht übernommen hatten. Papst Tawadros II (66) ist der 118. Papst der koptisch-orthodoxen Kirche, die weltweit und 15 Millionen Mitglieder zählt, davon rund 8 Millionen in Ägypten. Zur koptischen Gemeinschaft in der Deutschschweiz gehören 125 Familien, darunter auch jene von Andermatt-Investor Samih Sawiris (62).
Als Gründer der Kopten gilt der Evangelist Markus, der im ersten Jahrhundert gelebt haben soll. Die Spuren der Kopten in der Schweiz gehen in das Jahr 284 zurück, als der römische Kaiser Diokletian drei ägyptische Legionen mit 6600 christlichen Offizieren und Soldaten in das Gebiet nördlich der Alpen verlegte. Diese haben in unserer Region massgeblich zur Christianisierung beigetragen. Auch die Zürcher Stadtpatrone Felix und Regula waren koptische Christen aus der ägyptischen Legion.
Was erwarten Sie von der westlichen Welt im Kampf gegen den Terrorismus? Was erwarten Sie von der Schweiz?
Die westliche Welt sollte den Terrorismus vor Ort isolieren wie eine hoch ansteckende Krankheit und nicht zulassen, dass er sich weiterverbreitet. Von der Schweiz erwarten wir, dass sie den verfolgten Christen im Irak hilft, um diese Minderheit vor der Ausrottung zu bewahren. Früher war der Irak ein christliches Land. Heute sind die Christen im Irak in einer doppelten Minderheitenrolle: Zum einen sind sie eine religiöse Minderheit, zum anderen sind sie als syrisch-aramäisch sprechende Bevölkerung auch eine ethnische Minderheit.
Die Mehrheit der Schweizer sind Christen, allerdings kaum mehr praktizierend. Wie wichtig ist Religion für den Menschen?
Es ist besser, ein Land mit Gläubigen ohne Kirchen als ein Land mit Kirchen ohne Gläubige zu sein. Die Religion ist für den Menschen sehr wichtig. Die westliche Zivilisation basiert auf dem Christentum. Die Menschenrechte, das Verbot von Diskriminierungen und Sklaverei, die Gleichberechtigung aller Menschen vor dem Gesetz sind Errungenschaften der westlichen Welt, die es nur im Christentum gibt. Wenn sich die Menschen von diesen Errungenschaften entfernen, geht die gegenwärtige Zivilisation verloren.
Was ist Ihre zentrale Botschaft an Ihre Gläubigen?
Ihr seid die geliebten Kinder Gottes. Liebet einander, vergebt einander und dienet einander so, wie Jesus uns geliebt hat. Jeder Christ ist ein Botschafter Christi. Er soll in Demut, Nächstenliebe und Vergebung seinen Mitmenschen dienen.
Was ist Ihre zentrale Botschaft an Andersgläubige, speziell an die Muslime?
Unsere Botschaft ist und bleibt die wahre Liebe. Die Menschen sind das Abbild Gottes. Wir lieben alle Menschen und insbesondere auch unsere muslimischen Brüder und Schwestern. Wir schätzen die vielen Muslime, die sich für das friedliche, respektvolle und verständnisvolle Zusammenleben mit uns engagieren. Von Herzen wünschen wir ihnen allen ein glückliches Leben.